Provinz – Zorn & Liebe

Provinz Zorn Liebe

Raus aus der Provinz – rein in die Großstadt. Für kaum eine andere deutsche Band hat sich seit Pandemiebeginn so viel verändert, wie für Provinz. Aufgewachsen in einer kleinen Gemeinde bei Ravensburg war es für die vier Jungs stets die Musik, die sie auf ihrer Reise des Älterwerdens begleitet hat. Dass die drei Cousins Vincent (Gesang, Gitarre), Robin (Piano, Gesang), Mosse (Bass, Gesang) und ihr Freund Leon (Schlagzeug) ausgerechnet während der Corona Pandemie von den kleinen Newcomern zu einer der aktuell erfolgreichsten deutschen Bands werden sollten, hätte vermutlich niemand gedacht, doch diverse Auszeichnungen, Auftritte bei den größten Festivals im deutschsprachigen Raum, sowie mehrere ausverkaufte Solo-Tourneen beweisen das Gegenteil. Mit „Zorn & Liebe“ erscheint am 16.09.2022 nun das zweite Album der Band. Zu Beginn sei schon mal verraten: im Vergleich zum Vorgänger „Wir bauten uns Amerika“ klingt es deutlich anders… und doch irgendwie gleich.

„Und du kriegst Gänsehaut, wenn du die alten Lieder hörst.“

Provinz stehen mit ihrer Musik für ehrlichen und emotionalen Indie-Pop. Textgewaltige Lieder und eine markante Stimme, die unter die Haut gehen. In unserer Rezension des ersten Albums schrieben wir, dass „Wir bauten uns Amerika“ sicherlich „auch seine glücklichen Momente“ habe, doch „auf Albumlänge etwas bedrückend wirke“. Diese emotionale Überladenheit findet man auf „Zorn & Liebe“ eher weniger. Zwar stehen noch immer die Lyrics und Stimme im Vordergrund, doch dieses Mal wagen sich Provinz damit auch in andere (Sub-)Genres, statt sich auf ähnlichen Tönen des altbewährten Indie-Pops auszuruhen.

Von den insgesamt 15 neuen Songs hatte die Band fast die Hälfte bereits als Vorab-Singles veröffentlicht und dabei bereits ihre Vielfältigkeit bewiesen. Von Radio-Hit („17 für immer“), über rockigere Einflüsse („Verrate deine Freunde“) bis hin zu einer gefühlvollen Klavierballade („Zwei Menschen“) wurden bereits einige Nischen der Popmusik abgedeckt, Des weiteren überraschen sie auf „Zorn & Liebe“ mit einer Prise Blues („Verschwendung“) und mit „Sara“, einem Track über Fernweh, der die Hörer*innen musikalisch direkt auf eine Südseeinsel verfrachtet.

Während das Vorgängeralbum sich lyrisch vor allem mit dem Erwachsenwerden und eingeengten Leben auf dem Dorf beschäftigte, stehen auf „Zorn & Liebe“ vor allem das Glück und die Freiheit im Vordergrund, die Provinz Dank ihrer Musik mittlerweile erlangt haben.

„Sag, wo ist der Song, den ich noch fühlen kann.“

Mein persönliches Highlights kommt gleich zu Beginn des Albums: „Intro“. Glaubt man Wikipedia, so handelt es sich bei einem Intro um die „thematisch bezogene Einleitung in den (…) Inhalt“ eines Albums – bei „Zorn & Liebe“ ist das wohl die Liebe zur Musik. In dreieinhalb Minuten besingen Provinz den Moment, an dem man endlich wieder beim Konzert seiner Lieblingsband steht, zusammen mit Freunden und umgeben von Menschen, die das gleiche fühlen, wie man selbst. Das Licht geht aus, die ersten Töne erklingen und man fühlt sich angekommen – frei und lebendig.

Ein ähnliches Gefühl beschreibt auch der zweite Track des Albums – „Diese Nacht“ – bei dem thematisch die gemeinsamen Nächte mit den besten Freunden im Vordergrund stehen. Fun Fact: einen Teil des Songtextes hatten Provinz Anfang des Jahres bereits als kleinen Aprilscherz zu einem Partytrack („Tinnitus“) verarbeitet.

Neben den alten Freunden vom Dorf finden sich auf „Zorn & Liebe“ aber auch neue Weggefährt*innen: für den bereits veröffentlichten Titeltrack haben Provinz sich mit Sängerin Nina Chuba („Wildberry Lillet„) zusammengetan, deren Stimme unfassbar gut mit Sänger Vincent harmoniert. Auch das Feature mit Antilopen Gang-Mitglied Danger Dan konnte man vorab bereits ins Herz schließen. Der wohl politischste Song des Albums handelt von begrabenen Träumen, älterwerdenden Senioren und der ungewollten Gentrifizierung seiner Heimat. Das dritte und letzte Feature des Albums liefert schließlich Casper, dessen Auftritt bereits vorab in einem Instagram Video gespoilert wurde. Obwohl auch hier wieder zwei enorm starke Stimmen aufeinandertreffen und man sich an einem etwas härteren Sound versucht hat, gehört „Betäub mich“ leider eher zu den schwächeren Tracks des Albums.

