Als Lady Gaga mit ihren Hits “Poker Face”, “Bad Romance”, “Paparazzi” oder “Just Dance” in allen Ohren, auf allen Tanzflächen und in allen Autoradios ein fester Bestandteil war, hätte wohl jede*r lauthals gelacht, wenn die New Yorkerin als nächstes ein Jazz-Album angekündigt hätte. Mehr als ein Jahrzehnt später gehört diese News jedoch bereits zur “Hatten wir das nicht schon mal?”-Kategorie und ist eine Selbstverständlichkeit.
Ja, die Frau hat ihr riesiges Talent und ihr schier endlos erscheinendes Facettenreichtum mehrmals unter Beweis gestellt. Ob mitreißender Dance-Pop mit Gay-Hymnen-Appeal, ein Country-Album, Musical-Performances beim Oscar, sensationell emotionale Filmauftritte – Grenzen gibt es kaum in der Welt der schillernden Lady. Und so konnte sie sich bereits 2014 einen ihrer größten Träume erfüllen, eben eine Jazz-Platte zu machen. An ihrer Seite niemand geringeres als Tony Bennett, der hierzulande wohl nur Liebhaber*innen des Genres ein Name ist, defacto aber mit seinen rund 50 Millionen verkauften Tonträgern in den USA zu den Größten seines Fachs zählt – und übrigens zu den ältesten.
Denn der ebenfalls in New York geborene Entertainer ist diesen August stolze 95 Jahre alt geworden. Wo andere bereits drei Dekaden den Ruhestand zelebrieren, entscheidet sich Bennett in seinem hohen Alter dazu, nochmal eine LP aufzunehmen und damit endgültig seine seit 70 Jahren – was eine Zahl – laufende Karriere mit einer guten Freundin zu beenden. Lady Gaga und Bennett tun es also ein zweites und letztes Mal, und liefern mit Love For Sale einen würdigen Abschluss für eine lange, lange Showbiz-Ära. Wer kann von den Lebenden noch behaupten, mit Frank Sinatra dicke gewesen zu sein?
Um den Charme von Love For Sale nicht nur auditiv sondern auch visuell richtig fühlen zu können, ist ein Einblick in die Studioaufnahmen nur empfehlenswert. Die Zuneigung und Sympathie, die Lady Gaga und Tony Bennett füreinander empfinden, ist dermaßen rührend und herzerwärmend, dass man gar nicht anders kann, als ihnen lächelnd zuzuschauen. Ins Besondere, wenn man von Bennetts seit 2015 diagnostizierten Alzheimer-Krankheit weiß, die sich bekanntlich jährlich nur verschlechtert, hat der Moment etwas Bittersüßes. Und ja, die Musik von Love For Sale ist wohl für waschechte Jazz-Fans nicht das Ding aller Zeiten, aber ein kleines, feines Erlebnis, das dem Naschen von Lindt-Pralinés gleicht. Hat man so schon mal gekostet, ist also keine riesige Bereicherung fürs Gusto, schmeckt aber dennoch zu fast jeder Gelegenheit – auch mal zwischendurch.
Der Vorgänger “Cheek to Cheek” schaffte übrigens gleich 30 Wochen in den USA-Albumcharts zu verweilen, kurzzeitig auch die Pole zu beanspruchen, eine Gold-Platte und obendrauf einen Grammy als “Best Traditional Pop Vocal Album” zu kassieren. Demnach ist es nur eine logische Konsequenz, eine Fortsetzung zu liefern, solange der Tony es noch kann und auch noch liebt. Und ja, er kann. Ganz besonders gesanglich ist auch der zweite Durchlauf der Beiden ein wundervoll stimmiges, rundes und stilvolles Tête-à-Tête, das harmoniert.
Inhaltlich orientiert sich, wie es der Titeltrack schon andeuten mag, Love For Sale an der Legende Cole Porter, einem der größten Komponist*innen aller Zeiten, auch im Nachgang. Diverse Classics aus seinem Repertoire finden hier Platz und Gaga und Bennett präsentieren sie mit Gefühl und Leichtfüßigkeit. Unterstützt werden die Protagonist*innen von Big Bands- und Orchester-Einlagen, die voluminös aus den Boxen schallen und selbstredend perfekt produziert sind. Aufgenommen wurde in einem Zeitraum von fast drei Jahren in den Electric Lady Studios in der Heimat der Beiden, nämlich NYC.
Anspieltipps sind das entzückende Opening “It’s De-Lovely”, das flirty-romantische “I’ve Got You Under My Skin”, Gagas traumhaftes Solo “Do I Love You”, das klingt, wie aus der Zeit gefallen und ebenso Bennetts swingiges “Just One Of Those Things”. Gepatzt wird hier zu keiner Sekunde, stattdessen einfach eine gemeinsame Leidenschaft in allen Zügen genossen.
Eine Freundschaft, deren Ablaufdatum leider nur eine Frage der Zeit ist. Bis dahin kann man Lady Gaga und Tony Bennett nur viele schöne gemeinsame Momente wünschen. Seinen musikalischen Abgang hätte der Herr wohl nicht charismatischer begehen können.
Hier bekommst du das Album physisch und hier digital.*
Und so hört sich das an:
Lady Gaga: Website / Facebook / Instagram / Twitter
Tony Bennett: Website / Facebook / Instagram / Twitter
Die Rechte fürs Cover liegen bei INTERSCOPE / UNIVERSAL MUSIC.
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