Korn – Requiem

Korn Requiem

Ein musikalisches Requiem ist meist Teil einer Totenrede oder einer Beerdigung und somit ein hervorragendes Format für Korn. Schließlich hatte das Nu-Metal-Kollektiv schon seit dem selbstbetitelten Debüt im Jahr 1994 einen Hang für das Morbide, für die Dunkelheit. Diese teils sehr plakative und offenherzige Auseinandersetzung mit den inneren Dämonen kreiste seit jeher um die Gedankenwelt von Frontmann Jonathan Davis, der schon früh seine Missbrauchserfahrungen thematisierte. Gerade im sonst so breitbeinigen und teils auch unangenehm chauvinistischem Nu-Metal eine zumindest lyrisch sehr bemerkenswerte Herangehensweise. Nun ist “Requiem” aber schon das vierzehnte (!) Album der Band und als solches natürlich weniger bemerkenswert denn generischer Alltag. Oder?

Immer tiefer in den finsteren Strudel

Schon der Vorgänger “The Nothing” hatte eine nahezu nihilistische Finsternis in den Sound des Quintetts gefüllt, die an die kompromisslosen Anfangstage erinnerte. Weniger experimentierfreudig wie auf dem Crossover-Album “Follow the Leader” oder dem Dubstep-Ausflug “The Path of Totality”, aber auch weniger ziellos als auf dem 2016er Werk “The Serenity of Suffering”. Hier sind die düsteren Gedanken wieder umgeben von ähnlich finsteren Gitarrenwänden und dem unverkennbaren Beats-und-Bass-Gemisch, der den Puls der Musiker aus Bakersville ausmacht. Jene Kerbe vertieft “Requiem” indessen so weit, bis es richtig weh tut. Für doppelte Böden oder Sonnenstrahlen nehmen sich Korn 2022 keine Zeit. Ein Requiem ohne Hoffnung auf ein zweites Leben.

Bis es weh tut

Mit neun Songs ist das Album tatsächlich das kürzeste in der gesamten Diskografie der Band und ein wenig schade werden das Anhänger*innen der Nu-Metaller auf jeden Fall finden. Denn gerade für die dunklen Winterstunden rollt “Requiem” ein Nadelbett aus, auf das man sich jeder Katharsis sicher sein kann. “Start The Healing” etwa klingt deutlich weniger optimistisch als der Titel vermuten lässt. Während Davis den Seelenpein in hoher Säuselstimme los wird, krachen die Riffs von allen Seiten aus den Boxen. Die “Take A Look In The Mirror”-Intensität ist unverkennbar. “Worst Is On Its Way” hingegen ist mal wieder Korn in a Nutshell, sogar Davis’ Trademark-Geräusch-Gekreische darf die explosive Bridge begleiten. Der Opener “Forgotten” hingegen schickt die unheilvolle Stimmung mit tänzelnden Bass-Figuren in den Äther, Davis klingt wie auf einer Verfolgung. Auch diese Horrorfilm-Vibes kennen wir längst, Fans wird dennoch warm ums Herz.

Den Höhepunkt der Finsternis erreicht das Album jedoch bei “Lost In Grandeur”, dessen diabolischen Riffs mit gniedelnden Slipknot-Gedächtnis-Sounds vermengt werden. Stimmlich zerreißt es den Song derweil zwischen melancholischer Niedergeschlagenheit und gequältem Schreien. Und spätestens hier bekommt das unheilvolle Cover einen musikalischen Conterpart, der die Totenglocken mit Würde läutet. Nur bis zu dem Requiem dieser Band darf es gerne noch etwas dauern.

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