Amerika, das ist Konsum, scheinbar unendlich viele Geheimdienste, Patriotismus, eine riesige Sexindustrie, Multikulturalismus, politische Wahlen als inszeniertes Abendunterhaltungsprogramm, Liberalismus, Krieg, Lobbyismus, Wettkämpfe (und natürlich sehr viel mehr). Thirty Seconds To Mars um Schauspieler Jared Leto haben sich für ihr fünftes Album als Aufgabe gemacht zu vertonen, wie das vielschichtige Amerika im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts aussieht und versucht, einen Querschnitt über die Dinge, die die Menschen, die dort leben, momentan bewegen, die angesagt sind und das Land auszeichnen, zu geben. Das Trio hat dafür gleich sechs verschiedene, sehr simple Cover entwickelt – jedes bestehend aus einer Liste thematisch zusammenhängender Elemente, die einen Teil des amerikanischen Zeitgeschehens abbilden sollen. Die Fans haben zudem die Möglichkeit im Internet ihre eigenen Listen zusammenzustellen.
Stilistisch schließt man sich auf seinem vierten Album seit dem Durchbruch dem an, was an angesagter Pop-Musik in den letzten Jahren regelmäßig aus den USA exportiert wurde. Hier treffen viele elektronische Trap-Beats auf oft seichte Synthesizer, sehr reduzierte Gitarrenparts, bombastische Bläsereinsätze, Autotune und sehr warme digitale Bässe. Das wirkt vor allem durch seine sehr detailreiche Produktion nicht so billig, wie der Großteil des doch sehr einfach gehaltenen Mainstream-Mülls, der mittlerweile in Massen in das Radio gelangt. Leto und Co. übertreiben es mit dem hohen EDM-Gedudel auf Albumlänge jedoch schon ein wenig. Gleich dreimal bekommt der Hörer derartige, nicht wirklich innovative Motive, die über zum tanzen einladende Parts gelegt werden, auf die Ohren. Schon bei „One Track Mind“ wirkt dies etwas übernutzt, der Song wird dann aber durch ein dem Sound eine weitere Perspektive hinzufügendes Gitarrensolo unterhaltsam gehalten.
Auch „Monolith“, der für Thirty Seconds To Mars fast schon obligatorische Schlagzeug-Track – diesmal ausnahmsweise nicht als Intro – , bietet eine angenehme Abwechslung, obwohl sich der doch immer sehr ähnliche Schlagzeugbeat beim dritten Werk in Folge vielleicht schon etwas abnutzt. „Live Like A Dream“ bringt ebenso einige bekannte Elemente und könnte soundmäßig am ehesten noch vom Vorgänger „Love Lust Faith + Dreams“ stammen. Bei „Remedy“ – auf Akustik-Gitarre und Klavier reduziert – übergibt Leto den Gesangspart an eine, noch unbekannte Person. Zumindest klingt die dargebotene Gesangsperformance dort so überhaupt nicht nach dem schauspielenden Herren, der ein eigentlich recht markantes Stimmorgan aufweist. Entweder man hat sich hier echt einen noch nicht angekündigten Feature-Gast mit ins Boot geholt oder die Stimme Letos wurde gänzlich entfremdet. Mit „Rider“ findet das Album dann nach knapp 42 Minuten ein sehr überspitzt theatralisches Ende, dessen Text sich fast wie eine Abschiedsnachricht liest. Der Track gehört neben dem basslastigen „Hail To The Victor“ zu den gelungeneren Experimenten der Platte.
Das Konzept, das Thirty Seconds To Mars mit ihrem fünften Langspieler anpeilen, ist interessant. Gerade die Listen und der Sound geben einiges darüber her, was das Land der unbegrenzten Möglichkeiten in den Jahren 2017 und 2018 bietet. Leider drehen sich die Texte hauptsächlich um die Liebe und den vielen damit verbundenen Konflikten, also ebenfalls einer in der Pop-Musik der Vereinigten Staaten sehr häufig genutzten Thematik. Hier wäre es vielleicht interessant gewesen, den Fokus auf die Vielfalt der vorherrschenden Kulturen zu legen. Außerdem scheint Leto an einigen Momenten zu vergessen, dass es sich bei Thirty Seconds To Mars um eine Band und nicht um ein Solo-Projekt handelt. Fans, die ein Rock-Album erwarten, werden mit „America“ bitterlich enttäuscht zurückgelassen. Wer sich jedoch auf die neue Soundausrichtung, die auch schon die letzten Platten angedeutet hatten, einlassen kann, der wird ein Stück Musik präsentiert kriegen, das, wie auch die USA selber, seine guten und schlechten Seiten aufweist.
Das Album „America” kannst du dir hier bestellen.*
Und so hört sich das an:
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Thirty Seconds To Mars live 2018:
17.04. – Wien, Stadthalle (AU)
02.05. – Hamburg, Barclaycard Arena
03.05. – Berlin, Mercedes-Benz Arena
04.05. – Köln, Lanxess Arena (verlegt!)
01.06./02.06. – Rock am Ring / Rock im Park
22.08. – Dresden, Messe Halle 1
27.08. – Freiburg, Messe
01.09. – Graz, Stadthalle (AU)
05.09. – Hannover, TUI Arena
06.06. – Luxemburg, Rockhal (LUX)
Die Rechte für das Albumcover liegen bei Universal Music.
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