Haiyti – Speed Date

Review: "Speed Date" ist das vierte Haiyti Album seit 2020. Leider ist es auch das erste, das an Qualität einbüßt.

77 Songs binnen 74 Wochen: Das gibt 1,04 Songs die Woche. An Quantität lässt Haiytis Output offensichtlich nichts missen. Bislang galt das auch für die Qualität. Mit „Speed Date“, ihrem 25 Songs dicken siebten Album, ändert sich das nun.

Dabei stehen die Sterne für das vierte Album der Rapperin seit dem ersten Coronasommer 2020 eigentlich gut. „Speed Date“ nämlich hat Haiyti-typische Pop-Smasher. „Niemandsland“ etwa oder „Sterben“ schließen nahtlos an die Größe eines „La La Land“ und „100.000 Fans“ an. Das Soundbild außerdem ist wie bei jedem neuen Release ein anderes: Vorne transzendentale Analog-Synthesizer und flirrende Hi-Hats, darunter antreibende Knarzbässe. Das alles in oft knackigen Songlängen unter zwei Minuten. Der Titel passt. Haiytis Stimme wiederum, in Distortion und Stimmkorrektur gesuhlt, überschlägt sich, säuselt, ächzt. Und auch die Sprachauswahl ist im Albumkontext eigen – das ist ebenso typisch für die Rapperin. Es geht ungewohnt viel um die Liebe, um deren Beziehung zu Tod und Psyche und um das Herz, das liebestollen Gabba tanzt. Soweit so gut.

Für die ersten zwei Handvoll Songs – reminder: Insgesamt sind es mehr als doppelt so viele – funktioniert der Schnelldurchlauf auch zumeist. „Hyperspeed“ etwa sieht Haiyti aggressiv über ihren Lifestyle sinnieren. Dazu gibt es crispy Synths und schmerzende 808s, die Krieg im Ohr veranstalten. „Hundertzehn (110)“ mit Newcomer Caney hingegen distanziert sich über durchkühltem Housebeat von Menschen, die überschnell den Schutz der Exekutivgewalt suchen. Cops generell, die sind für Haiyti eh nur „Entertainment“.  Und achso: Einen Brecher zum Knochen-Zermatschen im Pogo zaubert Deutschraps Lois Lane auch noch, denn sie hat zwar keine „2 Uhren“ wie Kollege Juicy Gay, dafür aber „2 Phones“.

Danach unternimmt „Speed Date“ eine Wendung, die mittlerweile als Haiyti-typisch abgetan werden kann: Es begibt sich in Abgründe, verzerrt Farben zu Grautöne, wird finsterer. Was zuvor zwischen den Zeilen anklang fand, tritt an die Wasseroberfläche wie sonst nur Wasserleichen. Der Twist ist ein altbekannter und genau dort liegt auch sein Problem: Irgendwann ist eine jede Dramaturgie durchgespielt. Denn vorhersehbare Geschichten rufen doch vorweg eines hervor, Langeweile. 

Hinzu kommt, dass sich im Verlauf noch mehr Bauteile als längst etabliert herausstellen: Die holprigen Flows, das Namedropping, das zwischen überheblicher Überlegenheit und psychischem Wahn changierende Narrativ, die Untergrund-Features aus Haiytis Bubble. Letztere tragen maßgeblich dazu bei, dass gerade der Mittelteil zu lang ausfällt – vor allem wenn Haiytis Beitrag in den Songs minimal ausfällt. Doch natürlich gibt es auch gelungene Gastbeiträge. „Stupido“ mit Money Boy beispielsweise lässt alte Cloud-Tage wieder aufleben und ist „lit wie ein Streichholz“ und „Zahle Es Bar“ mit Skoob von den 102boyz ist ein unterkühlter Sommerhit für den Winter.

Haiyti betont in Interviews stets sie werfe praktisch kein Songmaterial in den Papierkorb. Ein wenig Qualitätskontrolle würde ihrem Output – und gerade „Speed Date“ – jedoch gut tun. Denn irgendwann – da kann Künstler*in noch so talentiert sein – ist eine natürliche Grenze erreicht. So bietet „Speed Date“ viel gutes Playlistfutter, ist als Album dann aber doch zu doll und durchwachsen. So bleibt die lästige Frage: Geht Qualität wirklich vor Quantität? Der Autor dieses Textes tendiert dazu sie mit Ja zu beantworten.

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