Bat Out Of Hell – The Musical, Capitol Theater Düsseldorf, 20.12.2022

schlussapplaus bei bat out of hell in düsseldorf

Einige Künstler*innen werden erst nach ihrem Tod zu Legenden – andere hingegen sind es bereits nach ihrem Durchbruch. Meat Loaf scheitert 1971 im Alter von 24 Jahren mit seinem Debüt zwar auf vollster Linie, wird jedoch in seiner Rolle des Eddie in der Rocky Horror Show und dem dazugehörigen Film schnell zum gefeierten Rockstar. 1977 nimmt er in Kooperation mit dem bis dahin unbekannten Komponisten Jim Steinman ein Album auf, das Musikgeschichte schreibt – Bat Out Of Hell ist bis heute Platz 5 der meistverkauften LPs aller Zeiten. Vier Dekaden später kommt es als Musical auf die Bühne.

Fünf weitere Jahre später, am 20.12.22, einem Dienstag, geht im Düsseldorfer Capitol Theater das Licht aus, um das von Jim Steinman persönlich geschriebene Stück aufzuführen. Musik, Texte, Story – alles kommt aus der Feder des in New York geborenen Rockgiganten, der unzählige der allergrößten Rockhits geschrieben und produziert hat. Die ganz dicken Erfolge für Bonnie Tyler („Total Eclipse Of The Heart“, „Holding Out For A Hero“), ein Meilenstein von Céline Dion („It’s All Coming Back To Me Now“), einer von Take That („Never Forget“), einer von Boyzone („No Matter What“) und quasi alle von Meat Loaf wurden durch seine Hände Welterfolge, die auch heute noch jede*r kennt. Ja, jede*r. Hits mit einer Durchschlagskraft und einem so eigenwilligen Sound, dass sie jedes Mal erneut erschlagen. Er wird 1947 zwei Monate nach Meat Loaf geboren, mit dem er Rekorde aufstellt. Zeitlebens besteht eine Art Hassliebe zwischen den Beiden. Künstlerische Differenzen sind an der Tagesordnung, trotzdem kreuzen sich die Wege immer wieder, weil sie einander so verehren. Im April 2021 verlässt Steinman die Welt – neun Monate später folgt Meat.

Beide haben somit die 2017 stattgefundene Uraufführung der Liveadaption ihres Babys, dem sagenumwobenen Bat Out Of Hell, das sich trotz gerade einmal sieben Songs über 43 Millionen Mal verkaufte, noch miterleben dürfen. Im März 2017 startet das Musical in Manchester, nur wenige Wochen später kommt es ins größte Theater an den Londoner West End, wo es jedoch erstaunlicherweise nur gerade einmal zwei Monate überlebt. Im zweiten Anlauf hingegen hält es etwas länger durch. Umso kurioser, dass sich Stage Entertainment für Deutschland die Rechte krallt – Stage setzt ansonsten gern auf Sicherheit und kaum auf Wagnis – und Bat Out Of Hell im November 2018 als vorletzte Produktion im Metronom Theater Oberhausen startet. Der Erfolg? Auch eher mäßig. Die Derniere ist im darauffolgenden September.

Dennoch besitzt das an die Geschichte von „Peter Pan“ angelegte, gleichzeitig aber auch an „Romeo & Julia“ erinnernde Rockmusical eine treue Fangemeinde, die immer wieder die hier und dort aufgeführten Vorstellungen besucht. Seit September 2019 wird getourt. Zunächst durch UK, nun fiel mit Düsseldorf der Startschuss für andere europäische Länder. Im April folgt Österreich, im Mai die Schweiz. Parallel spielt man gegenwärtig in Las Vegas, bevor man nächsten Monat nach Australien und Neuseeland weiterreist. Das Interesse ist somit da, schließlich ist allein schon der Titel sensationelle Musik in den Ohren.