„Das ist mehr als Musik, deshalb hör ich nie auf.“

Die größte Überraschung auf „Zorn & Liebe“ ist aber wohl der „Robin Skit“ , bei dem sich erstmalig Keyboarder Robin für ein eigenes Solo ans Mikro wagt. Nur von seinem Klavier begleitet erzählt er von der Trennung seiner Eltern und besingt die schwierige Beziehung zu seinem Vater. Sicherlich keine einfache Kost, doch gerade durch seine persönliche Geschichte einer der emotionalsten Songs des Albums.

Neben Beziehungen und Liebe sind aber auch Depressionen ein Thema, mit dem sich Provinz das erste Mal aus verschiedenen Perspektiven befassen. Neben „Alles gut keine Angst“ , einer direkten Antwort auf den „Robin Skit“, ist es vor allem „Weit Weg“ der in dieser Hinsicht für Gänsehaut sorgt. Was tun, wenn der geliebte Mensch sich emotional immer weiter entfernt?

Bei der Single „Spring“ hingegen steht die Hoffnung im Vordergrund, alte Träume nicht aufzugeben, aus der eigenen Komfortzone auszubrechen und etwas Neues zu wagen.

„Ich glaub‘ ich bin da, wo ich hingehör‘.“

Und auch Provinz haben mit „Zorn & Liebe“ den Sprung aus der Komfortzone geschafft. Objektiv betrachtet ergeben sicherlich nicht alle Zeilen auf dem Album so viel Sinn („Augen hinter hungrig und Kapuze tief, ja kann sein“ (aus „Spring“)), und manchmal wirken die Songs vielleicht auch etwas pseudo-philosophisch für so eine junge Band, doch darüber lässt sich unserer Meinung nach hinweg sehen.

Gemeinsam mit ihren Produzenten Tim Tautorat und Fayzen hat die Band ein facettenreiches Album geschaffen, das sich mühelos an etwas Neues wagt und dennoch dem ursprünglichen Stil der Band treu bleibt. Um es mit ihren eigenen Worten zu sagen: „Es wird nie wieder, wie es mal war. Ich glaub‘ ich bin da, wo ich hingehör‘.“ Sehen wir auch so, denn Provinz haben den Sprung als spannende, neue Band in die deutsche Musikwelt geschafft.

Hier (physisch) und hier (digital) kannst du dir das Album kaufen.*

Und so hört sich das an:

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Provinz Live 2022:

Sep 24 – Lollapalooza Festival – Berlin
Sep 27 – Berlin, Columbiahalle (ausverkauft)
Sep 28 – Vienna (AT), Gasometer
Sep 30 – Graz (AT), PPC (ausverkauft)
Oct 01 – Linz (AT), Posthof (ausverkauft)
Oct 02 – Dornbirn (AT), Conrad Sohm (ausverkauft)
Oct 04 – Zürich, Switzerland, X-TRA (ausverkauft)
Oct 05 – Bern, Switzerland, Bierhübeli (ausverkauft)
Oct 06 – Erlangen, E-Werk (ausverkauft)
Oct 08 – Frankfurt am Main, Batschkapp (ausverkauft)
Oct 09 – Berlin, Huxley’s Neue Welt (ausverkauft)
Oct 10 – Münster, Skaters Palace (ausverkauft)
Oct 11 – Leipzig, Felsenkeller
Oct 13 – Dresden, Alter Schlachthof (ausverkauft)
Oct 15 – Magdeburg, Factory (ausverkauft)
Oct 16 – München, Zenith (ausverkauft)
Oct 18 – Rostock, M.A.U. Club (ausverkauft)
Oct 20 – Hamburg, edel-optics.de Arena (ausverkauft)
Oct 21 – Bremen, Pier 2 (ausverkauft)
Oct 22 – Kiel, Max Nachttheater (ausverkauft)
Oct 23 – Bielefeld, Lokschuppen (ausverkauft)
Oct 25 – Köln, Palladium (ausverkauft)
Oct 26 – Münster, Skaters Palace (ausverkauft)
Oct 27 – Essen, Weststadthalle (ausverkauft)
Oct 29 – Trier, Europahalle (ausverkauft)
Nov 01 – Luxembourg, Luxembourg, Rotondes
Nov 02 – Stuttgart, Im Wizemann (ausverkauft)
Nov 03 – Stuttgart, Im Wizemann (ausverkauft)
Nov 04 – Ravensburg, Oberschwabenhalle
Nov 06 – Hannover, Capitol (ausverkauft)
Nov 07 – Hannover, Capitol (ausverkauft)
Nov 08 – Fulda, Kulturzentrum (ausverkauft)
Nov 09 – Wiesbaden, Schlachthof (ausverkauft)
Nov 12 – Köln, Palladium (ausverkauft)
Nov 14 – Münster, Skaters Palace (ausverkauft)
Nov 15 – Berlin, Columbiahalle (ausverkauft)

Die Bildrechte liegen bei Warner Music International (Warner).

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