P!nk – Hurts 2B Human [Doppel-Review]

P!nk - Hurts 2B Human

Gestern veröffentlichte P!nk ihr bereits achtes Studioalbum „Hurts 2B Human“. In dieser Doppelrezension haben sich sowohl Alina als auch Christopher den Langspieler einmal zu Gemüte geführt & werden im Folgenden ihre Meinungen zu P!nks neuem Werk kundtun.

Alinas Meinung:

I don’t wanna be this way forever / Keep telling myself that I’ll get better / Every time I try I always stop me / Maybe I’m just scared to be happy” Furchtlos, selbstbewusst und draufgängerisch. Seit ihrem ersten Studioalbum “Can’t Take Me Home” aus dem Jahr 2001 polarisiert Alecia Beth Moore alias P!nk und zeigt immer wieder, dass sie sich in keine Schublade stecken lässt. Mit ihrer frechen Attitüde, fantastischen Songs und dieser besonderen Mischung der Genres Pop und Rock gilt Pink bis heute als eine der ganz großen Sängerinnen. Auch ihr achtes Studioalbum „Hurts 2B Human“ zeigt einmal mehr den selbstbewussten Charakter P!nks auf, bringt aber dennoch einige Veränderungen mit sich.

Eben diese werden bereits beim Album Opener „Hustle“ und dem darauffolgenden Track „(Hey Why) Miss You Sometime“ deutlich. P!nk präsentiert sich hier energiegeladener denn je, verliert aber ihre eigene Stimme. Abgesehen davon, dass die Dance – Beats sehr hektisch rüberkommen, könnten diese Songs von jedem gesungen werden, versinken im modernen Pop- Einerlei. Anders präsentiert sich die erste Vorabsingle des Albums „Walk Me Home“. Hier zeigt P!nk den Sound auf, mit dem sie auch auf den vorherigen Alben immer wieder punkten konnte. Eine powergeladene Ballade, mit viel Dramatik und Emotionen. Diese funktioniert sehr gut, denn sie bleibt definitiv im Ohr. Auch stimmlich bietet Pink hier so einiges. Ihre rauchige, kratzige und zugleich wunderbar einfühlsame Stimme kommt ebenfalls bei Liedern wie „We Could Have It All“ zur Geltung.

Was man P!nk nicht unterstellen kann, ist, dass sie nicht vielfältig sei. Auf „Hurts 2B Human“ schafft sie eine gute Symbiose aus Balladen, Dance Tracks und Powerhymnen. Kein Song gleicht dem Anderen und doch scheint dem Album etwas zu fehlen. Vielleicht mag es der freche Unterton sein, mit dem P!nk immer wieder überzeugen konnte. Vielleicht aber auch die zunehmende Radiotauglichkeit ihrer Songs, die wie bei „Hustle“ im absoluten Einerlei endet. Nach wie vor erscheint sie allerdings sehr selbstbewusst, bringt dennoch einen sehr nachdenklichen, neuen Ton mit in ihre Lieder hinein. „The Last Song Of Your Life“ ist einer dieser nachdenklichen Songs. Zeigt auf, dass P!nk mit ihrer Musik gewachsen ist und deutlich selbstreflektierter zu sein scheint, als zu „Get The Party Started“ Zeiten.

Ganz dem Zeitalter entsprechend versucht sich P!nk durch die Unterstützung des EDM-Trios Cash Cash auch an Elektro Beats im Song „Can We Pretend“. Dieser kommt ziemlich überraschend daher, klingt noch nicht einmal schlecht, aber ist auf „Hurts 2B Human“ deutlich fehl am Platz. Ein großes Staraufgebot bietet P!nk auch bei weiteren Kollaborationen. Neben Cash Cash hat die Sängerin mit Khalid, Wrabel und Chris Stapleton zusammengearbeitet. Gerade der Track „90 Days“ mit Wrabel stellt dabei das wohl größte Highlight des Albums dar. Der Song ist wahnsinnig melodisch, sehr harmonisch und bringt P!nks Stimme noch einmal zum Strahlen.

Auch „Hurts 2B Human“ zeigt auf, dass Pink nach wie vor einen absoluten Wiedererkennungswert und ebenso starken Charakter besitzt. Sie präsentiert sich deutlich erwachsener und reflektierter, schafft es aber nicht mehr voll und ganz zu überzeugen. Im Gegensatz zu früher fehlt der freche Unterton, den die Sängerin stets mit in ihre Songs einbauen konnte. Dies muss nicht schlimm sein, was an Songs wie „Walk Me Home“ deutlich wird. Allerdings rutscht Pink immer mehr in den Mainstream – Pop, versucht an einigen Stellen zu viel dem Zeitgeist gerecht zu werden und schafft einen Radiohit nach dem Anderen, weswegen Überraschungen leider ausbleiben. Dem Album fehlen die herausstechenden Songs, wenn auch „90 Days“ eine Ausnahme darstellt.

Und Christophers Meinung:

Get the Party Started“, „Don’t Let Me Get Me“, „Just Like A Pill“, „Family Portrait“, „Trouble“, „Stupid Girls“, „U + Ur Hand“, „Dear Mr. President“, „So What“, „Sober“, „Please Don’t Leave Me“, „Raise Your Glass“, „F**kin Perfect“, „Bridge Of Light“, „Blow Me (One Last Kiss)“, „Try“, „Just Give Me A Reason“. Diese Aufzählung steht für insgesamt 17 Top 10-Platzierungen in Deutschland in zwölf Jahren. Zwischen 2001 und 2013 sorgte Alecia Moore alias P!nk regelmäßig für stets mainstreamige, aber dennoch meist erfrischende Rock-Hits, die genügend Popelemente innehatten, um im Lokalradio laufen zu können. Dabei fing alles ursprünglich mal mit R’n’B und Hip-Hop an. Ihr Debüt „Can’t Take Me Home“ (2000) wurde in Deutschland kaum beachtet. Erst mit ihrem bis heute experimentierfreudigsten Album „M!ssundaztood“ (2001) gelang ihr weltweit der Durchbruch, was besonders an dem guten Händchen im Songwriting lag. Die Platte glich einer gemischten Tüte und legte dennoch wert darauf, nie altbacken und zu abgedroschen zu klingen.