Doch warum holt man ein Stück nach Deutschland zurück, das vor gar nicht all zu langer Zeit eher semi lief – und das nur einige Kilometer von Düsseldorf entfernt? Weil man andere Akzente setzt. Ein großer Kritikpunkt bei der Oberhausener Inszenierung war die deutsche Übersetzung von Songtexten. Meat Loaf und Jim Steinman haben mit ihrem ersten gemeinsamen Album, aber auch mit dem in den 90ern folgenden „Bat Out Of Hell II: Back Into Hell“ musikalische Monster erschaffen, die man, wenn sie denn schon in einem Musical adaptiert werden, auch richtig hören möchte. Selbst wenn deutsche Lyrics helfen, um die Story voranzutreiben, so geht doch gleichzeitig ein großer Genuss und besonders das getriggerte Nostalgie-Feeling gehörig flöten. Fehler, die jetzt ausgemerzt werden, indem BB Promotion 15 Aufführungen in Originalsprache zeigt, und das mit der Cast vom Londoner West End.

Von den rund 1100 Plätzen im Capitol sind mehr als drei Viertel besetzt, obwohl es sich um einen Dienstag im finalen Vorweihnachtsstress handelt. An manchen Stellen hört man bereits Menschen auf anderen Sprachen als Deutsch sprechen, schließlich sind die Chancen, um Bat Out Of Hell – The Musical auf Englisch zu sehen, begrenzt. Diejenigen, die bereits in Oberhausen dabei waren, interessiert es wahrscheinlich brennend, was angepasst wurde, und ob es sich lohnt, erneut ein Ticket zu kaufen.

Doch zuvor nochmal ein kurzer Exkurs in die dystopische Story. Die Welt steht kurz vor ihrem Ende. Draußen herrscht Anarchie. Falco probiert Obsidian, das man früher als Manhattan kannte, zu kontrollieren und zu regieren, was ihm aber nur bedingt gelingt. Die Ehe zu seiner Frau Sloane ist schwierig, seine Tochter Raven zieht es immer mehr in die Untergründe der Stadt, da sie sich Hals über Kopf in den für immer 18 bleibenden Rebellen Strat verliebt. Der ist Teil der „Losts“, einer Gruppe junger Menschen, die probieren zu überleben und eine Revolution starten wollen.

Zugegeben: Die Story ist nicht die kreativste. Vieles erinnert an das äußerst miserable „We Will Rock You“, das aber ansonsten in jeder Hinsicht den Kürzeren zieht. Sowieso ist Bat Out Of Hell – The Musical in sehr, sehr vielen Punkten extrem gut. Wer es in Düsseldorf sehen darf, sollte vor allen Dingen von drei Aspekten buchstäblich weggeblasen werden: Den schlichtweg perfekten Kompositionen, der fantastischen Besetzung und dem wunderbar knallenden Sound.

Jukebox-Musicals – also Shows, in denen bereits etablierte Titel verwendet werden – machen es sich natürlich ein bisschen einfacher. Die Hits sind den Zuschauer*innen bekannt, sie lieben sie, bevor sie den Saal betreten. Gleichzeitig stellen sie dadurch aber natürlich eine hohe Anforderung und vergleichen gnadenlos. Die Geschichte drumherum ist mal konstruierter, mal stimmiger. Bei Bat Out Of Hell ist die Story zwar nicht reif für einen Drehbuch-Oscar, dafür aber im Einklang zur Musik. Die ist laut, pompös, orchestral, theatralisch, dramatisch, pathetisch, tief berührend, herausfordernd und sehr schwer nachzusingen. Eine achtköpfige Band ist zwar längst kein philharmonisches Orchester, aber das, was Iestyn Griffiths mit seiner Crew hier raushaut, erweckt das Gefühl, viel mehr Instrumente zu hören. Hervorragend im Ton abgemischt und ordentlich aufgedreht, fliegen einem die Ohren weg – was aber genau richtig so ist.

Denn nur mit voller Power und einem Fluss purer Energie springt der Funke über – und das tut er in Düsseldorf nach wenigen Minuten. Bereits in dem eröffnenden „All Revved Up With No Place To Go“ ist man so tief in dem rockigen Klanggewitter drin, das von der 18-köpfigen Cast zunächst 60, dann 70 Minuten fast durchweg perfekt vorgetragen wird. Das liegt zu großen Teilen an der unvergleichlichen Vorlage: Aus dem ursprünglichen Album sind alle Songs vertreten, zuzüglich einigen Hits aus dem zweiten „Bat Out Of Hell“-Werk mit Meat Loaf (1993), plus einigen unbekannteren Jim Steinman-Songs. Dass sämtliche Werke von einem Komponisten stammen, merkt man. Der Sound ist wunderbar homogen und wirkt nicht zu einer Sekunde konstruiert. Stattdessen folgt Ohrwurm auf Ohrwurm, Bombastrefrain auf Bombastrefrain.

