Interview mit SWEED über seine EP „Sweedlife“

Pressefoto von Sweed.

Der Look erinnert an Shelter Boy, die Musik an eine Mischung aus Sam Fender, den Giant Rooks und Luke Noa – aber auch ohne ihn mit irgendwem anders zu vergleichen, macht SWEED wundervollen Indie. Letztes Jahr noch veröffentlichte er seine Debüt-EP „Sweedside“ komplett in Eigenregie, es folgte ein Label-Deal und schließlich die zweite EP „Sweedlife“. Wir haben kurz nach Release im September mit dem Künstler darüber gesprochen, wie wohl seine nächste EP heißen wird, warum gerade eine gute Zeit für Indie-Musik ist und was ihm beim Songwriting wichtig ist. 

minutenmusik: Du hast vor einer Woche deine zweite EP veröffentlicht – wie ist es dir seitdem ergangen?

Sweed: Sehr sehr gut. Dadurch dass man ja irgendwie Single nach Single rausbringt und die EP am Ende eigentlich nur noch mit einem neuen Track rauskommt, denkt man sich immer so: Ja gut, man kennt ja jetzt eigentlich schon 90% der EP. Das wird die Leute jetzt gar nicht mehr so krass abholen. Aber wir hatten dann eine ziemlich dicke Release-Party bei mir in Stuttgart im Kulturkiosk. Und die Party lief so gut, dass die Leute bis auf die Straße hoch standen, als ich die EP einmal akustisch durchgespielt habe. Und es waren auch teilweise echt Persönlichkeiten da, bei denen ich nicht damit gerechnet habe, dass die mich auf dem Schirm haben. Das hat mich total umgehauen. Auch die Resonanz auf den letzten Song „Now You Want Me“ war super krass und super start und ich bin einfach mehr als zufrieden. Auch streamingtechnisch könnte es gerade nicht besser laufen.

minutenmusik: Deine erste EP hast du ja erst letztes Jahr veröffentlicht – sind die Songs der neuen EP alle erst danach entstanden oder schon parallel dazu?

Sweed: Also es gab bestimmt schon Skizzen von Songs von der zweiten EP, bevor die erste EP überhaupt raus war. Also irgendwelche Schnipsel oder so. Ich arbeite immer nebenher, egal ob ich jetzt gerade was rausbringe. Ich schreibe so oder so kontinuierlich neue Songs, oder versuche das zumindest, um nicht aus dem Flow zu geraten. Mal ist das schwieriger, mal ist das weniger schwierig. Aber es ist auch alles immer ein bisschen Kuddelmuddel. Tatsächlich standen die Songs für die EP jetzt auch nicht von Anfang fest, sondern das war so: Okay, wir machen jetzt mal den ersten Song, dann machen wir den zweiten und irgendwann legen wir dann die anderen Songs fest. Es war also nie eine Konzept-EP, es stand nichts von Anfang an fest. Es war immer klar, dass „Stuck“ der erste Song nach dem Label-Deal wird, mit dem wir als erstes rausgehen. Aber ansonsten hat sich das einfach so ergeben.

minutenmusik: Kam das von deiner Seite, dass „Stuck“ der erste Song sein soll oder war das ein Wunsch vom Label?

Sweed: Das war eindeutig meine Entscheidung. Auch für mich mit der wichtigste Song überhaupt bisher. Damals war das so der Moment, wo es Zeit war, nochmal neu auf der Karte zu erscheinen und doch nochmal die Leute nach der ersten EP zu überzeugen. Und „Stuck“ war einfach der beste Song dafür. Auch um das Gefühl, das ich in dieser Zeit hatte, mit den Leuten zu teilen, war das der beste Song.

minutenmusik: Wo wir jetzt schon auf die einzelnen Songs der EP eingehen: Ich habe mir überlegt, dass wir ja so ein kleines Track By Track machen könnten. Hast du da Bock drauf?

Sweed: Ja, klar.

minutenmusik: Okay, los geht’s mit „Stuck“, über den wir ja gerade schon gesprochen haben. Der ist auf Spotify ziemlich abgegangen mit bislang über eine Million Aufrufen und war ja auch die erste Singleauskopplung der EP – hättest du damit gerechnet, dass der Song so durch die Decke geht?