Trotzdem blieben es die Ohrwurm-lastigen Lieder, die nach vorne gingen und durch die rauchige, etwas versoffene, aber dennoch sehr starke Powerstimme einer P!nk für ordentlich Krawall sorgten und Erfolg bedeuteten. Deswegen fiel „Try This“ (2003) auch in der Hinsicht durch – zu laut, zu kantig. Stattdessen wurde das Erfolgsrezept über Jahre hinweg verfeinert und fand mit „I’m Not Dead“ (2006) und „Funhouse“ (2008) seine Höhepunkte. Die zweite Hälfte der 00er-Jahre waren für diese Form des Pop/Rocks nur so gemacht. P!nk etablierte sich auch live als einer der führenden Megastars und lieferte spektakuläre Stuntshows, die einen staunen ließen.

Daraufhin gab es erstmal Kinder. 2011 und 2016 wurden ihre zwei Nachfolger geboren, sodass es etwas stiller wurde. Statt eben genau diese frohe Familienbotschaft für Inspiration und neue Wege zu nutzen, entschied sich die einstige Rebellin der breiten Radiozuhörerschaft dazu, einfach das zu machen, was von ihr verlangt wird. So waren bereits bei „The Truth About Love“ (2012) erste Abnutzungserscheinungen zu bemerken – immerhin reichte es aber noch für eine Handvoll Songs, die gewohnte Kost lieferten, aber immerhin bockten. Zwei Alben später sieht das alles schon ganz anders aus.

P!nk zieht eine Sache konsequent durch: Waren es auf „Funhouse“ noch an die zehn Songs mit Potenzial, wurde bei „The Truth About Love“ auf ungefähr fünf, bei der letzten Platte „Beautiful Trauma“ (2017) auf drei und nun auf zwei starke Titel halbiert. „Hurts 2B Human“ ist nach 18 Monaten Pause nicht nur das schnellste Nachfolgewerk, sondern auch inhaltlich so überhastet schnell produziert, dass es quasi an allem fehlt: an Substanz, an Kreativität, an Ideen, an Edge, an Melodien.

13 Songs und 47 Minuten, die so wenig Höreindrücke hinterlassen, dass nahezu nichts hängen bleibt. Wo ein „What About Us“ vor eineinhalb Jahren begann, geht es nun ohne Kompromisse weiter. Bereits die Vorabsingle „Walk Me Home“ wäre durch ihr plätscherndes Midtempo auf jedem Album ihres Karrierehöhepunkts der Filler gewesen. Der Opener „Hustle“ soll womöglich durch „Don’t Fuck With Me“-Ausrufe frech und dank Bläsereinsatz schmissig klingen, hat aber auch wenig Esprit. „Can We Pretend“ beginnt P!nk-typisch und klingt besonders in der Bridge und im ersten Refrain nach einem eingängigen Frühlingshit – bis dann der schlechteste Kirmestechno-Beat der Welt einsetzt. Wer hätte gedacht, dass P!nk mal den neuen Soundtrack für den „Breakdancer“ bietet? Völlig berechenbar dienen zwei Akustikballaden („Circle Game“, „The Last Song of Your Life“) ohne Höhepunkte als Rausschmeißer und gleichen damit mehreren anderen Enden ihrer vorigen Alben. Bedeutungsschwangere und gleichzeitig abgedroschene Bilder wie in „My Attic“, auf dem sich ja so viele widersprüchliche Dinge befinden, werden nicht mal musikalisch spannend umgesetzt und flutschen stattdessen wie in einer Teflonpfanne ohne klebrigen Belag an einem vorbei.

Gott sei Dank stehen dem Ganzen immerhin zwei gelungene und zwei annehmbare Songs gegenüber, die dem „Sampler der schlechten Unterhaltungsmusik anno 2019“ wenigstens ein paar abwechselnde Momente bescheren. Highlight ist die zweistimmige, reduzierte Nummer „90 Days“ (feat. Wrabel), die zwar viel zu viel Autotune beinhaltet und auch nur gehobenes Mittelmaß darstellt, aber zumindest in der Gesangslinie abholt und irgendwie berührt. Für den Titeltrack darf die aktuelle Allzweckwaffe Khalid herhalten und macht einen redundanten Refrain mit zig „You“s und „Me“s in Teilen erträglich. Textlich sympathisch wird es mit der Zeile „Am I scared to be happy?“ in „Happy“, die Angst vor ungewissen Gefühlsausbrüchen und vorzeitiger Freude thematisiert. Dass es doch irgendwo noch mit Melodien, Gesang und Beat in Kombination klappen kann, zeigt „We Could Have It All“ – das einzige Mal eine P!nk in alter Manier. Ein Song, der aus eben diesem Grund fast schon schmerzt und nostalgisch macht.

Erschreckend, wie man trotz eines jahrelangen eigenen Stils, der auch Erfolg versprach, seit drei Alben die musikalische Qualität außenvor lässt, gar nicht erst probiert aufregend zu klingen und nur noch auf die unverkennbare Stimme und den kassenklingelnden Namen setzt. Sollte P!nk weiterhin auf Ü40-Hausfrauen-Sound setzen, ist leider sämtliche Ernsthaftigkeit verloren. Etwas, was der Autor bei dieser Künstlerin wirklich nie erwartet hätte.

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