Pe Werner – Electrola… Das ist Musik!

In die Singlecharts schaffte sie es insgesamt sieben Mal und mit sechs Alben in das dementsprechende Pendant. Bei den Alben ist der letzte Einstieg allerdings schon zehn Jahre her – bei den Singles sogar 26 Jahre. Und trotzdem macht Pe Werner weiterhin erfolgreich Musik und hat sich stets weiterentwickelt. Angefangen mit einem angenehmen Mix aus Deutschpop, ein wenig Schlager und souligen Momenten, kam sie im Laufe der Zeit im anspruchsvollen Singer/Songwriter mit Jazz- und Chanson-Einschlägen an und verweilt dort seitdem.

Die Monate, in denen Pe im Jahr nicht auftritt, sind rar gesät. Für das restliche Jahr 2019 stehen noch über 30 Gigs an. Die „30“ ist eh ein gutes Stichwort. Vor 30 Jahren erschien mit „Weibsbilder“ das Debütalbum, das auf dem Cover eine 29-jährige Frau zeigt, die sich von Modetrends der 80er leiten lässt. Drei Jahrzehnte später ist der Look definitiv stilsicherer und die Sympathie geblieben. Dazwischen entstanden elf Studioalben, drei Liveaufnahmen, zwei Hörbücher und einige Best of-Platten. Dank des Labels Electrola gibt es zum Jubiläum nun eine weitere Retrospektive, die auf die Karriere der Wahl-Kölnerin zurückblickt.

Mit drei Tonträgern, 45 Titeln und insgesamt etwas mehr als drei Stunden Musik wird auf der quantitativen Seite ein dickes Paket für den kleinen Geldbeutel geboten. Die Reihe Das ist Musik! hat bereits von vielen weiteren deutschsprachigen Künstlern CD-Sets veröffentlicht. Dementsprechend einfach und getreu der Reihe ist auch das Cover gehalten. Auch das Booklet bietet neben den Trackinfos keine weiteren Eyecatcher – irgendwo muss man eben Abstriche machen.

Letztendlich sollte es aber um den Inhalt gehen. Pe hat in den drei Dekaden viele hochkarätige Songs geschrieben und bis auf wenige Ausnahmen alles im Alleingang erledigt – sowohl Musik als auch Text. Wer kann das groß von sich behaupten? Dass der breiten Masse nur der Top 20-Hit „Kribbeln im Bauch“ aus dem Jahr 1991 bekannt ist, ist mehr als nur schade, denn unter den 45 Liedern sind zig dabei, die dem Evergreen in Nichts nachstehen und so in der erwachsenen, deutschsprachigen Musik kaum Konkurrenz besitzt.

Problematisch hingegen ist eher die Veröffentlichung an sich. Wie bereits erwähnt, handelt es sich nicht um die erste Best of, nicht mal um die zweite. Erst vor vier Jahren wurde sich große Mühe gegeben und mit „Von A nach Pe“ eine sehr gute, aber leider nicht perfekte Werkschau veröffentlicht, die neben den 19 besten Studiotracks auch 17 Orchester- und Big Band-Einspielungen bereithielt. Einige beliebte Titel wurden gleich zweimal bedacht, was den einen oder anderen vielleicht stören könnte, aber die wirklich große Entwicklung Pes zeigt.

Und genau das schafft die neuste Collection eher geringfügig. Von den elf möglichen sind aus neun Alben Stücke ausgewählt worden, allerdings liegt der Schwerpunkt zu stark auf die Anfangsphase. Aus den zwei kommerziell erfolgreichsten Veröffentlichungen „Kribbeln im Bauch“ (1991) und „Los!“ (1993) sind 16 Titel vertreten und somit allein mehr als eine komplette CD. Generell sind mehr als 30 Songs aus den ersten zehn Jahren von Pes Karriere und lediglich einer aus dem letzten Jahrzehnt. Da wäre mehr möglich gewesen, immerhin gab es mit „Mit großem Besteck“ (2011) und „Ne Prise Zimt“ (2013) zwei Longplayer. Auch das mit Gold- und einem Jazz-Award-ausgezeichnete „Im Mondrausch“ aus 2009 fehlt gänzlich.

