Let’s Dance – Die Live-Tour 2022, Rudolf Weber-ARENA Oberhausen, 04.11.2022

Und so wird aus einer Idee eine kleine Tradition: Als Let’s Dance erstmalig für 2019 eine Live-Tour ankündigte, waren die Fanherzen weit geöffnet. Eine der beliebtesten deutschen Fernsehshows des laufenden Jahrhunderts reist durchs Land, sodass plötzlich über 100.000 Menschen ungefiltert zuschauen können und nicht nur ein paar Hundert, die ins TV-Studio kommen dürfen. 2022 geht man schon in die dritte Runde und wuppt die riesige Produktion mit links.

2019 die erste Tour, 2022 die dritte? Jawohl, Corona-bedingt musste 2020 ausgesetzt werden, was jedoch den Zuschauer*innen nur entgegen kam. Waren es 2019 aus der damligen Staffel 12 noch fünf sehr unterschiedlich talentierte Teilnehmende, die im November nicht allzu viele Termine im Kalender hatten, sowie Rebecca Mir als Special Guest aus Staffel 5, die nach zehn Jahren mit ihrem Mann Massimo Sinató ein Tanzcomeback präsentierte, gab es 2021 nur die Crème de la Crème. Man konnte schließlich aus zwei Staffeln wählen, da die Show auch während Corona auf RTL weiterhin stattfinden durfte, sodass bei der Live-Tour die Top 4 aus 2020 mitwirkte – Moritz Hans als Zweitplatzierter und Tijan Njie als Viertplatzierter wechselten sich bei einigen Shows ab – sowie die komplette Top 3 aus 2021. Das hatte zur Folge, dass es einige Tänze zu sehen gab, bei denen der Unterschied zwischen Profi und Promi nur noch marginal wahrzunehmen war.

Dieser Joker ist allerdings 2022 aufgebraucht. Bei der Let’s Dance – Live-Tour 2022 wird nur aus dem Topf einer Staffel geschöpft, nämlich der, die im Frühjahr auf RTL lief. Da man weiterhin sechs Paare zeigen möchte, ist es somit nicht mehr möglich, nur die Finalist*innen, welche sich stets aus drei Paaren zusammensetzen, zu zeigen – es braucht noch drei weitere Konstellationen, die nicht so gut abgeschnitten haben. Trotz schlechteren Platzierungen sind in diesem Jahr dennoch größtenteils nur die dabei, die bei den Zuschauer*innen, welche schließlich mit dem Televoting 50 Prozent des Ergebnisses ausmachen, besonders gut ankamen. Somit ist die Cast 2022: René Casselly (1. Platz), Janin Ullmann (2. Platz), Mathias Mester (3. Platz), Sarah Magione (5. Platz), Mike Singer (7. Platz) sowie Bastian Bielendorfer (6. Platz) im Wechsel mit Timur Ülker (8. Platz). Lediglich Amira Pocher (4. Platz) lässt sich auf der 22 Gigs umfassenden Tour – das ist nochmal eine Show mehr als 2021 und gleich fünf mehr als 2019 – gar nicht blicken.

22 Mal die größten Hallen Deutschlands. Läuft bei Let’s Dance. Hat der November schließlich nur 30 Tage und ist ab und zu mal ein Tag Pause auch wirklich vonnöten, beginnt die Tour erstmalig schon an Halloween am 31.10., das Finale wird erneut am 1. Advent gefeiert, das ist in diesem Jahr der 27.11. 22 Shows in 28 Tagen ist äußerst sportlich. Die Erfahrungen der letzten beiden Tourneen zeigen aber, dass alle dermaßen Bock haben, sodass bis zum Ende durchgezogen wird und die Qualität bei den letzten Runden nicht abfallen muss.

Oberhausen ist in diesem Jahr am Freitag, dem 4.11., Show Nummer 4. Daniel Hartwich, der selbstverständlich erneut gekonnt und stilecht die Tour moderiert, witzelt etwas betrübt darüber, dass die einzige Halle Deutschlands, die ein Bier im Namen trug, nun nicht mehr so heiße. War es 2021 noch die KöPi, spielt man nun in der Rudolf Weber-ARENA. Das macht die mittlerweile 44-jährige Allzweckwaffe RTLs traurig – ansonsten zieht der Host mit solider Laune und etwas mehr auf den Rippen, was ihm aber sehr gut steht, durch und bringt Oberhausen in good vibes.

Bastian Bielendorfer und Timur Ülker teilen sich unter den Promis die 22 Gigs Fifty-Fifty – bei der Jury muss ebenso wieder bei einigen Shows gewechselt werden. Sieht man Jorge González und Joachim Llambi immer, finden erneut vier Auftritte ohne Motsi Mabuse statt, die samstagsabends im englischen TV-Format „Strictly Come Dancing“ in der Jury sitzt. An diesen Tagen springt Isabel Edvardsson als Vertretung ein. In Oberhausen ist aber quasi die „First Cast“ am Start, sodass sich rund 8000 Zuschauer*innen – bis auf ein paar Plätze im Oberrang ist die Halle ausverkauft – auf Bielendorfer und Mabuse freuen dürfen.

