Der Übergang vom Kalenderjahr 2016 zum Jahr 2017 war kein leichter für Evan Thomas Weiss. Sein Projekt Into It. Over It. war gerade erst wieder zu einer One-Man-Show geschrumpft, die vorerst letzten Tourneen zum Drittling „Standards“ gespielt. Dann ging auch noch seine Beziehung in die Brüche. Mit einem Berg an Schulden auf den Schultern machte sich der damals 32-Jährige trotz all der Last wenig später bereits an die Arbeiten zum Nachfolgealbum. Das Ergebnis des anschließend langwierigen, doch befreienden Schreib- und Aufnahmeprozesses erscheint nun dreieinhalb Jahre später, hört auf den Namen „Figure“ und stellt der emotionalen Schwere der Eigenreflexion ungeahnt luftiges Songwriting und eine lockere Produktion entgegen.
Das dritte Into It. Over It.-Album ist dank seines Entstehungsprozesses ein Abbild („Figure“) ebenjener Lebensrealität, der sich Weiss zu Beginn des Jahres 2017 ausgesetzt sah. Die zumeist poetischen Texte folgen diesem Narrativ: „They Built Our Bench Again In Palmer Square“ behandelt eine unglückliche Trennung, „Courtesy Greetings“ – Hit! – das Klarkommen danach, „A Left Turn At Best Intentions“ rechnet mit alten Gewohnheiten ab. Zuhörer*innen erleben im Albumverlauf deshalb hautnah die emotionale Reise nach, die der Into It. Over It.-Kopf bestreiten musste. Vom Schock, der Realisation, dem Akzeptieren hin zum Reflektieren. Und zum Schluss: An den Erfahrungen wachsen.
Diese doch erdrückenden Inhalte ummantelt Weiss gemeinsam mit Kollaborateur Adam Beck in vielschichtige Arrangements. Ein nahezu euphorischer Song wie „We Prefer Indoors“ kann demgemäß zwischen zwei Nummern wie dem mit vertrackten Drumming, gelassenen Gesang und unaufgeregten Gitarren beladenen „Brushstrokes“ sowie der Ballade „Dressing Down // Addressing You“ stehen. Andere Stücke dicken ihren Sound mit akzentuiert gesetzten Claps, Klavier, Xylophon, Drum-Computer-Einsätzen sowie Synthesizern an. Dass das Album in seiner Gänze dennoch keinen Faden misst, verdankt es der verträumten Stimmung, die beim Zuhören aufkeimt. Denn bei all der offenen Instrumentation stellen sich alle Produktionselemente in den Dienst dieser Atmosphäre. So lässt selbst der Schluss von „Hollow Halos“, eigentlich ein Moment der Ekstase, dank flüssigem 5/8-Takt zu keinem Zeitpunkt Aufregung und Anstrengung aufkommen.
Die Produktion und die Melodien, die Weiss mit seiner Stimme zeichnet und die seinen Vortrag umgarnen, sorgen schlussendlich dafür, dass „Figure“ trotz der scheinbar misslichen Lage, aus der die Texte entstanden sind, eine gewisse Hoffnung umgibt. Diese liegt zwar nicht in den Songs selber oder deren Botschaften, sondern in deren Aura. „Figure“ bietet als auf den ersten Zusammenstoß luftiges Indie-Album nach weiteren Hör-Konfrontationen neben seinem emotionalen Tiefgang deswegen auch ein gewisses Gefühl der Befreiung. Für Weiss, aber auch für die Zuhörer*innen.
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