Trotzdem wurden ein paar Fehler, die bei „Von A nach Pe“ gemacht wurden, ausgebügelt. Mit „Ihre Lichter“, „Niagara-Tränen“ und ganz besonders dem einen Klos im Hals produzierenden „Vater Morgana“ sind nun drei große Balladen enthalten. Als Kaufgrund für Fans sollten die beiden bisher unveröffentlichten Titel „Wolkenreiten“ und „Nur n Herzschlag weg“ herhalten – der erste ein weiteres lyrisches Highlight, der zweite ein ganz nettes, deutsches Cover des 80s-Hits „Get Here“. Außerdem lohnt es sich vielleicht längst vergessene Albumtracks wie „Chamäleon“ oder „Casablanca“ (wieder)zu entdecken.

Negativ wiederum ist die inkonsequente Auswahl der Versionen. Aus völlig unerklärlichen Gründen startet die Platte mit DEM Song „Kribbeln im Bauch“ – aber in der 2015 neu arrangierten WDR-Orchester-Version, die es auch auf der zweiten CD von „Von A nach Pe“ gab. Nicht falsch verstehen, die Version ist super. Dass man sich aber bei dem größten Erfolg für eine alternative Variante entscheidet, ist eine fragwürdige Sache. Entweder beide Versionen oder nur die bekannte Studioversion. Auch bei „Vaterseelenallein“ und „Tabu“ sind jene Neueinspielungen vertreten, was hierbei aber eine gute Wahl ist. „Du bist ein Zauberer (was bleibt, wenn die Liebe geht…)“ zeigt ein einziges Mal und somit viel zu wenig die Livequalitäten der Künstlerin.

Genau das fällt am Ende ins Gewicht. Wer Pe in den letzten Jahren live gesehen hat, weiß, was für intime, emotionale, Gänsehaut-erzeugende Momente auf ihren Konzerten entstehen können, wovon leider viele Studioversionen nur träumen können. „Trostpflastersteine“, „Segler aus Papier“, „Freibeuter-Sehnsucht“ oder auch „Vater Morgana“ sind nur einige Beispiele. Hand aufs Herz, manche Titel haben ein wenig Staub angesetzt, sind aber in ihren aufgepeppten Arrangements in den Shows alle nicht nur frisch, sondern stets besser. So geschieht zwar mit der Das ist Musik!-Collection ein Sprung in die 90s, aber leider kein Spagat ins Heute. Außerdem wurden trotz einer quantitativ beachtenswerten Menge Titel wie „Schnee von gestern“, „Vollmondgesicht“, „Nimm deinen Hut“ oder eben „Ne Prise Zimt“ vergessen, die alle in der aktuell laufenden Jubiläumstour involviert sind.

Wer die zuletzt veröffentlichte „Von A nach Pe“ im Schrank stehen hat, kann sich den Kauf wirklich überlegen. Gleich 16 Titel wurden kopiert, fünf weitere, wenn man den zweiten Tonträger mitbeachtet. Dennoch lohnt es sich natürlich die oben erwähnten Neuzugänge und Albumtracks zu entdecken, wenn man nicht alles aus der Diskographie kaufen mag. Der neue Stil der Sängerin kommt dabei entschieden zu kurz und wenig durch, stattdessen bleibt vieles Old Fashioned und mit 45 Titeln auch einen Ticken überdosiert. Sollte man noch keine Veröffentlichung von Pe Werner besitzen, kann man sich Gedanken machen, ob man zu der soundtechnisch hervorragenden, aber nicht ganz vollständigen „Von A nach Pe“ greift, die hier besprochene mehr an Diversität bietende und preiswerte Das ist Musik! wählt oder auf eine Aufnahme von der aktuellen Tour hofft, die alles abdecken würde und das dazu noch in brillanter Pe-Qualität anno 2019 präsentiert.

Hier kannst du das Album kaufen.*

Und so hört sich das an:

Website / Facebook

Die Rechte fürs Cover liegen bei ELECTROLA.

* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.