Wie oft hattet ihr folgende Situation? Ihr seid auf einem Konzert, wartet auf den Hauptact und quält euch vorher ungefähre 30 Minuten durch den Support. Sehr häufig, kann angenommen werden. Regelmäßig fragt man sich doch, wer die Vorband eigentlich ausgesucht hat. Da passt vorne und hinten nichts. Das Musikgenre, die Zielgruppe, das Auftreten. Zu mindestens 90% ist es doch genau so – oder es ist einem schlichtweg egal, wer da grade probiert, sich musikalisch vorzustellen.
Aber 90% sind eben nicht 100% und irgendwer muss die restlichen 10% ja darstellen. Ein schönes Positivbeispiel sind die Newcomer Lo Moon aus LA. Wer als Opener bei London Grammar auftreten darf und dazu noch positiv auffällt, kann schon ein bisschen was auf sich einbilden. 2017 wurde also ordentlich Promo gemacht – nun gibt’s den Longplayer auf die Ohren.
Das selbstbetitelte Debüt bietet das, was nur selten funktioniert: einen eigenen, homogenen Sound! 49 Minuten, 10 Tracks mit fast nahtlosen Übergängen – das erste Lo Moon-Album klingt wie aus einem Guss. Die Vorabsingles waren schon äußerst vielversprechend und das Album rundet diesen Eindruck ab: sphärischer Dream-Pop mit etwas Drama, ganz viel Klangteppich, Echo und Zweistimmigkeiten, prägnanten Klavierhooks, einigen aufregenden Effekten und smoothem Groove. Sänger Matt Lowell könnte mit seiner Stimme ein Bruder von Chris Martin (Coldplay) oder Morten Harket (a-ha) sein, was beides keine schlechten Vergleiche sind. Auch im Sound erinnern einige Ideen an Coldplay zu ihren „X&Y“-Zeiten, sind aber ebenso mit 80s New Wave vergleichbar, erwecken Assoziationen zu The XX und eben einer schwungvolleren London Grammar-Ausgabe. An der Gitarre zockt Sam Stewart, der nicht weniger ist als der Sohn von Dave Stewart von den Eurythmics, womit sich der 80er-Kreis wieder schließt. Optisch eine Besonderheit stellt Bassistin Crisanta Baker dar – Frauen am Bass sind immer eine gern gesehene Seltenheit, insbesondere neben zwei männlichen Bandmembern.
Lo Moon lassen sich in ihren Tracks Zeit und kratzen häufig an der fünf Minuten Grenze. Das macht aber gar nix, immerhin haben so genügend Instrumente Zeit, um ein Solo zu bekommen. Einerseits Bläser, andererseits Synthies oder sanfte E-Gitarren. Abgehen kann man zu dem Sound definitiv nicht, dafür mit geschlossenen Augen im Raum stehen und dabei mit breitem Grinsen seine Hüften schwingen. Selten klang Musik so gechillt und gleichzeitig nicht langweilig. Egal ob die etwas druckvollere Eröffnung mit „This Is It“, das Film Noir-artige „Loveless“, welches genug Potenzial zum Undergroundhit hat, viel Ruhe in „Camouflage“ oder die leicht tanzbaren Tracks „Thorns“, „Wonderful Life“ oder „Real Love“ – alles grandiose Stücke, die eben nicht nach Kommerz klingen, jedoch genug Eingängigkeit aufweisen. Ganz perfekt ist die Platte dann allerdings doch nicht: ein ganz, ganz, ganz klein wenig mehr Abwechslung hätte nicht geschadet. So ist das Facettenreichtum im Mittelteil offensichtlich etwas aufgebraucht („Tried To Make You My Own“, „My Money“). Ein oder zwei Ausreißer im Stil hätten nicht geschadet – vielleicht etwas mehr Rock? Etwas mehr Elektronik? Wie auch immer. Aber das ist Nörgeln auf allerhöchstem Niveau!
Mit ihrem Debüt veröffentlichen die Amerikaner von Lo Moon eine spannende, mystische, verspielte, aufregende und stark überdurchschnittliche Platte und erweitern das noch relativ junge Dream-Pop-Genre um eine kleine Perle. Tatsächlich funktioniert der Sound ebenso live, was nicht zu verachten ist. Egal ob für lange, nächtliche Autofahrten oder zur Honigmilch auf der Couch. Bockt. Absolutes Highlight im hoffentlich bald endenden Winter ’18.
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