In den letzten Jahren konnte sich deutscher Hip-Hop von einer Untergrund-Jugendbewegung zu einem Arenen- und mittlerweile sogar Stadionfüllenden Genre entwickeln, das die Albumcharts dominiert. Marteria und Casper – der eine aus der Einöde des Westens, der andere aus dem tiefsten Osten – konnten diese Entwicklung aus nächster Nähe mitverfolgen, gar mitgestalten. Zwar von der Szene oft als „nicht real“ betrachtet, erschien in den letzten zehn Jahren jedoch jeweils mindestens ein szeneübergreifendes Meisterwerk der beiden Künstler. Bei Casper war das 2011 veröffentlichte „XOXO“, bei Marteria 2010 „Zum Glück in die Zukunft“, das beide in den Mainstream-Kosmos katapultierte und Massen an Tonträgern verkaufen ließ. „1982“ heißt nicht nur die gemeinsame Platte der beiden Rapper, sondern stellt auch das Geburtsjahr der mittlerweile-Stars, die sich nicht nur eine Parallele teilen, dar. Auf dieser Collabo-Platte verarbeiten die Künstler ihre Jugend, ihren Aufstieg und den damit verbundenen Wandel.
Die zehn Stücke nehmen den Hörer auf eine autobiographische Reise der wohl größten Rapper der Rapgeneration von vor fünf Jahren mit. Bereits das gänzlich auf eine Hook verzichtende „1982 (Als ob’s gestern war)“ steigt tief in die Materie ein und beleuchtet die Rapanfänge der beiden. Ab da an läuft die Platte nahezu chronologisch verschiedene Phasen der Karrieren Marterias und Caspers ab. Die beiden sprechen über die Jugend auf dem Dorf („Omega“), erzählen vom bedrückenden Leben in Außenbezirken („Willkommen in der Vorstadt“), berichten von ihren ersten größeren Auftritten („Adrenalin“). Sie nehmen die Hörer mit auf die darauf folgenden Abriss-Partys („Chardonnay & Purple Haze“), lassen sie in die erste große Liebe nach dem erdrückenden Erfolg eintauchen („Denk an dich“) und vertonen mit „Abriss“ den Wunsch danach durch Misserfolg wieder Normalität herzustellen. Abschließend liefert „2018 (Gratulation)“ eine Zusammenfassung des Status Quo im Jahr 2018.
Beginnt „1982“ mit seinem unkonventionellen Intro und der sehr epischen Vorabsingle „Champion Sound“ noch sehr klassisch, so konzentriert sich der große Teil des Werkes auf new-schoolige Beats zwischen Trap-Geballer, verschwimmenden Synthie-Flächen und Autotune. Stücke wie „Absturz“ glänzen dabei vor allem mit ihren eingängigen, aber nicht zu simplen Melodien. Erst von Marteria und später von Feine Sahne Fischfilet-Frontmann Monchi Fromm gesungen, gräbt sich der düstere Refrain des Songs immer tiefer in die eigenen Gehörgänge. Außerdem glänzen die Beats auf gewohnt hohem The Krauts-Niveau mit viel Detailverliebtheit. Genauso klassisch, wie die Platte begann, endet sie dann schlussendlich auch mit ihrem bereits genannten Closer.
„1982“ vereint die Deutschrap-Superstars der letzten zehn Jahre auf einem Album. Anstatt pompöse Rap-Features aufzufahren, punktet die Platte mit handerlesenen Gästen – neben dem bereits erwähnten Monchi Fromm, darf die australische Songwriterin Kat Frankie in „Denk an dich“ vor sich hinsäuseln. Dabei strotzt das Werk in seiner Gänze nur so vor Selbstbewusstsein, lädt die Fans gleichzeitig aber auf eine sehr ehrliche und intime Reise in die Vergangenheit der zwei Künstler ein, die sich wohl besser als jeder anderer in den jeweils anderen hineinversetzen können. Gerade diese Ehrlichkeit ist, was „1982“ zu einer durchweg unterhaltsamen Platte macht. Dominieren das Rapgame heutzutage vor allem plastische Utopien, so zeigen die „alten Hasen“, dass es neben dicken Karren und fetten Titten auch noch deutlich mehr Erzählenswertes gibt. Marteria und Casper produzieren dabei vielleicht keinen weiteren Szenemeilenstein, streben aber auch keinesfalls an, einen Gamechanger rauszuhauen. Vielmehr spürt man „1982“ seine Spontanität und Freiheit an, was der Platte absolut gut tut.
Das Album “1982” kannst du dir hier kaufen.*
Und so hört sich das an:
Marteria: Website / Facebook / Twitter / Instagram
Casper: Homepage / Facebook / Twitter / Instagram
Marteria und Casper live 2018:
01.09. – Chemnitz, #wirsindmehr
Marteria und Casper live 2019:
31.05. – Hannover, Expo Plaza
20.07. – Dresden, Filmnächte am Elbufer
03.08. – Berlin, Waldbühne
09.08. – Hamburg, Trabrennbahn Bahrenfeld
31.08. – Essen, Seaside Beach Baldeney
Die Rechte für das Albumcover liegen bei Zwei Bernds tanken Super.
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