Manchmal braucht es vier Alben und mehr als zweihandvoll Singles, bis der ganz große Wurf gelingt. Bei Revolverheld war genau das 2013 endlich soweit. Natürlich gab es schon in den acht Jahren davor einige mehr oder weniger große Hits, die besonders in den Airplay-Charts punkten konnten. So richtig geklappt hat es dann aber tatsächlich erst mit „Immer in Bewegung“, das sich unglaubliche 98 Wochen in den Top 100 hielt. „Ich lass für dich das Licht an“ und „Lass uns gehen“ liefen auf Heavy Rotation. Als Krönung durfte dann die Hamburger Formation 2015 ein „MTV Unplugged“ einspielen, das musikalisch auch definitiv bis dato die beste Leistung der Jungs zeigt. Dass in der Tat schon einige Songs veröffentlicht wurden, die im Kopf geblieben sind, wird erst bei dem Durchlauf dieser Platte deutlich – ebenfalls die Livequalität.
Freitag, der 13. ist ja ein Tag, der schon beim Datum immer etwas Einprägsames mit sich bringt. Dachten sich wohl auch Revolverheld und wählten eben jenen im April als Veröffentlichungstermin für „Zimmer mit Blick“. Album Nr. 5 bietet 1:1 Musik nach dem Baukastenprinzip: 12 Songs, jeder Track zwischen 3:10 und 4:15. Da müssen die Radiostationen nicht mal kürzen, prima!
Machen wir uns und der Band nix vor – Revolverheld sind lupenreiner Radio-Pop. Das ist völlig ok so! Solche Bands brauchen wir ebenso. Die halt niemandem weh tun, nicht anecken und sowohl im Supermarkt beim Einkaufen als auch auf dem 40. Geburtstag laufen können. Trotzdem gibt es selbst dabei eine Kleinigkeit zu beachten: Der Grat zwischen „Cooler, eingängiger Radiosong, der Spaß macht“ und „Nervig, totgedudelte Melodie mit aneinandergereihten Plattitüden“ ist bekanntlich SEHR schmal – eben dieser Spaziergang auf Messers Schneide gelingt auch nur eingeschränkt.
Dabei geht das doch eigentlich ganz ordentlich los: Das Album startet mit vier echt guten Pop-Rockern, die gerne in den nächsten Monaten überall laufen dürfen. „Immer noch fühlen“ startet mit treibendem Beat und Ohrwurmrefrain, „Sieben Seelen“ präsentiert Uptempo mit etwas reduzierter Instrumentierung und erzählt von dem Hadern mit Charakterzügen des Partners, „Das Herz schlägt bis zum Hals“ gab es schon vor einigen Wochen vorab und macht gut Laune – und mit Track vier legen Revolverheld sogar ganz klar die beste Nummer der Platte hin. „Liebe auf Distanz“ beschreibt das kaum auszuhaltende Gefühl bei Fernbeziehungen und kreiert an einigen Stellen wirklich hübsche Bilder. Gefällt richtig gut!
Dann ist jedoch anscheinend auch schon die Luft raus: Das Mittelfeld könnte nichtssagender kaum ausfallen! Kennt ihr diese Menschen, die nur Pfannkuchen in der Küche hinkriegen? Mal mit Apfel, dann mit Nutella, manchmal mit Schinken/Käse. Letztendlich bleibt es aber Pfannkuchen. Ungefähr so fallen alle sechs Nummern aus, die auf „Zimmer mit Blick“ mittig positioniert sind. Das kennt man noch von Alben aus den 90ern: die ersten vier Lieder sind die potenziellen Singles und dann kommt nur noch Füllmaterial. Unsere Protagonisten singen dazu noch auf Deutsch und werden leider sofort vom Hörer verstanden, sodass eine Aneinanderreihung von Nullsätzen in „So wie jetzt“ und „Unsichtbar“ besonders stark ins Gewicht fallen. „Ich kann nicht aufhören unser Leben zu lieben“ hat einen etwas peinlichen 80s-Beat, „Du kannst auf mich zählen“ klingt nach „Lass uns gehen 2018“.
Revolverheld wagen NICHTS! NICHTS! Nicht ein einziges Mal. Das ist unglaublich schade, da gerade auf früheren Alben mal ordentlich gerockt wurde, akustische Nummern für Abwechslung sorgten oder auch mal elektrische Spielereien den Zuhörer lockten. Selbstverständlich bleibt Johannes Strates Bariton eine der markantesten Stimmfarben Deutschlands. Das ändert sich nicht – aber er bleibt zugleich so in der Comfortzone, dass das Erklimmen von kleineren Höhen in „Liebe auf Distanz“ und „Immer geliebt“ richtig guttut und einen aufhorchen lässt. „Immer geliebt“ schafft zum Rausschmeißer noch mal wachzurütteln und kann die ein oder andere Emotion in schöne Worte und eine wohltuende Melodielinie verpacken. Der Titeltrack zum Abschluss ist kurzzeitig weltpolitisch.
Radiomucke wird immer benötigt – und Revolverheld können die häufig überdurchschnittlich gut. Wer sie nicht mochte, wird das nach diesem Album genauso wenig tun. Selbst Fans könnten allerdings das erste Mal etwas gelangweilt sein. Die Nummer-Sicher ist eine Dreiviertelstunde lang einfach einen Tick zu viel. Zwei bis drei kreative Outputs und Risiko hätten einiges retten können. Fazit: Ziemlich genau die Hälfte ist gelungen bzw. eben nicht. Glas halbvoll oder halbleer? Ihr entscheidet. „Wir könn’ es immer noch fühlen“ – wir auch, aber das heißt nicht zwangsläufig immer dasselbe zu fühlen.
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