NOAHFINNCE – Growing Up On The Internet

In meinem Jahresrückblick 2023 habe ich geschrieben, dass mein Interesse für Pop-Punk zurückgekehrt ist und ich in diesem Jahr gerne mehr neue Bands aus dem Genre entdecken und live erleben würde. Genau solch eine Entdeckung machte ich letzten Monat in London, als ich dort das Wembley Konzert von Enter Shikari besuchte. Support Act an dem Abend war NOAHFINNCE über den ich mich vorab nicht wirklich informiert hatte. Optisch wirkte der britische Singer/Songwriter wie ein 16-jähriger Schüler, der das erste Mal mit seiner Garagenband vor Publikum auftreten darf. Doch ab Sekunde Eins war ich begeistert von den spannenden und unterhaltsamen Pop-Punk-Hits, die Noah an dem Abend präsentierte. Obwohl ich seine Musik vorher nicht kannte, wirkte sein Support Gig alles andere als langweilig oder eintönig.

Ich nahm mir daher vor, die Musik von NOAHFINNCE auch abseits der großen Bühne einmal auszuchecken.

Als ich mir nach dem Konzert seine Instagram Seite ansah, fiel mir auf, dass er nicht nur ein ganz normaler Pop Punk Act ist, sondern auch von einer emotionalen Vergangenheit geprägt wurde – denn NOAHFINNCE ist trans. Man könnte meinen, dass dies keine relevante Info für eine Albumrezension ist, doch Noahs Transition und Selbstfindungsprozess fand vor den Augen der Öffentlichkeit statt und ist daher auch das Hauptthema seines gleichnamigen Debütalbums „Growing Up On The Internet“. An dem am 08.03.2024 erscheinenden Album waren sowohl Danny Jones und Dougie Poynter von McFly als Co-Writer, sowie die Produzenten ST£FAN, Julia Sykes, LAWRENT (Chain Smokers, Cheat Codes), Thomas Mitchener (Frank Carter & The Rattlesnakes, The Damned) und Arcades (BTS) beteiligt.

Dass es als heranwachsende Person nicht einfach ist, unter den Augen der Medien aufzuwachsen, haben zahlreiche andere Persönlichkeiten bereits gezeigt. Doch es war damals die Liebe zur Musik, die Noah (Finn Adams, so sein ganzer Name) dazu veranlasste, seinen eigenen YouTube Channel „Triggerwarningrat“ zu gründen um dort eigene Coverversionen seiner Lieblingsbands zu posten. Hierzu zählten u.a. My Chemical Romance, Bring Me The Horizon, Pierce the Veil, Kesha und Neck Deep, die allesamt auch einen gewissen Einfluss auf „Growing Up On The Internet“ hatten. Neben seinen Coverversionen nutzte NOAHFINNCE seine Internetpräsenz mit fast 1 Mio Followern aber auch, um nach seinem eigenen Outing 2017 über Trans- und LGBTQ+ relevante Thematiken aufzuklären. Das Ganze verpackt er stets in unterhaltsame und ironische Formate – genau wie seine eigenen Lieder, die einem ähnlichen Muster folgen.

Denn auch wenn „Growing Up On The Internet“ sich textlich mit schwierigen Themen wie psychischen Krankheiten, Transfeindlichkeit und den allgemeinen Widerständen im Web befasst, so wirkt das Album trotz dieser gewaltigen Themen nicht belastend oder schwer. Im Gegenteil: NOAHFINNCE liefert elf unterhaltsame Songs, die offenherzige Pop-Melodien mit unmissverständlichen Punk-Botschaften kombinieren und dadurch ein frisches, aber dennoch tiefgründiges Album schaffen. Um es mit Noahs eigenen Lyrics zu beschreiben: „Joy can be found in the dark“. Mit dieser Zeile seiner Anti-TERF-Single „SCUMBAG“ lässt sich die Musik des 24-Jährigen sehr gut beschreiben. Gleichzeitig spielt Noah hier aber auch mit einem Zitat aus Harry Potter an, welches von der offen transfeindlichen Autorin J. K. Rowling geschrieben wurde. Die Autorin bzw. ihre Buchreihe dienten gleichzeitig auch als Inspiration für das dazugehörige Musikvideo indem NOAHFINNCE visuelle Unterstützung von Kelsey Ellison erhält, die die LGBTQ-Community bereits als tanzende Hermine auf Pride-Paraden begeisterte.

Ein weiteres musikalisches Highlight des Albums ist der Opener „Kinda Love It“ in dem NOAHFINNCE betont, dass er sich dem Hass seiner Person gegenüber zwar bewusst ist, aber genau aus diesem Grund erst Recht seine Stimme und Plattform nutzen wird, um anderen zu zeigen, dass sie mit ihren Gefühlen nicht alleine sind. Hass und Hoffnung sind hierbei auch musikalisch in abwechselnd leichten und aggressiven Klängen eingefangen.

Natürlich muss aber auch der Titeltrack „Growing Up On The Internet“ noch hervorgehoben werden, denn in Song und Video verarbeitet Noah dort allerhand verstörender Geschehnisse aus seiner Internetkarriere. So war er zum Beispiel noch im Teenageralter, als sich ein doppelt so alter, pädophiler Internetuser Noahs Gesicht tattoowieren lies.

Ein junger Mensch sollte in seinem Leben niemals so viel Hass und Ablehnung erfahren müssen, wie NOAHFINNCE es in seinen jungen Jahren schon erlebt hat. Nichtsdestotrotz führten all diese beschissenen Erlebnisse zu einem absolut fantastischen Debütalbum, das nicht nur frischen Wind ins Pop-Punk Genre bringt, sondern auch für Mut und Hoffnung sorgt. Ich bin Dank „Growing Up On The Internet“ und dem Support Gig in London auf jeden Fall Fan und hoffe, dass NOAHFINNCE seine Songs bald auch auf die deutschen Bühnen bringen wird.

Und so hört sich das an:

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Die Bildrechte liegen bei Hopeless Records.

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