Nur außergewöhnlich gute Musik schafft es, über einen langen Zeitraum hinweg für Begeisterung zu sorgen. Ihren Legendenstatus für das Indie-Genre haben sich die Pixies in 30 Jahren Bandgeschichte nie nehmen lassen, denn genau dieser Prozess funktioniert bei ihren Songs hervorragend. Legendäre Hymnen, die auch aus dem Zeitgeschehen losgelöst hinweg eine ungeheure Faszination ausüben und auch drei Jahrzehnte nach Entstehung Gänsehaut erzeugen, brauchen sonst nichts: Keine Show, keine Effekte, keine Nachjustierung, keine Worte. Mit diesem Duktus führen die Koryphäen auf ihrer aktuellen Tour quer durch ihr Schaffen und setzen mit wenigen Mitteln Maßstäbe, an denen sich die meisten Bands die Zähne ausbeißen werden.
Nachfahren und Energieüberschuss
Vor dem Publikum, das überdurchschnittlich homogen aus weißen Männern Marke Ü-40 zusammengesetzt ist, spielen sich zunächst die Blood Red Shoes durch ihr Set. Obwohl das Duo selbst über eine beeindruckende Erfolgsgeschichte verfügt, will der Funken zwischen ihnen und den Fans nicht überspringen. Von wuchtigen Riffs und polyrythmischen Schlagzeugeskapaden getragen entfalten die Bluesrock-Songs mit der markant-desinteressierten Stimme von Laura-Mary Carter einen einnehmenden Sog, der einzig durch die sehr zurückhaltende Art der Frontfrau gedimmt wird. Immer wieder betonen die Engländer*innen den außergewöhnlichen Einfluss der heutigen Hauptband für ihr eigenes Schaffen, wodurch der Begriff der Supportband noch einmal eine ganz neue Bedeutung bekommt. Diesen krachenden Auftakt nutzen die Pixies dann auch gleich für sich und steigen mit nicht weniger krachenden Garage-Paketen ein, die trotz des vorangeschrittenen Alters der Band eine beeindruckend unmittelbare Energie ausstrahlen.
Weirde Werkschau
40 Songs in 120 Minuten. Das klingt auf dem Papier erstmal extrem anstrengend, vor allem mit dem Zusatz, dass durch dieses straffe Programm keinerlei Publikumsinteraktion Platz findet. Doch während des Auftritts erweist sich dieser Rundumschlag als glorreiche Zuschaustellung der atemberaubenden Songwriting-Qualitäten. Zwischen den atmosphärischen Weiten eines “Where Is My Mind” über die entspannten Indie-Schunkler wie “Here Comes Your Man” bis zum finalen Abriss mit “Debaser” liegen musikalische Welten, die man dank der weirden Storytelling-Momente und den Gänsehaut würdigen Melodien liebend gerne durchschreiten will. Auch wenn die Euphorie, wie bei langjährig erfolgreichen Bands ja üblich, bei genau diesen großen Hymnen spürbar am größten ist, und sich gerade bei den Hits der Meisterwerke “Doolittle” und “Surfer Rosa” Moshpits bilden und sich Leute in den Armen liegen, können auch Songs des aktuellen siebten Albums “Beneath The Eyrie” für Begeisterung sorgen; allen voran “Catfish Kate”. Das ist wohl auch den beeindruckenden Stimmorganen von Black Francis und Paz Lenchantin zu verdanken, die sich mal in räudige Exzesse hochschaukeln, sich neckisch liebkosen, mit wahnwitziger Intonation spielen oder in mysteriöse Nebel hüllen – stets umgarnt von den schönsten Gitarrenriffs des Indierock.
Nach zwei überraschend kurzweiligen Stunden verbeugt sich das Quartett gemeinsam vor den Fans und lässt den frenetischen Jubel über sich ergehen. Vielleicht war das heutige eher eine einseitige Geschichte, denn auch zum Ende hin sieht man den Musiker*innen die Euphorie kaum an. Doch die Liebe der Fans ist ehrlich und lässt wohl auch in den nächsten drei Jahren nicht nach. Und bei so einer pointierten Songwriting-Kunst braucht es manchmal eben nur versierte Medien, die sie mit der benötigten Finesse vortragen.
Und so hört sich das an:
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Pixies live 2019:
- 09.10. Gasometer Wien (AT)
- 15.10. Tonhalle München (ausverkauft)
- 17.10. The Box Luxemburg (LU)
Beitragsbild von ,Julia.
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