Mark Holley singt mit geschlossenen Augen und vor Spannung hochgezogenen Schultern in das vor ihm befindliche Mikrofon, setzt in den kurzen Pausen zwischen den Zeilen, die aus seinen Lippen hervorkriechen, immer wieder einige Schritte zurück um scheinbar neue Kraft zu schöpfen. Seine Stimme schwebt zwischen hauchdünnem, fast schon seichtem Säuseln und kräftigen, markerschütternden Schreien. Die zugegebenermaßen eher kleine Menge vor der Bühne ist gebannt, fast ehrfürchtig, niemand wagt sich auch nur ein Wort zu sprechen. Als die Zuhörer eine knappe Stunde später aus dem Raum in die warme Frühlingsnacht strömen, verbreitet sich das Gefühl Zeuge von etwas ganz Großem gewesen zu sein. Der langhaarige Herr bildet zusammen mit seinen Kollegen Tristan Jane (Bass) und Ant Thornton (Schlagzeug) die britische Band Black Foxxes – doch was macht die Gruppe so besonders?
Die neueste Welle des Emo-Genres wird in den letzten anderthalb Jahren mit Übergriffsvorwürfen nur so überschwemmt – man schaue sich nur die Anschuldigungen gegen Brand New Sänger Jesse Lacey oder auch zuletzt Sorority Noise Frontmann Cameron Boucher an. Den Fans wird – in einer Szene, in der psychische Probleme eh schon an der Tagesordnung und oft im Mittelpunkt stehen – mit der Musik dadurch eine oft wichtige Lebensstütze weggerissen. Gab die Musik der Künstler ihnen in der Vergangenheit Kraft und das Gefühl verstanden zu sein, stehen hinter dieser nun nicht mehr unterstütztenswerte Persönlichkeiten. Die Black Foxxes teilen sich musikalisch zwar nicht wirklich viel mit dem in letzter Zeit viel diskutierten Genre und stehen eher tief im Rock verwurzelt, ihr Sein umgibt jedoch ein ähnlich ehrlicher Ausdruck rauer, düsterer Emotion, die neben den Texten Holleys auch über seine einzigartig vielseitige Stimme vermittelt wird. Das Trio hat somit das Potential, vielen Menschen das zurückzugeben, was ihnen in letzter Zeit genommen wurde.
Das zeigen auch die Auftritte der Band, die im Rahmen ihres zweiten Albums „Reiði“ momentan erstmals durch Europa tourt. Mit im Gepäck hat man auch die Bloody Knees aus London, die durchaus unterhalten – vor allem auch Dank des lebhaften Sängers – sich aber nicht wirklich entscheiden können, ob sie eher Grunge- oder Brit-Pop-Fans sind. Die Hauptband des Abends ist sich da deutlich einiger, knallt den Gästen mal seichte, sehr melodievolle Passagen, mal kraftvolle Ausbrüche um die Ohren. Im Fokus der Performance steht natürlich Holley selbst. Klar, er schmeißt den Zuschauern ja auch sein durchaus chaotisches Innenleben vor die Füße. Die Rhythmusfraktion – wenn auch im Hintergrund – liefert jedoch das Grundkonstrukt, auf dem der Sänger, der neben psychischen Problemen auch mit der chronischen Darmerkrankung Morbus Crohn zu kämpfen hat, seine Darbietung aufbauen kann. Am Ende sitzt dieser mit Megafon bewaffnet auf dem Bühnenboden und schmettert dem Publikum die letzten Zeilen des flotten „JOY“ entgegen. Zwei Zugaben später blickt man auf eine aufwühlende Show zurück, fühlt sich gleichzeitig aber von all seinen Sorgen reingewaschen. Die Gruppe aus Exeter wird dieses Gefühl des Nach-Hause-Kommens in der Zukunft hoffentlich noch vielen weiteren Personen vermitteln dürfen. Gönnen kann man es jedenfalls nur jedem – sowohl der Band, als auch allen, die das aus nächster Nähe erleben dürfen.
Das Album „Reiði” kannst du dir hier kaufen.*
Und so hört sich das an:
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Black Foxxes live 2018:
17.04. – München, Strom
19.04. – Hasselt, Cafe Cafe (BE)
Das Foto ist von Jonas Horn.
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