Everything Everything – Raw Data Feel

„Der erhabene Abspann einer unvergesslichen Partynacht“ taufte ich den Vorgänger „Re-Animator“ vor knapp 1,5 Jahren. Hier zeigten sich die ewigen Duracell-Hasen von Everything Everything plötzlich sentimentaler, zurückgezogener als je zuvor. Fans können das noch so sehr feiern, die Frage nach einem solchen Werk bleibt doch immer: Geht der Rückzug in die Nerdhöhle weiter oder traut sich die Band zurück auf die Tanzfläche? „Raw Data Feel“ fackelt gar nicht lange rum und entfacht Dutzende Feuerwerke, die glitzernden Staub auf den Tanzschuhen kleben lassen. Fegt die Tanzflächen, Everything Everything sind zurück – und sie kommen nicht alleine.

Flucht ins Netz

Dabei ist einem angesichts der Welt da draußen aktuell eigentlich gar nicht großartig zum Tanzen zumute. Diesem Umstand ist sich natürlich auch das britische Quartett bewusst und schlägt deswegen eine ziemlich überzeugende Konsequenz vor: Genug von der Menschheit, wenden wir uns mal der digitalen Alternativwelt zu! Gute Idee, die aus „Raw Data Feel“ in irgendeiner Form ein Konzeptalbum macht. Als fünften Beatle haben die Musiker dieses Mal nämlich eine KI eingeladen, die mit so unterschiedlichen Konzepten wie „Beowulf“ und den Geschäftsbedingungen von LinkedIn gefüttert wurde. Diese sorgt nun unter anderem dafür, dass „I Want A Love Like This“ mit so herrlichem Glitch im Finale auseinanderdriftet, bestimmt aber auch einige Inhalte der Platte. Ein durchaus spannendes Experiment, das im Zusammenspiel mit Frontmann Jon Higgs‘ Falsett genug Elektrizität für jede Discokugel produziert.

Hechtsprung in die Meisterklasse

Das Geheimrezept ist dabei so einfach wie genial: Gebt uns Beats, Synthesizer, Samples und von allem am besten so viel, wie es geht. Das klingt im Opener „Teletype“ mal aufgeregt und Stakkato-artig, in „Jennifer“ mit sanften Chören nach Dark-Wave-Melancholie. Bei „Leviathan“ eröffnen sich dann sogar kurzzeitig Post-Punk-Sphären und klar, in „Born Under A Meteor“ geht Higgs‘ Timbre direkt ins Herz, aber dann macht „Cut UP!“ den Sack endgültig zu: „Raw Data Feel“ will die Ekstase und da werden nicht nur die altbekannten Fans gerne mit einsteigen. Von den unschlagbaren, teils auch herrlich Pathos beladenen Melodien über die mit Abstand besten, weil vielseitigsten Beats der bisherigen Karriere des Quartetts ist diese Platte das Opus Magnum, das man direkt neben seine Tanzschuhe an einem Ehrenplatz im Regal drapieren möchte.

„You’re in love with the future and I don’t know why“ singt Higgs in „My Computer“ und wie man sich in die analoge Zukunft verlieben könnte, weiß nun wirklich niemand mehr. Mit Everything Everything gibt es aber glücklicherweise ein paar Paralleluniversen, in der es noch genügend Gründe zum Tanzen gibt.

Das Album „Raw Data Feel“ kannst du hier (Vinyl) oder hier (digital) kaufen. *

Und so hört sich das an:

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