Matt Berninger ging es überhaupt nicht gut. Trotzdem musste der 52-Jährige Songs für das neue Album seiner Band The National schreiben. Kein leichtes Unterfangen, also schrieb er einfach Songs darüber, wie schwer es seinem von Depressionen geplagten Kopf fällt Songs zu schreiben und performen. “First Two Pages Of Frankenstein” nun sammelt die Ergebnisse dieses Prozesses mit einer Dringlichkeit, die die Musik von The National bislang nicht kannte.
Dabei ist aller Anfang bedächtig. Ein sattes Piano im Klimper-Klang, voll im Sound, weit im Raum. Feinfühlig und erhaben darüber Berningers warmer Bariton. “Don’t make this any harder”, die ersten Worte, gerichtet an sich selbst, eine Aufforderung die Blockade im Kopf endlich aufzulösen, bereit an Bühnen und Songs heranzutreten. Irgendwann dann stößt Sufjan Stevens zu Berninger, den engelsgleichen Choral erschaffend. Viel mehr lässt “Once Upon A Poolside” nicht geschehen. Stimme und Klavier, mehr gibt es nicht, mehr braucht es nicht.
“Eucalyptus” dann ist The National typischer. Ein Stück über das Ende einer Beziehung und das – man kennt es – Ringen um gemeinsame Habseligkeiten. Ein hibbeliger Drumloop, variiert vor allem in Dynamik, nicht in Rhythmik. Grundsätzlich bleiben die Songs der Band um Berninger und die Geschwister Devendorf und Dessner gradlinig, schlagen wenige Haken. Wenn es doch mal nach mehr als einem vorsichtigen Körperzucken bedarf, dann erst nach langer, mühsamer Konstruktion. “Eucalyptus” bedient sich dem, aber auch “Alien” später. Devendorf – der Zweite, am Schlagzeug – dort mühsam einen Beat zusammenfügend, nur hier und da ergänzend, hintenraus dann nahezu überschlagend. Ein wenig erinnernd an die “Boxer”-Tage.
Berninger verhandelt Momente und Lebenslagen, bespricht Persönliches, universell verpackt. Besonders ergreifend ist das auf “Your Mind Is Not Your Friend”, angeführt in perfekter Dissonanz von einem verstimmten Piano. “Your imagination is an awful place”, heißt es dort. Einen Umstand auf den Punkt gebracht, den Vieldenker*innen wohl zu gut kennen. Es bleibt nicht bei Stevens eingangs erwähnten Gastbeitrag. Gleich zweifach ist Phoebe Bridgers zu hören (so auch in “Your Mind Is Not Your Friend”), unterstützend, Berningers tiefer Tonlage eine lichte Nuance beifügend. Namenhaft ist auch eine andere Kollaboration: “The Alcott”, ein Song über eine langjährige Beziehung und die Suche nach der gemeinsamen Ebene, bringt Berninger mit Taylor Swift zusammen, die weitläufige Harmonien und hier und da eine Zeile beisteuert.
So in sich gekehrt “First Two Pages Of Frankenstein” beginnt, schließt es auch. “Send For Me” schunkelt die Band behutsam über die Ziellinie. Es bleibt ein besonderes Album. Vielleicht – nein: hoffentlich – findet sich darin zumindest etwas Tröstliches.
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The National live 2023:
30.09. – Berlin, Max-Schmeling Halle
01.10. – München, Zenith
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