An manchen Tagen braucht es zuhause zum Runterkommen nicht irgendeine neue Serie auf Netflix – da braucht es diese eine bestimmte Lieblingsserie. Die, die man schon siebenmal komplett durchgesuchtet hat, bei der man mitsprechen kann, immer wieder an denselben Stellen lacht und weint, sich aber danach einfach wahnsinnig gut betreut gefühlt hat. So verhält es sich für manche Leute parallel auch mit Konzerten. Da geht es nicht darum, irgendjemand Neuen von der To Do abhaken zu können, da geht es darum, genau das zu bekommen, was man schon kennt und so sehr mag. Der Autor dieses Textes hat das Best-of-Programm von Pe Werner nun fünfmal live gesehen – und freut sich schon auf die nächsten fünf Male.
Am Anfang war es nur Neugier, fand man doch den einen großen bekannten Hit und noch einen weiteren richtig toll und wollte herausfinden, ob es da vielleicht noch zwei, drei weitere gibt. Dann findet man beim ersten Konzertbesuch heraus, dass es nicht zwei, drei, sondern eher so sechs, sieben großartige andere Songs im Repertoire gibt. Und so wird man Fan. 2019 gab es unseren ersten Bericht über das doch so wahnsinnig stimmige und umarmende “Von A nach Pe”, 2021 gab es einen weiteren und nun eben den dritten. Verändert hat sich seitdem wenig bis nichts. Die Setlist ist immer exakt dieselbe, die Geschichten, die zum nächsten Song führen, dieselben, nur hier und da etwas anders erzählt. Das ist aber völlig egal oder besser: genau richtig so. Denn eben wie bei der Lieblingsserie macht es von Mal zu Mal noch mehr Spaß, weiß man exakt, was wann kommt, freut sich nach dem ersten persönlichen Highlight aufs zweite und geht mit wahnsinnig viel schönem Gefühl wieder heim.
In Solingen war Pe Werner noch nie, wie sie selbst erzählt. Aber schon vorab gibt es seitens der Stadt Solingen eine Ansprache, ist nämlich am 8.3., einem Freitag, der Internationale Frauentag. Es wird darauf hingewiesen, dass Frauen immer noch nicht bei gleicher Arbeit gleich bezahlt werden und das lokale Frauenhaus stets voll ist mit Menschen, die Schreckliches erlebt haben. Eine Ansage, die in fünf Minuten alles Nennenswerte auf den Punkt bringt und trotz Wochenendfeeling wichtig und richtig ist. Fantastisch. Danach geht es aber mit mehr positiven Nachrichten weiter – auch wenn Pe Werner mit ihren Songs sichtlich viele im Publikum mehrfach ins Tal der Tränen führt.
Die Wahl-Kölnerin veröffentlichte 2015 ihre Werkschau “Von A nach Pe” und blickte auf gute 25 Jahre Karriere zurück. Kurz danach entwickelte sie das dazugehörige Liveprogramm, mit dem sie immer noch erfolgreich durch die Republik tingelt. Mit Sicherheit ist sie nicht die bekannteste deutsche Künstlerin, aber eine der beständigsten. Eigentlich ist sie immer irgendwo präsent. Mal auf Konzerthausbühnen wie in Solingen, dann mal mit Kolleginnen und Jazz-Ensembles, dann als Songwriterin oder auch Autorin. Pe Werner ist old fashioned, aber wahnsinnig charmant, klug, witzig und äußerst sympathisch – und ganz nebenbei mit 63 immer noch eine wirklich hervorragende Sängerin.
Erstmalig seit 2013 und somit nach über zehn Jahren ist ein neues Album angekündigt, das Ende April folgen soll. Das darf man dann im Herbst auf der Bühne erleben, doch vorab gibt es noch einige weitere Termine, bei denen sich Pe facettenreich präsentiert. Am Ende nach insgesamt 105 Minuten Musik, die durch eine Pause von 20 Minuten getrennt werden, ist es eigentlich unmöglich, nicht zufrieden zu sein. Dank ihres wirklich perfekten Pianisten Peter Grabinger, der immer wieder aufs Neue so spannende, abwechslungsreiche und verträumte Soli spielt, und ihres Tontechnikers Pit Lenz, der jede Sekunde exakt den nötigen, aber niemals zu viel Hall zusteuert, ist das ein Abend, an dem jede*r was für sich mitnehmen kann. Die einen verlieren sich in der außergewöhnlichen Metaphorik der Lyrics, andere in dem breitaufgestellten, aber immer mittig im Ton zu findenden Gesang, weitere schmunzeln über die nostalgischen Anekdoten. Das ist Chanson, das ist Pop, das ist Schlager, das ist Jazz, das ist Kabarett.
Ein schlechtes Programm würde fünf Besuche nicht überstehen. Es würde langweilen. Ein gutes Programm zeigt auch beim fünften Mal noch Kleinigkeiten auf, die man zuvor nicht gesehen hat. Sei es ein Klaviersolo, eine abgewandelte Version, die man so zuhause nicht nochmal bekommt (“Ihre Lichter”) oder auch ein Wortspiel, das man zuvor immer überhörte (“Was ein Mann tun muss”). Pe Werner besitzt Selbstironie und macht keinen Hehl daraus, dass Kochen nicht ihre Stärke ist (“Prima Essen gehen”). Dann erzählt sie von ihrem Singledasein und wünscht sich, morgen früh beim Bäcker in Solingen vielleicht doch noch den Mann fürs restliche Leben zu finden. Auf der anderen Seite träumt sie sich in vergangene Zeiten, als sie mit einem VW Bus nach Südfrankreich fuhr und am Meer bei Sonnenaufgang ein Croissant aß (“Freibeuter-Sehnsucht”). Sie nimmt Zuschauerinnen die Angst vorm Älterwerden (“Herbstzeitlos”), bedankt sich bei ihrer besten Freundin für unvergessliche Tage (“Sonnenmacherin”) und schreckt nicht mal davor zurück, an ihren verstorbenen Vater zu gedenken (“Vater Morgana”).
Möge das Lieblingskonzert zum Wohlfühlen noch ganz viele weitere Male wiederholt werden. Bei einer Serie kann der Stream angeklickt oder die Blu Ray eingelegt werden. Schade und gleichzeitig gut, dass das bei Pe Werner nicht geht, sodass auch beim nächsten Besuch das Gefühl wieder so da sein wird, wie man’s sich wünscht. Solingen hat schon bestätigt, dass sie wiederkommen darf. Bis dahin wirkt der vergangene Freitag nach.
Und so hört sich das an:
Foto von Christopher
* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.