Kunst verbindet. Das dachten sich die zehn Mitglieder von Touché Amoré und Deafheaven zumindest vor einigen Monaten. Beide Bands eint eine langjährige Freundschaft. Deshalb beschlossen die Post-Hardcore-Sternchen und die Blackgaze-Hipster quer über den europäischen Kontinent verteilt 24 gemeinsame Konzerte zu spielen. Weil die beiden Bands sich musikalisch dann doch in unterschiedlichen Welten abspielen, holte man sich noch Portrayal Of Guilt in das Tour-Boot, die die Welt des Hardcore mit der des Black-Metals zumindest ansatzweise zusammenführen. Ein Erlebnisbericht von der viel zu großen Köln-Show Anfang Oktober.
Das Problem mit der riesigen Halle
Als Portrayal Of Guilt um Punkt 20 Uhr in ihr Set einsteigen, deutet sich bereits an, was sich durch den ganzen Abend ziehen wird: die gebuchte Halle ist für die drei Bands viel zu riesig. Vor die Bühne des Carlswerk Victoria passen laut Internet knapp 1600 Menschen. Vermutlich übersteigt die Zahl der anwesenden Fans heute zu keinem Zeitpunkt die 1000er-Marke. Außerdem befindet sich zwischen Bands und Publikum eine Absperrung und ein deutlich zu großer Bühnengraben. Touché Amoré-Frontmann Jeremy Bolm wird später genau hierauf verweisen und betonen, dass bei ihren Shows normalweise eigentlich kaum mehr als ein kleiner Höhenabstand zwischen Musikern und Fans steht.
Die drei jungen Männer, die sich Portrayal Of Guilt nennen, machen ihre Sache trotz spärlich gefüllter Halle dennoch hervorragend. Sänger Matt King drischt auf seine Gitarre ein, als wolle er sie für ein bösartiges Vergehen bestrafen und ringt seiner Kehle währenddessen Töne ab, die kaum menschlichen Ursprungs sein können. Schlagzeuger James Beveridge ruft seine flotten Parts so präzise ab, man könnte zwischenzeitlich meinen er ließe nebenbei eine programmierte Drum-Machine laufen und auch Bassist Blake Given weiß dem brachialen Sound seiner Band die nötige Portion Rhythmus zu verpassen. Immer wieder räumt das Trio neben dem krachigen Black-Screamo-Gemisch jedoch auch bedrohlich-anmutenden Samples Platz ein, die von Song zu Song leiten.
Von der Düsternis in das Licht
Auch das Deafheaven-Set beginnt brachial und bedrohlich. Mit „Black Brick“, dem wohl härtesten Stück der Diskographie, und „Brought To The Water“ aus dem wohl bislang düstersten Album der knapp neunjährigen Bandgeschichte feuert das Quintett gleich anfangs zwei seiner krachigsten Songs ab. Danach darf zunächst das deutlich melodischere „Ordinary Corrupt Human Love“, das aktuelle Album der Amerikaner, ran, von dem die Band aufeinanderfolgend drei Lieder spielt. Im Anschluss schließt das Epos „Dream House“ aus dem Kritikerliebling „Sunbather“ das sechzigminütige Set ab. Während Sänger George Clarke seine untypisch persönlichen Texte messerscharf mit verzerrter Mine, Ausdruckstanz und in Richtung Crowd gebeugt kreischt, reißen die drei Saiten-Musiker ihre Instrumente Rockstar-gleich in die Lüfte. Drummer Daniel Tracy ruft unterdessen kleine, konstante Erdbeben auf seinen Fellen hervor.
Der wahre Headliner
Touché Amoré beweisen im Anschluss, für wen der Großteil der Besucher angereist ist. Schon wenn die Band zunächst ihren Erstling „…To The Beat Of A Dead Horse“ in Gänze zum besten gibt, zeigt sich das vordere Hallendrittel textsicher und in der Mitte auch bewegungsfreudig – hier scheint das Publikum, das bislang eher zurückgehalten gelauscht hatte, nun aufzuwachen. Dass Bolm während des Fanlieblings „Honest Sleep“ beim obligatorischen Crowdsurf schnell in den Reihen verschwindet, weil die Menschen sich nicht dicht genug vor der Bühne drängen, nimmt der 36-Jährige gelassen hin. Er macht einfach das beste draus und lässt sich von den unzähligen Anhängern umringen und anbrüllen. Hach, Hardcore.
Für die knapp zehn älteren Stücke, die nach dem Debüt folgen, nimmt die Textsicherheit dann noch einmal zu. Wirkte Bolm während der „Stage Four“-Songs – das Album handelt von dem Krebs-Tod seiner Mutter – vor einigen Jahren noch unter Strom, so scheinen ihm die traurigen Zeilen nun deutlich leichter über die Lippen zu gehen. Der Zahn der Zeit hat eben auch gute Seiten. Um die zu große Lücke zwischen Band und Menge etwas kleiner werden zu lassen, tritt der Sänger immer wieder auch an die Bühnenkante oder steigt über diese hinab zu den ersten Reihen. Die Intensität des ebenfalls 60-minütigen Auftritts leidet deshalb zwar nur leicht, in einem Club hätte das alles aber dennoch deutlich besser funktioniert. Dass Touché Amoré doch irgendwie der Headliner des Abends sind, wird ebenfalls deutlich, als die Band nach eigentlichem Ende ihres Sets noch einmal für zwei Zugaben – eine davon wird per Zwischenruf bestimmt – zurückkehrt. Wenn es wenige Minuten später über das große Industriegelände in Richtung Zuhause geht, hat man das Gefühl drei starke Auftritte gesehen zu haben, die dann doch irgendwie zusammenpassten, aber in einer anderen Umgebung wohl noch eindrucksvoller gewirkt hätten. Kunst verbindet trotzdem.
Leseempfehlung: Touché Amorés “Is Survived By” in unserem Plattenkrach.
Und so hört sich das an:
Touché Amoré: Website / Facebook / Twitter / Instagram
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Portrayal Of Guilt: Website / Facebook / Twitter / Instagram
Foto von Jonas Horn.
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