Das Albumcover des neuen Provinz Albums „Pazifik“ lässt viel Raum für Interpretationen. Was seht ihr auf dem düsteren Bild? Vielleicht einen Berg, an dem die hohen Wellen des Meeres zerschellen? Eine ertrinkende Frau? Oder vielleicht auch einfach nur das symbolische Licht in der Dunkelheit. Was auch immer es ist, das Konzept wirkt klar: mit ihrem bereits dritten Album scheinen Provinz ihren Fokus auf den Kontrast zwischen Hell und Dunkel zu legen. Man erwartet ein Album zwischen Freude, Schmerz und Melancholie – und wird enttäuscht von teilweise lieblosen, austauschbaren Songs, die nah an der Grenze zum Cringe liegen.
Provinz, das sind die drei Cousins Vincent (Gesang, Gitarre), Robin (Piano, Gesang), Moritz aka Mosse (Bass, Gesang) und ihr Freund Leon (Schlagzeug). Schon 2020 während der Corona-Pandemie hatte die junge Band aus Ravensburg ihren großen Durchbruch als eine der bedeutsamsten deutschsprachigen Bands der neuen Generation und ist seitdem aus den Medien und Festival-Line-Ups nicht mehr wegzudenken. Der bandeigene Sound verbindet dabei stets eine abwechslungsreiche Mischung aus Indie-Pop, Klavierelementen und wird geprägt von der rauchig-markanten Stimme von Sänger Vincent. Auf ihrem Vorgängeralbum – „Zorn & Liebe“ (Rezension) – wagten sich Provinz musikalisch auch in einige (Sub-)Genres, die eine positive Entwicklungsrichtung zeigten.
Mit „Pazifik“ entfernt sich die Band einen weiteren Schritt von ihrem ursprünglichen Akustik-Sound, mit dem sie einst ihren Durchbruch landeten und der in früheren Werken vor allem das Erwachsenwerden auf dem Dorf und Geschichten des Älterwerdens erzählte. Stattdessen geht es für Provinz nun mehr in Richtung Elektronik und Synthesizer – sie probieren etwas Neues aus und entwickeln sich weiter… aber leider nicht in eine spannende Richtung, sondern eher zu einer Imitation im Einheitsbrei der deutschen Popmusik.
So klingt „Weißer Mercedes“ wie eine müde Kopie des Felix Kummer Hits „Bei Dir“ („Ich war schon immer kaputt, ein bisschen defekt. Du hast mich repariert, nur für einen Moment.“) oder der Song „Halleluja“ eigens für die Liveperformance konzipiert, damit auch bloß jeder Fan im Vorfeld schon weiß, welchen Chor es mitzusingen und an welcher Stelle es zu klatschen gilt. Auch repetitive Lyrics kommen auf dem Album nicht zu kurz – sei es „Bringst du mich nachhaus“ oder „Der Sommer macht melancholisch“ – manche Refrains strapazieren das Durchhaltevermögen der Hörer*innen mit ihren ermüdenden und sich wiederholenden Sätzen besonders stark. Und hier zeigt sich auch direkt noch eine weitere Schwäche von „Pazifik“: waren auf dem letzten Album schon viele Lyrics etwas pseudo-philosophisch, so wirken auch diesmal viele Textzeilen ungewollt komisch (z.B. „Unser Film war Indigo. Kann es sehen wenn ich die Augen schließe. Brauche keine Sensation – ich vermiss’ dich monoton.“) Man kann diesmal allerdings auch von Glück sprechen, wenn man überhaupt etwas von den Songtexten versteht, denn im Gegensatz zu den bisherigen Veröffentlichungen fällt es auf „Pazifik“ recht schwer, die Worte von Sänger Vincent deutlich zu verstehen. Viele Worte gehen in einem unverständlichen Nuscheln verloren und die gefühlvollen, bedeutungsvollen Texte, die einst die Lieder der Band prägten, rücken immer mehr in den Hintergrund, während die aktuellen Lyrics ihre einstige Kraft vermissen lassen.
Doch genug gemeckert – denn trotz aller Negativität gibt es auch Positives über das neue Provinz Album zu sagen. Bereits die Vorab-Single „Walzer“ war für viele Fans ein absolutes Highlight. Nun ist es der langersehnte Release von „Fernweh“ – ein Song, den die Band 2024 ebenfalls auf ihrer letzten Tournee schon live präsentierte und der mit seiner Leichtigkeit zu einem der absoluten Highlights der Platte zählt. Doch zwischen den leichten und generischen Songs gibt es tatsächlich auch echte, emotionale Highlights auf „Pazifik“. So besingt die Band in „1000 Nächte“ den Tod eines geliebten Menschen. Trauer und Verlust sind Vincents markanter Stimme deutlich anzuhören und werden musikalisch zunächst nur minimalistisch unterlegt, ehe das Klavier einsetzt und den Song auf eine kraftvolle Dimension anhebt, die emotional bewegt und eigene Gefühle hochkochen lässt. Verantwortlich für das Klavier ist Robin, der auf dem vergangenen Album auch selbst einen eigenen Song präsentierter durfte („Robin Skit“). Auch auf „Pazifik“ gibt es mit „Alaska“ einen Solotrack von Robin, der (wie sein Vorgänger) ehrlich und bewegend über das schwierige Verhältnis zu den eigenen Eltern spricht, und zu einem der persönlichsten und beeindruckendsten Liedern der neuen Platte zählt. Generell wirkt Robin mit seinen Background-Vocals und Klavier-Elementen oft wie das nötige Bindeglied, das die zwölf neuen, zusammengewürfelten Songs zu einem halbwegs gelungenen Album zusammenfügen kann.
Der anfangs erwähnte Spagat zwischen Freude, Schmerz und Melancholie ist Provinz zumindest thematisch geglückt. Im Vergleich zu den beiden Vorgängern ist „Pazifik“ aber das bisher schwächste Album der jungen Band aus Ravensburg. An ihrem Erfolg wird dies nichts ändern – die neuen Songs lassen sich prima ins Programm der örtlichen Radiosender aufnehmen und vielleicht schaffen sie es damit von der Festivalbühne ja zusätzlich auch noch zur nächsten örtlichen Firmenfeier. Wir sehen das Potential der Band – glauben aber, dass Provinz durchaus in der Lage sind, mit ihrer nächsten Veröffentlichung noch eindrucksvollere Songs zu liefern.
Und so hört sich das an:
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Provinz “Pazifik” Club Tour 2025:
23.06.2025 – Düsseldorf – ausverkauft
24.06.2025 – Frankfurt am Main – ausverkauft
25.06.2025 – Ludwigsburg – ausverkauft
27.06.2025 – Ingolstadt – ausverkauft
28.06.2025 – Wien – ausverkauft
29.06.2025 – Cottbus – ausverkauft
01.07.2025 – Berlin – ausverkauft
02.07.2025 – Bremen – ausverkauft
03.07.2025 – Hamburg – ausverkauft
Provinz “Pazifik” Open Airs 2025:
10.07.2025 – Nürnberg
11.07.2025 – Dresden
12.07.2025 – Dortmund
01.08.2025 – Wien, AT – ausverkauft
02.08.2025 – Wien, AT – Zusatzshow
08.08.2025 – Hamburg
09.08.2025 – Braunschweig
15.08.2025 – Lingen (Ems)
16.08.2025 – Rostock
17.08.2025 – Winterthur, CH
22.08.2025 – Ravensburg
23.08.2025 – Köln
29.08.2025 – Freiburg im Breisgau
30.08.2025 – Ladenburg
31.08.2025 – Bielefeld
13.09.2025 – Berlin
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