Dreieinhalb Jahre nach der Veröffentlichung ihres Erfolgsalbums „Stay Gold“ und der großartigen Single „My Silver Lining“ melden sich die Schwedinnen Klara und Johanna Söderberg mit ihrem neuesten Werk zurück. „Ruins“ zeigt dabei eine andere kreative Seite der beiden Schwestern, ist geprägt von persönlichen Erfahrungen und steckt voller nachdenklicher Textzeilen. Aufgenommen wurde das Album mit Unterstützung des Produzenten Tucker Martine in Portland, USA. Für die Instrumentierung holte sich das Indie-Pop-Duo namhafte Musiker wie Peter Buck (REM), Glenn Kotche (Wilco) und McKenzie Smith (Midlake) mit ins Boot.
Nach dem Erfolg des vorangegangenen Albums waren First Aid Kit als Live-Act sehr gefragt, Freizeit und Ruhe wurden mit der Zeit zur Mangelware. Gerade in Nordamerika erfuhren ihre Songs mit deutlichen Country- und Folkeinschlägen großen Zuspruch. Es war eine intensive und auch anstrengende Phase ihrer Karriere, auf die nach dem Ende der Tourneen eine Auszeit folgen musste. Auf „Ruins“ haben Klara und Johanna nun berufliche wie private Belastungen konstruktiv verarbeitet. Von ihrem Markenzeichen, dem wunderbar harmonischen Zusammenspiel der beiden Stimmen, ist dabei nichts verlorengegangen. Nach wie vor erscheint Klaras Stimme als die etwas präsentere im Mix. Allerdings ist die Gesangsleistung von Johanna keineswegs bloß als ergänzendes Beiwerk zu verstehen. Vielmehr werden durch ihre Stimme gewisse feine Nuancen in das Gesamtbild des Klanges eingefügt, die gerade deshalb gut zur Geltung kommen, weil sie nicht allzu prominent in den Vordergrund gerückt werden. Natürlich haben beide Sängerinnen auf der Platte auch ihre persönlichen, herausstechenden Momente, wenn sie jeweils die eine oder andere Solopassage in den Liedern übernehmen.
First Aid Kit: Johanna (links) und Klara Söderberg.
In ihren Texten stellen First Aid Kit auf “Ruins” viele Fragen an das eigene Ich. Dabei geht es natürlich auch oft um zwischenmenschliche Beziehungen: “Why do I keep dreaming of you? Is it all because of my rebel heart?“ Gleich der erste Song gibt den grundlegenden Ton des Albums an: eine recht schwermütige Stimmung, die sich über einen Großteil des Werkes fortsetzen wird und mit jedem Hören eindringlicher werden kann. „Rebel Heart“ fesselt von Beginn an und steigert sich im letzten Drittel sogar noch einmal: ein früher Höhepunkt auf „Ruins“. Und auch das folgende, bereits einige Monate im Voraus als Single veröffentlichte „It’s a Shame“ mag man sich gerne mehrmals hintereinander anhören. Das Lied geht sehr schnell ins Ohr und die Stimmung hebt sich schon mit dem ersten Takt. Einerseits klingt dies durchaus hoffnungsvoll, doch im Text offenbaren sich vorhandene Sehnsüchte, deren Erfüllung kaum erreichbar scheint: “Tell me it’s okay to live life this way. Sometimes I want you to stay, it’s a shame.” Die aktuelle Single „Fireworks“ ist da sogar noch ein wenig direkter: “Why do I do this to myself? Every time I know the way it ends!”
Im sehr traditionell gehaltenen Country-Sound von „Postcard“ spielt das Klavier eine tragende Rolle. Auch hier steht dem melancholischen Inhalt (“I wasn’t looking for trouble, but trouble came”) einigermaßen lebhafte Musik gegenüber, bevor die Mitte des Albums mit „To Live a Life“ und „My Wild Sweet Love“ sehr ruhig vorüberzieht, ohne dabei jedoch zu still oder gar langweilig zu werden. Dazu sind die Melodien der Lieder einfach zu lieblich und zu schön arrangiert. Mit „Distant Star“ nimmt die Platte wieder ganz langsam an Fahrt auf, aber auch das nur kurz. Der folgende Titeltrack „Ruins“ schleicht sich nämlich ganz sanft in den Gehörgang – und ist dabei ein weiteres Highlight auf diesem Album!
An der Aufnahme des etwas eigentümlichen „Hem of Her Dress“ hatten First Aid Kit sicherlich ihren Spaß, und im abschließenden „Nothing Has to Be True“ kommen Klaras und Johannas Stimmen durch mehrere Solo-Gesangspassagen auch einzeln gut zur Geltung.
So besticht das mittlerweile vierte Studioalbum von First Aid Kit seit dem 2010er Debüt durch ein ausgewogenes Maß an Abwechslung und eine sehr gelungene Verbindung aus lyrischer Tiefe und gleichzeitiger Unaufdringlichkeit der Musik. Nach wenigen Hördurchgängen weicht der nur anfängliche Eindruck eines eher zurückgenommenen, weniger spektakulären Werkes schnell einem Wohlgefallen an den berührenden, vielleicht simplen, aber in jedem Falle gut durchdachten Arrangements. „Ruins“ ist eindeutig nicht auf Hit getrimmt, sondern ein Album, das seine Wirkung am besten dann entfalten kann, wenn man einen ruhigeren Moment abwartet und sich ein wenig Zeit dafür nimmt. Einige Lieder kann man jedoch auch gut nebenbei laufen lassen.
Aber am besten schaut man sich First Aid Kit natürlich live an!
Termine in Deutschland:
08.03.2018 Berlin, Columbiahalle
10.03.2018 Hamburg, Große Freiheit 36
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Die Rechte an den Bildern liegen bei First Aid Kit / Columbia Records.
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