girl in red möchte an sich gearbeitet haben. An ihren Schwächen gefeilt und zurück zum Glück gefunden haben. Und will nun besser denn je zurückkehren. “I’m on a new level”, singt sie selbst gleich zu Beginn ihres zweiten Albums “I’m Doing It Again Baby”. Leider – und das fällt aller Sympathien wegen etwas schwer – ist dabei ein lediglich mittelmäßiges Album herausgekommen. Der Versuch einer Begründung.
Problem: Der Inhalt
Grob heruntergebrochen treffen auf “I’m Doing It Again Baby” zwei weit auseinander liegende Themenwelten aufeinander. Da ist zum einen das selbstbewusste “Hallo, ich bin wieder da!”-Narrativ, das die Klammer bildet. Die Rückkehr also nach dem Ausloten vergangener Fehler, dem Finden zu sich selbst und dem Erlangen neuen Selbstbewusstseins. Dem gegenüber steht eine Reihe von Songs über eine in Bruch gegangene Beziehung, die – kurzen Throwbacks inklusive – eine nahezu seifenoperige Geschehensfolge abbilden. In der Beziehung ist die Protagonistin erst “too much”, sodass diese schlussendlich zerbricht. Dann möchte erst die Ex-Partnerin einseitig eine zweite Chance und wenig später nach etwas Reflexionsarbeit auch die Protagonistin. Die Ex ist nun jedoch bereits erneut vergeben. Und so heißt es schlussendlich: “I don’t wanna hear about your new love.” Ein Happy-End gibt es nicht. Stattdessen einen selbstbewussten Quatsch-Song darüber, eine Hit-Fabrik zu sein, die nur 5-Sterne Material produziert (“★★★★★”).
Wirklich tiefschichtig mussten die Zeilen von girl in red bislang nie sein. Es reichte, dass sie überschwänglich die Gefühle vieler lesbischer Frauen auffingen. Nicht umsonst gilt der Fakt, dass Frau girl in red hört als memefizierter, aber doch handfester queerer Code. Auf “I’m Doing It Again Baby” nun blitzt diese Queerness zumeist nur zwischen den Zeilen durch. Viele der Texte fühlen sich daher ungewohnt unterkomplex an. Identifikation eingetauscht gegen eine flache Beziehungsmär. Vielleicht wollte girl in red mehr sein als queere Projektionsfläche. Dadurch geht jedoch ein großer Teil ihrer Künstlerin-Identität verloren. Selbstverständlich gibt es hier und da dennoch Identifikationsmöglichkeiten. Etwa wenn die Protagonistin von der magischen Nacht erzählt, in der sie und die Verflossene einst zusammentrafen (“A Night To Remember”). Dazu schichten sich behutsam nach und nach Klavier, Bass und Schlagzeug übereinander. Oder wenn girl in red sich selbst als eine charakterisiert, die blindlings in Liebesabenteuer springt (“Phantom Pain”).
Stütze: Die Songs
Die Songs selbst stützen den leicht wankenden Turm, von dem herab girl in red selbstbewusst ihre kleines Liebes-Hin-und-Her erzählt. Mal kommen diese als Indie-Rock-Versatzstücke den energetischen Live-Shows der Norwegerin nahe. Mal muten diese eher klimperige Idylle an. Manchmal auch liegen sie dazwischen. Besonders gelungen sind das bereits angesprochene “A Night To Remember” mitsamt seiner leichten Klimax sowie die leichtfüßige Abhandlung mit der eigenen Toxizität namens “Ugly Side”. Gut ins Ohr gehen außerdem der friedliche Einstieg “I’m Back” und die vielen tanzbaren Indie-Rocker. Einen Übersong jedoch vermag “I’m Doing It Again Baby” leider nicht vorzuweisen. Dafür fehlt manchmal die letzte zündende Melodie oder die neuartige Perspektive. Ein wirklich tolles Album ist demnach leider nicht aus girl in reds Selbstfindungsausflug entsprungen.
Mehr girl in red gibt es hier.
Und so hört sich das an:
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girl in red live 2024:
13.09. – Palladium Köln (ausverkauft)
14.09. – Palladium Köln
18.09. – Zenith München
27.09. – Uber Eats Music Hall Berlin
Die Rechte für das Albumcover liegen bei Columbia.
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