Sweed: Also ich sage mal so: Es ist ganz gut, als Musiker nie mit sowas zu rechnen. Ich habe es mir aber natürlich gewünscht. Ich hatte davor kein Label. Ich hab das davor alles irgendwie so halb professionell gemacht: Alles selber released, alles selber hochgeladen, mich um alles gekümmert, alleine die Radios angeschrieben und so weiter. Und dann kam natürlich der Moment, in dem ich den ersten Song zusammen mit einem Label rausgebracht habe. Und ein Label ist ja heutzutage auch echt zu einem großen Teil dafür da, dir zu helfen, deine Songs zum Beispiel in Spotify-Playlisten unterzubringen. Es war also schon ein großer Wunsch, aber so richtig damit gerechnet habe ich nicht. Am Anfang war es auch nur eine Playlist, die den Song gefeatured hat. Irgendwann hatte ich dann schon gar nicht mehr damit gerechnet. Und auf einmal gucke ich morgens bei Spotify rein und die Zahlen sind total explodiert. Ich bin einfach mehr als glücklich darüber, dass es ein Song von mir so weit geschafft hat.

minutenmusik: Warum ist dieser Song für dich persönlich so wichtig?

Sweed: Weil es in dem Song um ein Thema geht, das mich eigentlich dauerhaft beschäftigt. Dieses Steckenbleiben, dass man immer wieder die gleichen Fehler macht. Das kann man irgendwie auf alle Lebensbereiche beziehen. Man ist einfach manchmal stuck in gewissen Lebenssituationen und ich natürlich auch, wie jeder andere. Deshalb ist das einfach ein sehr wichtiges Thema für mich. Damals war es für mich zum Beispiel auch ein großes Thema, ob ich wieder zurück in meinen alten Beruf gehe oder es wirklich wagen soll, das mit der Musik durchzuziehen. Ich wollte einfach ausbrechen und dann kam die Sache mit dem Label – deshalb war das genau der richtige Moment für den Song. Vielleicht hilft die Geschichte, die ich damit erzähle, ja sogar jemandem weiter.

minutenmusik: Kommen wir zu meinem Lieblingssong auf der EP: „Face2Face“. Da geht’s ja so ein bisschen um Verschlossenheit, vielleicht auch um Einsamkeit. Möchtest du erzählen, was für dich hinter dem Song steckt?

Sweed: Für mich handelt der Song im Großen und Ganzen eher von einem Kommunikationsproblem in einer Beziehung. Es geht so ein bisschen um eine ausgelaugte Liebesbeziehung. Man hängt zwar die ganze Zeit aufeinander rum, hat sich aber eigentlich gar nichts mehr zu sagen. Man steht sich gegenüber, Face to Face, aber kein Part traut sich, über seine Ängste oder Gefühle zu reden. Und jeder Part ist für sich trotzdem einsam. Man lebt zwar zusammen, ist aber trotzdem einsam.

minutenmusik: Daran schließt sich „Sleepless“ ja irgendwie ein bisschen an, oder?

Sweed: Ja, also ich glaube generell auf der ganzen EP geht es viel um Einsamkeit. Und auch viel um das Thema Liebe. Auf „Sleepless“ jetzt nicht direkt. Da geht es eher um so freundschaftliche Beziehungen. Da habe ich mich so ein bisschen mit dem Thema auseinandergesetzt, dass es auch Tage gibt, wo ich für mich alleine sein möchte und vielleicht auch einsam sein möchte. Andererseits gibt es dann Leute im Bekanntenkreis, die das nicht verstehen, die dich überreden wollen, mit rauszukommen und das nicht akzeptieren wollen. Ich war vor Corona selbst noch so, dass ich immer alle überreden wollte, überall mit hin zu kommen. Aber mittlerweile bin ich eher auf der anderen Seite und kann nachvollziehen, wenn man mal nicht nach draußen gehen möchte.

minutenmusik: Ich glaube es ist jetzt keine sehr gewagte Aussage, wenn ich sage, dass „Stupid“ der Song auf der EP ist, der mit Abstand am meisten nach vorne geht und damit raussticht. Hattest du einfach auch mal Bock auf so was rockiges oder wie kam es zu dem Sound?

Sweed: Es war tatsächlich so, dass ich ein bisschen rumgejamt habe und dann kam auf einmal dieses Riff und ich dachte mir: Da passt nur eine verzerrte E-Gitarre drunter. Der Song lag dann auch ewig rum und irgendwann habe ich den mal meinem Labelchef gezeigt. Der meinte dann sofort: Boah, richtig krasse Nummer, damit könnten wir nochmal richtig ausbrechen. Ich bin dann nach Brandenburg ins Studio gefahren zu Alex Sprave, einem guten Produzenten, der gleichzeitig auch Drummer ist. Da haben wir dann noch die Drums aufgenommen und danach war es eigentlich klar, dass der Song auf die EP muss. Aber es war eigentlich nie so die Idee: Jetzt brauchen wir noch einen Song, der total rausspringt. Ich hab einfach das genommen, was da war und dann zusammengefügt.

minutenmusik: Der Letzte Song ist dann Now You Want Me – gefühlt ist das so ein bisschen der moodige, gut gelaunte „Fuck You“-Rausschmeißer?

