Tua – Eden

Wer Rapper Tua kennt oder bereits live erlebt hat, weiß: Er ist eine der begnadetsten und talentiertesten Persönlichkeiten in der deutschen Musikszene. Egal, ob als Rapper, Sänger oder Produzent: Seine Authentizität und Offenheit, aber auch sein faszinierendes Produktionstalent machen ihn zu einem Künstler, der weit über seine Musik hinausgeht. Denn Tua hat nicht nur die Fähigkeit, seine persönlichen Erfahrungen und innersten Gedanken in lyrischer Form niederzuschreiben, sondern kann sie auch in einer breiten Palette von Emotionen ausdrücken. Seine Texte sind tiefgründig und reflektieren die Höhen und Tiefen des Lebens. Dabei gelingt es ihm, Musik zu einem Medium der Selbstreflexion zu machen, das Trost spendet. … Zumindest war es bisher so. Doch kann er diese Form beibehalten?

Am 15. März veröffentlicht Tua nun sein neues Album „Eden“. Ein Titel, der einen paradiesischen Ort beschreibt, reich an Schönheit und mit allerlei Köstlichkeiten gefüllt. Ein Ort der Glückseligkeit und Perfektion. Aber – so viel Euphemismus? Bei Tua?! Kaum vorstellbar, hat sich der 38-Jährige in der Vergangenheit doch oft in grauen, melancholischen Sphären bewegt. Doch so viel sei bei all der Skepsis vorab gesagt: „Eden“ ist nicht bloß ein Album, es ist eine Expedition in die Tiefen der Seele, eine Odyssee durch die Landschaften der Selbstfindung und vor allem die Dokumentation einer langen Reise.

Jeder Song auf „Eden“ ist ein Kapitel dieser Reise, eine Art Soundtrack des Aufbruchs und des Unterwegsseins. Von leisen Zweifeln bis hin zu handfesten Krisen führt uns Tua durch die Höhen und Tiefen menschlicher Emotionen. Dabei zeigt er eine bemerkenswerte Offenheit, wie sie in der deutschen Musiklandschaft selten zu finden ist. Eine Reise, die an eine zweiwöchige Selbstfindungsphase erinnert. Urlaub in einem pastellblauen VW-Van. Am Steuer: ein nachdenklicher Tua, dem im sonnigen Fahrtwind ein leises Lächeln über die Lippen huscht.

Der erste Track „Weit und blau“ öffnet die Türen und lädt die Zuhörenden zum Einsteigen ein. Es geht los auf eine Fahrt Richtung Sonne, träumend aus dem Fenster und auf eine „neue Ära“ blickend, die Großes verspricht. Auf dem Weg ein Tunnelende kreuzend und in die Sonnenstrahlen fahrend, hängt Tua aus dem Fenster und singt über „Geld“. Der Song, der von der wahrscheinlich schönsten vermeintlichen Nebensächlichkeit handelt, wird durch ein Sample des Berliner Handpan-Musikers Malke Marten und ein Feature von Rapper RIN komplettiert. So heißt es im Part von letzterem: „Endlich hab‘ ich alles, was ich gar nicht brauch.“ Wer hätte diesem Song wohl mehr Bedeutung zuschreiben können als ein wahres Schwaben-Duo!

Im dritten Track des Albums ist Tua mittlerweile an einem Ort angekommen, an dem er zu leicht beschwingten Balkan-Takten die Hüften kreisen lassen kann. Hier lebt man eben „So gut es geht“ neben der Realität und stellt sich die Frage, was denn noch vielleicht so alles kommt.

Mehr Sein“ ist wohl das künstlerischste Stück des Albums. Es ist wie das Gloria von „Eden“ und ist – so Tua – wie der Versuch eines Romans, der drei Songs zu einem verwebt. Im Mittelpunkt des Geschehens steht ein Typ, der immer alles schaffen und erreichen möchte und seine Erfüllung eben nur darin sieht. Höher, schneller, weiter. „Die besten Pläne, die ich nie gemacht hab – ja, das seid ihr„, heißt es treffend hier. Doch Rapperin Nura scheint das lyrische Ich händeln zu können. Denn schließlich soll es darum gehen, für jemanden da zu sein und eben nicht mehr zu sein.

Wer sich an sein letztes Album „TUA“ erinnert, weiß, dass der Rapper hier noch in der „Vorstadt“ unterwegs war. Fünf Jahre später hat er sich geographisch bewegt und verwebt nun auf „Südvorstadt“ persönliche Erfahrungen in ebendieser zu einer emotionalen Achterbahnfahrt. Der Song reflektiert Eifersucht, Selbstzerstörung und den Wunsch nach Freiheit, während er von einer vergangenen Beziehung erzählt.

In der Mitte des Albums wagt Tua schließlich einen Schritt ins „Echte Leben“, quasi als eine Art Realitycheck. Denn was ist eigentlich das echte Leben? Eine Frage, die sich ein jeder im Laufe seines Seins stellt – und eine Frage, die sich so schnell nicht beantworten lässt. Auf „Herr Aber Aber“, der dritten Singleauskopplung des Albums, taucht Tua schließlich in die Vorstellung ein, sich abheben zu müssen und anders sein zu wollen, während gleichzeitig ein innerer Konflikt zwischen Akzeptanz und Bestätigung aufkommt. Stolz trifft Sturheit. Ein Lied, das durchaus die Geschichte eines jungen Erwachsenen, aber auch die Geschichte eines heranwachsenden Kindes erzählen könnte.

