Schwer zu glauben, doch Robbie Williams bringt 2019 tatsächlich sein erstes Weihnachtsalbum auf den Markt. Ja, man schaut etwas verdutzt, wenn man über diese Info stolpert, aber The Christmas Present ist in der über 20 Jahre andauernden Solokarriere des Engländers der erste Longplayer, der sich um die besinnliche Zeit im Dezember dreht. Zwar gab es mit „Somethin‘ Stupid“ im Duett mit Nicole Kidman bereits 2001 einen Song, der nach Weihnachten aussah und klang und gleich zwei Swing-Alben – das erste, „Swing When You’re Winning“, ist bis heute eins seiner zwei erfolgreichsten Alben –, aber so richtig ans Eingemachte geht es erst jetzt.
Robbie scheint einiges aufholen zu wollen. Mit 92 Minuten und gleich 28 Songs auf der Deluxe-Version (die Standard enthält vier Tracks weniger) gibt es die volle Ladung X-Mas-Lala. Die teilt sich in zwei Hälften auf, die im Sound jeweils einem relativ eigenen Konzept folgen. Gemeinsam haben beide Platten, dass sich Neukompositionen und Cover von Classics abwechseln.
Das zwölfte Studioalbum von dem Ex-Take That-Member beginnt mit seiner quasi dritten Swing-Veröffentlichung. Chöre, Glocken, Streicher – ein Sprung in die 50s, der sich nicht weniger als perfekt mit der Stimme von Robbie deckt („Coco’s Christmas Lullaby“). Die Atmosphäre ist innerhalb von Sekunden hergestellt. Grade das Opening mit „Winter Wonderland“, „Let It Snow“, „The Christmas Song“ und dem Jamie Cullum-Duett „Merry X-Mas Everybody“ macht alles richtig. Klingt zwar ordentlich nach dem Dauerbrenner-Weihnachtsalbum von Michael Bublé und nicht neu, aber besser gut gezockt, als schlecht selbstgemacht.
Neugeschriebene Weihnachtssongs haben es bekanntlich schwer. Man hat gerade einmal fünf Wochen, um Weihnachtsmusik ertragen zu können (oder auch dürfen) und entscheidet sich doch lieber für seine etablierten Favoriten, um Nostalgie und Melancholie herbeizurufen, statt sich an neue Melodien zu wagen. Robbie gibt sich durchaus Mühe und probiert sich mit eigenen Erzählungen zum rotnasigen Rentier („Rudolph“) oder ironischen Liebesliedchen („Let’s Not Go Shopping“) als Storyteller. Das geht als stimmige Hintergrundbeschallung beim Heilig Abend-Schmaus gut als Easy-Listening durch, hat aber mit wirklicher Aufmerksamkeit beim Zuhören zu wenig Eigenständigkeit.
Williams hat sich einige Features eingeladen. Neben dem bereits erwähnten Jamie Cullum tauchen unter anderem Rocklegenden wie Rod Stewart und Bryan Adams auf. Doch damit nicht genug. Als spezielles Lebkuchenleckerli gönnt sich Robbie noch Helene Fischer. Ein Zusammentreffen der… besonderen Art!? Bereits nach den ersten gesungenen Noten wird deutlich, dass hier wohl bei den Aufnahmen eher ein Aphrodisiakum statt Rum im Glühwein war – Helene stöhnt sich übertrieben lasziv durch „Santa Baby“ und verführt zum Skippen.
Platte Zwei wagt den Blick Richtung Pop/Rock, hält sich aber auch größtenteils ordentlich zurück. So richtig treibend nach vorn geht es selten – schade eigentlich. Zwar gibt es in „Time For Change“ typische hymnenartige Refrains, wie man es von Mr. Williams gewohnt ist, doch grade der Kontrast zum Swing-Teil hätte noch deutlichere Konturen verdient. Highlight aller selbstgeschriebenen Titel ist „Idlewild“. Straighter Pop mit starker Hook, zu dem sich vor dem inneren Auge gleich die Tassen zum Anstoßen im Freundeskreis heben. Leider erreicht diese Durchschlagskraft ansonsten keiner der Songs in der zweiten Hälfte. „Happy Birthday Jesus Christ“ ist textlich witzig, ansonsten aber unspektakulär. Bei „New Year’s Day“ scheint sich Robbie schon fast selbst zu langweilen. Das an 80s-New-Wave angelehnte „Soul Transmission“ hat Potenzial für einen sentimentalen, persönlichen Jahresrückblick. Nett. Insgesamt fällt der poppige im Vergleich zum swingenden Part jedoch schlechter aus.
Trotz der wunderbaren Produktion von Guy Chambers, die für einen tollen, aufwendigen Klang steht, geht The Christmas Present als übertriebenes 5-Gang-Menü durch, das mit mehr Essenz und weniger Umfang besser funktioniert hätte. Drei Jahre nach dem letzten Album „Heavy Entertainment Show“ bringt Robbie Williams das für Fans längst überfällige Geschenk zur most wonderful time of the year, bleibt aber doch zu oft hinter den Erwartungen zurück.
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