Bei den Profis, die seit Jahren fast schon mehr Anhänger*innen besitzen als viele Promi-Teilnehmende, darf man erstmalig Publikumsfavoritin Ekaterina Leonova zujubeln. Die hat nach zwei Staffeln Abstinenz mit Bastian Bielendorfer zwar die Gurke der Saison, dafür aber jemanden an der Seite, mit dem sie mal ihre äußerst witzigen Charakterzüge präsentieren kann. Das klappt auch in Oberhausen prächtig, sodass viele Lacher im Saal auf die Kosten von Bielendorfer und seiner bemitleidenswerten Leonova gehen. Massimo Sinató ist abermals verhindert, Christian Polanc zum wiederholten Male nicht dabei – übrigens das einzige sehr bekannte Profi-Gesicht, das sich noch nie auf der Tour gezeigt hat. Die beiden sind auch die zwei Ausnahmen, die man im Frühjahr im TV tanzen sehen konnte, nun im Herbst aber nicht. Kathrin Menzinger und Vadim Garbuzov als fünffache Weltmeister*innen im Showtanzen sind auch 2022 die Leitung des Tanzteams und für sämtliche Choreographien zuständig, sodass die 12 Profis neben ihnen stets zeigen können, was sie draufhaben.

Wie stark fällt die Qualität zur sehr starken Vorjahrestournee, wenn auch etwas weniger gute Promis mittanzen? Tatsächlich nur geringfügig. Obwohl sich die drei Let’s Dance-Touren im Kern sehr ähneln, gibt es bei allen dreien einige Aspekte, die sie eigenständig machen. Genau diese Mischung führt auch dazu, dass der Wiedersehfaktor bleibt und es durchaus Gründe gibt, jährlich wiederzukommen.

Stach 2019 allein dadurch hervor, dass die Tour erstmalig stattfand und niemand wusste, was passieren wird, brillierte 2021 mit seinen wahnsinnig guten Promis. 2022 ist es hingegen der Aspekt, dass man nicht den Eindruck gewinnt, jede*r auf dieser Welt sei ein absolutes Tanztalent, sondern dass das unterschiedliche Niveau der TV-Show auch bei der Tour zu sehen ist. Let’s Dance macht eben genauso aus, dass es ums Trauen geht und nicht nur ums Abliefern. Zusätzlich tanzen in diesem Jahr erstmalig die Promis ausschließlich mit ihren Profis, die sie auch in der Staffel hatten. Das ging die letzten zwei Male nie ganz auf, hier und da war Ersatz nötig. Diesmal nicht.

Ansonsten bekommen diejenigen, die wiedergekommen sind, eben das, was sie schon kennen und für gut befunden haben, und diejenigen, die zum ersten Mal Tickets für die Tour haben, das, was ihnen gefallen wird. Sechs Paare, die jeweils ihre zwei markantesten Choreos aus der Staffel tanzen plus mehr als eine Hand voll Showeinlagen von sämtlichen Profis zuzüglich zwei Akrobat*innen am Flying Pole. Noch nicht genug? Dann gibt’s als Sahnehäubchen für zwei Menschen aus dem Publikum noch die Chance, das Tanzparkett für sich zu beanspruchen und einen Tanz ihrer Wahl vorzuführen. Das Pärchen aus Mann und Frau, das an diesem Abend in Oberhausen auftritt und sogar aus Oberhausen anreist, entscheidet sich als erstes Tanzpaar überhaupt für einen Slowfox und liefert laut Llambi die beste Performance, die jemals von den Zuschauer*innen kam. Ein Kompliment, das wirklich gut runtergeht.

Highlights sind ansonsten der nicht ganz komplexe, aber dafür emotionale Contemporary von Mike Singer und der immer wieder sympathischen Christina Luft, die mitreißende Gute-Laune-Salsa von Mathias Mester und Renata Lusin und der einfach wahnsinnig gut getanzte Charleston von Janin Ullmann und Zsolt Sándor Cseke – ein Profi, der 2022 erstmalig in der Let’s Dance-Family dabei ist und direkt mit der Silbermedaille nach Hause gehen konnte.

Das Publikum entscheidet per Handy über die Stadtsieger*innen. An jenem Abend gewinnen René Casselly und Kathrin Menzinger – und das zum vierten Mal von vier Versuchen. Das ist in keiner Art und Weise verwunderlich, gehört ihnen auch der letzte Tanz des Wettbewerbs. Ihr finaler Freestyle der Staffel war schon im TV unglaublich, live wird aber schon nach wenigen Sekunden dermaßen beeindruckend die Bude abgefackelt, dass einmalig in Oberhausen während des Tanzes Leute aufspringen und für Standing Ovations sorgen. Kann man nicht beschreiben, muss man gesehen haben. Wow.

Diverse Tänze seitens der Profis setzen auch auf dieser Tour wieder andere Schwerpunkte, sodass man nicht das Gefühl hat, alles schon gesehen zu haben. Ob mystisch angehaucht, mit karibischem Flair unter Palmen, voller Tango-Grazie oder mit ordentlich Partyfeeling zum Rausschmeißer – alles mit dabei. Die Requisite patzt keine Sekunde, sodass nach ein paar Minuten das Setting schon wieder ganz anders ausschaut. Hier werden Bilder im Akkord auf- und abgebaut, dazu mit Konfetti geschossen und dort Feuertricks abgeschossen.

Ein buntes Bonbon zum Wohlfühlen. Viel für die Augen, ein bisschen was für die Lachmuskeln und noch mehr. Let’s Dance – Die Live-Tour 2022 zeigt in fast 145 Minuten, unterbrochen von 20 Minuten Pause, keinerlei Abnutzungserscheinungen. Wir lehnen uns mal aus dem Fenster und sagen, dass man 2023 dort wieder sitzen wird. Darf aber auch gern zur vorweihnachtlichen Routine werden.

Und so sieht das aus:

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Foto von Christopher.

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