Der Math-Rock ist ein diffuses Genre. Zwischen Melodie, 15/16-Takten, Gitarrengeplänkel und tanzbaren Grooves gibt es nur wenige Künstler, die es in der Vergangenheit schafften, die Kerncharakteristika der anspruchsvollen Musikrichtung der breiten Masse zugänglich zu machen. Eine Ausnahme dieses sich im Düsteren rumtreibenden Nischengenres bilden Foals aus dem englischen Oxford, die sich im Laufe ihrer 14-jährigen Karriere zwar immer mehr von ihren vertrackten Ursprüngen entfernten, ansonsten aber als Pioniere des Indie-Maths hunderttausenden von Musikfans zeigten, dass cleanes Delay-Gefrickel und Akzentverschiebungen durchaus auch ins Ohr gehen können. Spätestens der Dance-Floor-Smasher „My Number“ lief dann auch im Formatradio und sorgte für ausverkaufte Arena-Shows und Headliner-Positionen auf den größten Festivals. „Everything Not Saved Will Be Lost Part 1“ ist das erste von zwei geplanten Foals-Alben im Jahr 2019 und stellt den ersten musikalischen Output der Briten nach dem Ausstieg von Bassist Walter Gervers dar. Die Band greift hier weniger nach den Sternen des Rock-Olymps als noch auf den zwei Vorgängern und liefert ein deutlich konzeptorientierteres Gesamtwerk ab.
So misst man auf dem fünften Foals-Langspieler den absoluten Überhit, den die Vorwerke jeweils bereits im Vorhinein als Single vorgestellt hatten. Den neun neuen Foals Stücken – bei „Surf Pt. 1“ handelt es sich um ein instrumentales Interlude – steht diese Orientierung auf’s Ganze äußerst gut. Jeder Song steht musikalisch bereits für sich, präsentiert andere Seiten der Briten. So befindet sich „In Degrees“ wohl am nächsten an einem Techno-Track als alle bisherigen Songs des Quartetts, misst dabei jedoch niemals die Foals-typischen hohen Gitarrenspielereien. „White Onions“ hingegen treibt sich in gewohnt frickeligen Dancefloor-Sphären umher und „On The Luna“ tänzelt zwischen leicht schrägem Riff und Eingängigkeit umher, ist jedoch zu verzwirnt um zur nächsten Indie-Hymne zu mutieren.
Sperriger und atmosphärischer wird es unter anderem in „Cafe D’Athens“, dessen Xylophon-Sounds neben den restlichen sehr markanten Stücken etwas untergehen und „I’m Done with the World (& It’s Done with Me)“, einer reduzierten Klavierballade, die das Album ausklingen lässt. Auch das bassgetragene „Syrups“ und die entspannte Indie-Pop-Ballade „Sunday“ beginnen gelassener, brechen jedoch jeweils im Mittelteil und widmen sich dann deutlich euphorischeren und tanzbareren Beats sowie Stimmungen. Foals, die erstmals ein Album selbst produzierten, merkt man die neugewonnene kreative Freiheit, die die Band in Interviews angekündigt hatte, vor allem hier an. Die neuen Songs strotzen vor Ideen und tollen Melodien, drehen gleichzeitig ganz bewusst Konventionen den Rücken zu.
Die beiden neuen Foals-Werke wenden sich auch inhaltlich Neuem zu, sind gesellschaftskritischer, politischer. „Everything Not Saved Will Be Lost Part 1“ widmet sich vorrangig dystopischen Szenarien, Sänger Yannis Philippakis lässt jedoch auch immer wieder aktuelle Bezüge einfließen, sodass der Eindruck entsteht, diese furchteinflössenden Zukunftsvorstellungen lägen gar nicht mehr allzu fern. „Exits“ beschäftigt sich beispielsweise mit Multi-Millionären, die sich aus Furcht vor Naturkatastrophen abgelegene Sicherheits-Bunker errichten lassen, um sich im Notfall in diese flüchten zu können.
Auch im Jahr 2019 stehen Foals noch immer als Ausreißer neben vielen großen vorhersehbaren und massentauglichen Rockbands. Den Oxfordern gelingt es abermals den Spagat zwischen Eingängigkeit und kreativem Freiraum zu meistern. „Everything Not Saved Will Be Lost Part 1“ verzichtet bewusst auf den großen Hit, präsentiert dahingegen jedoch viele kleine Hits und funktioniert als Gesamtwerk erstaunlich gut. Laut Aussage der Band soll der zweite Teil der Albumreihe noch diesen Herbst erscheinen und etwas gitarrenlastiger ausfallen. Das kann eigentlich auch nur grandios werden.
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Und so hört sich das an:
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Foals live 2019:
12.05. – Brüssel, AB (ausverkauft!) (BE)
15.05. – Lausanne, Les Docks (CH)
17.05. – Luxemburg, Den Atelier (ausverkauft!) (LUX)
19.05. – Amsterdam, Paradios (ausverkauft!) (NL)
20.05. – Berlin, Huxleys Neue Welt (ausverkauft!)
05.06. – Hamburg, Docks (ausverkauft!)
07.-09.06 – Rock Am Ring / Rock Im Park
Die Rechte für das Cover liegen bei Warner Music.
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