Sophie Ellis-Bextor, Bürgerhaus Stollwerck Köln, 06.03.2024

sophie ellis-bexter in köln

2022 landet Kate Bush mit ihrem Song „Running Up That Hill“ auf Platz 1 der UK-Charts – ganze 37 Jahre nach Veröffentlichung. Schuld daran hat ein markanter Einsatz des Liedes in der Netflix-Erfolgsserie „Stranger Things“, aber gleichzeitig auch das Streaming-Modell, bei dem es völlig egal ist, ob ein Song dort gerade erst frisch dazu kam oder schon ewig abrufbar ist. So haben auch Weihnachtshits wie „All I Want For Christmas Is You“ von Mariah Carey und „Last Christmas“ von Wham! jährlich saisonbedingt sehr gute Karten, in den vorderen Chartplätzen mitzuspielen. Doch zurück zu Film und Fernsehen: Zum letzten Jahreswechsel geht „Saltburn“ auf Amazon Prime an den Start, löst einen kleinen Skandal aus, katapultiert aber gleichzeitig Sophie Ellis-Bextor zurück in die Ohren sämtlicher Pop-Mäuse.

Und ja, hat man die Szene einmal gesehen, wird man sie wohl nicht mehr so schnell vergessen. Auch wenn es wieder nicht ganz für die Pole gereicht hat, so darf sich die 44-jährige Londonerin über einen erneuten zweiten Platz in ihrer Heimat freuen, und das ganze 22 Jahre später. In Österreich gab es mit Platz 8 sogar einen höheren Entry als bei der Erstveröffentlichung. Ganz nebenbei entdecken viele natürlich auch den restlichen Backkatalog und finden heraus, dass da noch mehr ist als nur „Murder On The Dancefloor“. Gibt es bei uns wohl nur wenige, die neben dem Mega-Ohrwurm und der schon 2000 erschienenen Kooperation mit Spiller „Groovejet (If This Ain’t Love)“ noch mehr Titel kennen, hat es zumindest in UK für ein paar mehr Top-10-Singles gereicht. Trotzdem sind die Good old Times definitiv vorbei. Ein guter Grund, warum Sophie, wie sie selbst am 6.3., einem Dienstag, in Köln erzählt, so lange nicht mehr außerhalb Großbritanniens aufgetreten ist.

Vor genau einem Jahr konnte man sie erstmalig hierzulande wieder sehen, darunter auch im Bürgerhaus Stollwerck. Allerdings war sie ziemlich erkältet. Trotzdem scheint es gut angekommen zu sein, sind nämlich viele 367 Tage später an derselben Stelle erneut zum Tanzen aufgelegt – und dazu noch einige mehr, gibt es nämlich bei diesem Auftritt wenige Tage zuvor keine Tickets mehr. Von den 600 Besucher*innen sind gleich mehrere aus dem Ausland angereist, hört man nämlich hier und da englische Smalltalks mit bloody british accent. Ein paar andere warten aber die gesamte Show über, dass endlich auf der Tanzfläche gemordet wird, wenn auch ohne Barry Keoghan und seine erinnerungswürdige Choreografie.

Typisch fürs Bürgerhaus ist der Einlass erst um 20 Uhr, der Support dafür aber schon höchst vorbildlich um 20:30 Uhr. Leider ist die Auswahl hingegen weniger vorbildlich. Auch wenn die Australierin Holiday Sidewinder songtechnisch gar nicht so extrem weit von der Headlinerin entfernt ist, ist der Auftritt alles andere als glamourös. Statt sehr viel Ausdruckstanz im Hippieoutfit wäre Livegesang cooler. Gibt’s nur halt nicht. Das hinterlässt einen arg wirren Eindruck und wird innerhalb weniger Minuten so beiläufig, dass auch der Applaus sehr verhalten ausfällt.

