Garbage – No Gods No Masters

Review: Aus dem rosanen Nebel treten Garbage als radikale Allies hervor, die bei jedem heutigen Protestmarsch herzlich willkommen wären.

So klingt das also, wenn Dinos den Urknall überleben. Als Garbage 2018 auf Tour zu ihrer Jubiläumsausgabe des großartigen „Version 2.0“ in Köln halt machten, wartete die Meute noch ausschließlich auf die alten Tracks der 90er. Eine klassische Erwartungshaltung an eine Band, die seit über zwei Jahrzehnten große Hallen auf dem Globus füllt. Und auch irgendwo nur nachvollziehbar, dass sich viele Acts diesem Druck beugen und ihre neuen Studioalben ziemlich stiefmütterlich behandeln. Nachvollziehbar, aber irgendwann auch ziemlich öde. Umso schöner und bewegender, wenn sich Künstler*innen nach vielen Jahren im Musikbusiness doch noch aus der Komfortzone heraustrauen und richtig Stoff geben. Oder wie es im Falle von Shirley Manson und ihren Mitstreitern eher klingt: Der Musik nach dem Weltungergang freien Lauf lassen.

Von Feuer und Feminismus

Shirley Manson ist mittlerweile 54 (!) Jahre alt und hätte damit ein Alter erreicht, in dem viele Ikonen ihre schauerlichen konservativen Gene entdecken. (Looking at you, Nina Hagen & Morissey). Einer der Gründe, warum man sich häufig gar nicht unbedingt ins Spätwerk früherer Held*innen herantraut – man hat Angst davor, Abtrünniges zu entdecken. Umso fassungsloser war die Welt, als Garbage mit dem Titeltrack das siebte Studioalbum „No Gods No Masters“ ankündigten und dabei alles andere als altersmüde klingen. Mit versetzten Gesangsspuren geht’s hier dem Patriarchat an den Kragen: „I want what’s mine that once was yours“. Der Hintergrund klingt nach Garbage, klar. Aber im Industrial-Nebel ist so viel Zunder, so viel Wut, dass man die Platte ohne groß nachzudenken im Jahre 2021 verorten kann. Und das an vorderster Front eines Widerstandes.

Keine Spur von Altersschwäche

Genau hier, am Puls der Zeit spielt also eine Alternative-Band um ihr Leben. Und das ist nicht rührselig, sondern furios. „Waiting for God“ ist eine Hinterfragung weißer Fragilität – „Smiling at fireworks that light all our skies up / While black boys get shot in the back“. „Godhead“ ein bedrohliches Flüstern im Nacken von Mackern: „Gеt off my tits / Whatever it meant“ und dann „Call me a bitch / I’m a terrorist“. „Uncomfortably Me“ eine schleppende Melancholie um Probleme mit dem eigenen Selbstbild: „Wanted their body, wanted their hair / Wanted the way that they walked straight ahead of me“. Man könnte diese Liste an ausschließlch topaktuellen und kritischen Themen über alle der 11 Songs fortführen.

„No Gods No Masters“ wird so zu einem ungemein bedeutungsschwangeren Album, dessen Soundwände zwischen theatralischen Soundspielereien („The Men Who Rule The World“) und vibigem Dark Wave („Wolves“) eine düstere Welt an die Wand pinseln. Eine, die leider genau so aussieht. Erst beim Hören wandelt sich die Interpration des Covers dann auch: Der rosafarbene Nebel ist nicht etwa eine friedfertige Pastelllandschaft, sondern der Nebel nach dem großen Inferno. Und aus diesem tritt Manson mit ihrer Truppe als radikale Allies hervor, die bei jedem heutigen Protestmarsch herzlich willkommen wären.

Das Album „No Gods No Masters“ kannst du hier (Vinyl) und hier (digital) kaufen. *

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Und so hört sich das an:

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Rechte am Albumcover liegen bei STUNVOLUME / Infectious Music / BMG.

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