Doch jede noch so gute Vorlage steht und fällt mit der Interpretation. Eine gut eingespielte Cast, die sich aus neuen Mitwirkenden – Katie Tonkinson tritt an jenem Abend erstmalig als Raven auf – sowie Personen zusammensetzt, die die Figuren auch schon 2017 zur Welturaufführung mimen durften – Rob Fowler als Falco und Sharon Sexton als Sloane sind also die originalen Darsteller*innen – jagt Düsseldorf ohne Verschnaufpause durch zwei äußerst kurzweilige Stunden. Fowler ist im Vergleich zu Alex Melcher, den man aus der deutschsprachigen Produktion kennt, lieber und klassischer. Rockfans werden da womöglich Melcher bevorzugen. Sexton als Sloane hingegen spielt viel abgeklärter und abwesender als eine doch sehr zickige Willemijn Verkaik. Das perfekte Gesamtpaket kommt jedoch von dem Flaggschiff namens Glenn Adamson, der bei jedem Solo, ganz besonders aber bei dem Titelsong, eine Performance abliefert, als ob die Rolle für ihn erarbeitet wurde. Was für eine Kraft, was für ein Aus-Sich-Herauskommen. Atemberaubend gut.

Eine Tourproduktion, die lediglich zwei gute Wochen verweilt, kann nicht dasselbe auffahren, was eine Produktion für Monate kann. Dafür schneidet das ordentlich verkleinerte Bühnenbild dennoch gut ab. Man muss sich zwar von einem Eintauchen ins Wasser und einem in den Graben fahrenden Auto verabschieden – Feuer, ordentliches Licht, viel Rauch und schönes Konfetti gibt es trotzdem. Viel mehr braucht Bat Out Of Hell – The Musical aber auch gar nicht, lebt es doch eben durch seine Dynamik, die hier vollends durchkommt.

Etwas schade: Das Stück wurde in den letzten Jahren an einigen Stellen gekürzt. „In The Land of the Pig, The Butcher is King“ als Opening im zweiten Akt ist komplett gestrichen. „It Just Won’t Quit“, das in der ersten London-Rutsche gespielt wurde, findet auch bei der Tour kein Comeback. „Good Girls Go To Heaven (Bad Girls Go Everywhere)“ fungierte 2021 in UK als Zugabe, hier ist die Zugabe eine Reprise von „Bat Out Of Hell“. Dafür sind aber die unglaublich intensiven Gänsehautmomente „Objects in the Rear View Mirror“ – das es bekannterweise als „Die unstillbare Gier“ auch in dem anderen von Steinman komponierten Musical „Tanz der Vampire“ zu hören gibt -, „It’s All Coming Back To Me Now“, der All-Time-Classic „I’d Do Anything For Love“ und das nahezu völlig unpopuläre, aber im Musical als geheimer Fanfavorit gehandelte „What Part Of My Body Hurts The Most“ Highlights am Fließband.

Bat Out Of Hell – The Musical ist sicherlich nicht das Musical, was man jedem empfehlen kann. Es ist etwas naughty, ein wenig abgefucked, heruntergekommen und laut. Meat Loaf– und Jim Steinman-Freund*innen kamen allerdings ewig nicht mehr in den Genuss, diese unvergleichlichen Songs auf deutschem Boden so gut zu hören. Denn, mal ehrlich: Meat Loaf konnte die in den letzten zehn Lebensjahren auch nicht mehr singen. Diejenigen, die hier auftreten, können es. Und zwar sehr, sehr gut. Ein Genuss für die Ohren und ein daraus entstehender Rausch, den man mitnehmen sollte, bevor es zu spät ist – denn wer weiß, wann dieses zu unrecht stiefmütterlich behandelte Musical das nächste Mal den Weg hierher findet. „Like a bat out of hell, I’ll be gone when the morning comes.“

Und so sieht das aus:

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Bild von Christopher

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