Nach der halben Stunde Warm-up, das nicht funktioniert, dauert es gerade einmal 15 Minuten, bis es weitergeht. Hut ab, bitte viel öfter so! Um 21:15 Uhr fängt die imaginäre Diskokugel an, sich um ihre eigene Achse zu drehen. Der passende Opener: „Crying at the Discoteque“ von der schwedischen Band Alcazar, die gleichzeitig zu Sophie Ellis-Bextor im Jahr 2000 ihre erste Single droppten. Anschließend gibt es bei der The Kitchen Disco Tour 18 weitere Songs, einige davon als Medley zusammengepackt, und ein gute 80 Minuten andauernder Auftritt.

Ein wenig enttäuschend bleibt vor allen Dingen der Showaspekt. Keine Leinwand, Licht nur in Basisausführung, keine weiteren Gimmicks. Da hätte man bei der motivierenden, mitreißenden und spaßigen Musik doch ein wenig mehr machen können. Umso schöner, dass Sophie selbst ziemlich gut entertaint. Ihre Ansprachen sind wahnsinnig witzig, erzählt sie zum Beispiel davon, wie sehr sie Eau de Cologne liebt und dass sie sich für die Lyrics von einem Song extrem schämt – sie war beim Schreiben einfach zu stark mit dem Kopf beim Dating mit ihrem Bassisten Richard Jones, der seit 2005 ihr Ehemann ist.

Optisch sieht es so aus, als wären nicht 20, sondern eher zwei Jahre vergangen. Die Sängerin strahlt, hat zwei richtig poppige Kleider im Disco-Look an und den viel zu geilen, grünen Glitzerlidschatten aus „Murder on the Dancefloor“ drauf. Sowieso wird mit der Setlist, die der aus 2023 zu gut zwei Drittel gleicht, Nostalgie zelebriert. Von den großen Hits ist alles dabei, bei „Get Over You“ nutzt sie die mindestens zur Hälfte aus queeren Menschen bestehende Crowd als Chor. Aufgefüllt wird der Tanzabend durch ein „Like A Prayer“- (Madonna), „Lady (Hear Me Tonight)“- (Modjo) und „Gimme Gimme Gimme“-Cover (ABBA) – kennt jeder, mag jeder, why not? Bei einem neueren Song, „Hypnotized“, zeigt sie eine Choreographie und freut sich über diejenigen, die sie mitmachen. Allerspätestens bei „Murder On The Dancefloor“ als letzter Song vor den Zugaben weiß dann auch die letzte Ecke des Raumes, für welche Sängerin sie Karten gekauft hat. Das ist aber auch einfach ein so wahnsinnig perfekter Popsong – übrigens nicht erst seit ein paar Monaten, sondern seit 2001 schon.

Drei kleine Überraschungen werten das Konzert nochmal um ein paar Punkte auf: Mit „Young Blood“ gibt es eine akustische Ballade, bei der Sophie Ellis-Bextor auch zeigt, dass sie echt gut singen kann. Das ist nämlich bei den Uptempo-Songs manchmal ein wenig zweitrangig. Zwar singt sie immer live, aber hier und da sind die Backingvocals, die vom Band kommen, doch etwas lauter. Ihre vierköpfige Band hingegen gibt den Titeln einen groovigen Drive. Überraschung 2: Ein Glücksrad, das sie an zwei Stellen dreht. Auf dem befinden sich mehrere ihrer Lieblingssongs oder weniger erfolgreichen Singles, wovon es also bei jeder Show zwei andere gibt. Cool! Doch für viele ist wohl der Rauswurf das Highlight, bei dem sie ohne Mikrofon plötzlich im Oberrang des Bürgerhauses mit ihrem Gitarristen auftritt und ganz intim, leise und persönlich „A Pessimist Is Never Disappointed“ singt. Eine sehr schöne Idee mit viel Fannähe.

Sophie Ellis-Bextor in Köln ist nicht das Konzert, über das man am Ende des Jahres noch völlig euphorisch redet, wie atemberaubend es war. Es ist aber ein sehr kurzweiliger Abend, der echt Fun macht, einige Ohrwürmer wieder aufleben lässt und beweist, dass auch klassischer Pop endlich zurück im Mainstream angekommen ist. Gut so.

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Foto von Christopher

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