Was wäre eine musikalische Reise nur ohne einen Abstecher in unser Lieblingsnachbarland, die „Niederlande“? Gemeinsam mit Tarek K.I.Z begibt sich Tua dorthin in die nächtliche Kulisse von Amsterdam, wo der Rapper augenscheinlich seinen Kopf verloren hat und zwischen Angst und Sehnsucht schwankt. Ein Song aus leichten Melodien mit Ohrwurmgarantie, der – trotz (oder vielleicht auch gerade wegen?) seiner Einfachheit – für mich einer, wenn nicht sogar der gelungenste Song des Albums ist.

Mit „14.000 Tage“ sind wir schließlich bei Tuas persönlichem Lieblingslied des Albums angekommen: Es ist eine Hymne des Loslassens. Nach der Hälfte eines durchschnittlichen Menschenlebens von 28.000 Tagen reflektiert der Künstler über die Vergänglichkeit des Lebens und die Ambivalenz, die damit einhergeht. Der Song verwebt dabei nicht nur melancholische Electro-Melodien mit Momentaufnahmen, sondern wagt auch einen versöhnlichen Blick auf die Zeit.

Auf „1in1Million“ schafft es Tua, die Skizze eines besoffenen Heiratsantrags im Club in musikalische Lyrik zu verwandeln. Ein Stück, das das Herz seiner Herzensdame wohl hoffentlich gleich mitten ins Herz trifft und Liebe streut. Balsam für die Seele, und genauso wohltuend wie ein Aufenthalt in „Santa Cruz“ („Noch immer so wie frisch verliebt„).

Auf dem letzten Track des Albums „Im Garten“ steht schließlich der Besuch bei einem alten Freund an. Er hat sich zurückgezogen, hinaus ins Grüne und in die Stille – dorthin, wo Träume wahr werden oder eben auch zerplatzen. Der vermeintliche Traum der Familie: mit Terrasse und einer verdammten Pergola. “Wenn alles schön und alles gut und alles klar ist, fragt man sich höchstens ab und zu, war das wirklich alles?” Ob Tua nicht vielleicht auch selbst dieser eine Freund ist? Nach dem Hören dieses Albums lässt sich allerdings vermuten: Er hat seinen Frieden damit gefunden. Denn so, wie es ist, ist es gut!

Gut, so auch die Resonanz am Ende des Albums. Nein, sogar sehr gut! Die Texte auf „Eden“ sind ehrlich und introspektiv. Tua lässt seine persönlichen Dämonen hinter sich und findet dabei eine neue Form der Authentizität. Es ist ein leiser, stetiger Prozess des Loslassens, der zwar von Sonnenstrahlen beleuchtet, aber von heilsamem Schmerz begleitet wird. Musikalisch gesehen ist „Eden“ somit ein mediterraner Tagtraum, eingefangen in warmen Klängen und melancholischen Melodien. Die Songs sind voller Leben und zugleich voller Ruhe, wie eine endlose Sommerfahrt durch die Landschaft der eigenen Gedanken. Durch das Album zieht sich ein roter Faden der Erkenntnis: Glück liegt nicht im Erreichen eines bestimmten Ziels, sondern im Loslassen der Illusion von Glück. So fordert uns Tua immer wieder auf, die alten Träume loszulassen und Platz für neue zu machen!

So lässt sich zu guter Letzt sagen: „Eden“ ist mehr als nur ein Album – es ist eine Reise, eine Erfahrung, eine Erkenntnis. Es ist leichter, beschwingter als alle Alben zuvor. Damit einhergehend aber vielleicht auch das ehrlichste Stück Musik, das Tua je geschrieben hat, und ein Meisterwerk der Selbstreflexion und des persönlichen Wachstums. Wer sich darauf einlässt, wird belohnt – mit einer Reise ins Warme und einer Reise zu sich selbst.

Tracklist „Eden“

  1. Weit und blau
  2. Geld (feat. RIN)
  3. So gut es geht
  4. Mehr sein (feat. Nura)
  5. Südvorstadt
  6. Echte Leben
  7. Herr Aber Aber
  8. Niederlande (feat. Tarek K.I.Z)
  9. 14.000 Tage
  10. 1in1Million
  11. Santa Cruz
  12. Im Garten

Und so hört sich das an:

Tourdaten für „Tua – Eden Live 2024“:

17.03.2024: München Technikum
18.03.2024: Stuttgart Im Wizemann (Club)
19.03.2024: Köln Gloria
20.03.2024: Hamburg Mojo Club
22.03.2024: Berlin Columbia Theater

Das Album „Eden“ könnt ihr hier kaufen!

Die Coverrechte liegen bei Warner Music Central Europe, ℗ 2024 Tua & EKLAT Tonträger.

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