Sweed: Wenn man’s überspitzt sagt, dann würde ich das unterschreiben, aber ich sprech’s jetzt mal nicht aus (lacht). Also „Stupid“ handelt ja so ein bisschen von einer toxischen Beziehung und „Now You Want Me“ davon, dass ich die ganze Zeit nach einer Person gesucht hab oder mich für eine Person interessiert habe und von der Person nichts zurück bekommen habe. Und mittlerweile geht es mir aber so gut, dass ich weiß: Ich brauche nur mich selber. Aber jetzt auf einmal möchte diese Person mich. Das heißt, da haben sich die beiden Songs am Ende ein bisschen in die Karten gespielt.

minutenmusik: Für mich hat die EP auch inhaltlich total gut zusammengepasst und ich habe es auch als zusammenhängende Story interpretiert – deshalb wundert es mich fast, dass du sagst, dass das eher so zusammengewürfelt wurde…

Sweed: Tatsächlich war am Ende die Frage, welchen Song wir vorher noch rausbringen: „Now You Want Me“ oder „Stupid“. Beide waren fertig. Und dann haben wir uns tatsächlich auch wegen der Geschichte, die man damit erzählen kann, für „Stupid“ entschieden.

minutenmusik: Deine erste EP hieß „Sweedside“ – die neue EP heißt „Sweedlife“: Ich habe schon ein bisschen überlegt, wie dann logischerweise die nächste EP heißen könnte…

Sweed: (lacht) Ganz ehrlich: Ich hab noch keine Ahnung.

minutenmusik: Die Frage war auch nicht ganz ernst gemeint – so kurz nach Release muss man sich ja auch nicht schon wieder Gedanken über die nächste EP machen.

Sweed: Es wäre aber natürlich von der Idee her cool, irgendwas mit Sweed im Namen zu haben. Vielleicht wieder was, was sich auf Side und Life reimt. Sweedvibe wäre aber schon wieder fast ein bisschen cringe.

minutenmusik: Sweedmind vielleicht.

Sweed: Ich kann aber jetzt schon sagen, dass die nächste EP auf jeden Fall soundtechnisch mehr aneinander angepasst sein wird. Ich glaube tatsächlich, dass auf der nächsten EP alles ein bisschen mehr nach einem roten Faden laufen wird. Und deswegen weiß ich auch noch nicht, ob ich von der Namensgebung her wieder auf mein altes Muster zurückfallen will. Denn beide EPs bisher waren jeweils einfach nur ein Mix aus Songs. Und ich glaube jetzt will ich mehr mit einem roten Faden fahren.

minutenmusik: Steckte den trotzdem ein tieferer Sinn hinter dieser Namensgebung oder hat es einfach in dem Moment gut gepasst?

Sweed: Also die Bedeutung von „Sweedlife“ ist so ein bisschen, dass ich erzählen wollte, was aus meinem Kopf und aus meinem Leben heraus entstanden ist. Ich hatte mir auch erst überlegt, auf das Cover-Artwork so einen abgeschnittenen Kopf zu machen und da sprießen die Melodien irgendwie so raus, um das abzubilden. Das hat dann aber nicht so ganz funktioniert. Es ist aber auch schwer zu sagen – der Titel hat natürlich auch einfach gut zu dem Namen der ersten EP gepasst.

minutenmusik: Wo wir schon bei der Namensgebung sind: Als du dir deinen Künstlernamen ausgesucht hast – wusstest du da, dass es eine Kosmetikmarke mit dem gleichen Namen gibt? Denn wenn man deinen Namen googlet, kommt als erstes so ganz viel Beauty-Werbung…

Sweed: Stimmt, die machen irgendwie so Augen-Zeug, ne? Ich glaube es gibt sogar eine CBD-Brand, die auch Sweed heißt. Ist ja auch ziemlich naheliegend (lacht).

minutenmusik: Du kommst aus der Nähe von Stuttgart – naheliegendste Frage: Warum hast du dich für Indie und nicht für HipHop entschieden?

Sweed: Tatsächlich habe ich mal einen kleinen Abdrifter gehabt in so HipHop-mäßiges Zeug. Ich hab auch als Jugendlicher eine Zeit lang viel mehr HipHop gehört als Indie. Bin aber in meiner Kindheit eigentlich mit so 80er Rock-Pop von meinem Dad aufgewachsen. Irgendwann hab ich mich dann halt mal in den HipHop verirrt, aber ich weiß nicht… Ich kann mich im Indie und vor allem in diesem treibenden und melodischen Sound einfach besser ausdrücken und mehr das sagen, was ich sagen möchte und zeigen, was ich drauf habe. Ich habe das Gefühl, das könnte ich im HipHop nicht so gut. Und das ist ja auch das Ding: Ich glaube, man sucht sich sowas ja nicht aus. Das kommt ja dann von selbst.

minutenmusik: Ich hab auch das Gefühl, Indie wird gerade einfach wieder groß in Deutschland. Spielt das für dich auch eine Rolle, dass es einfach nicht mehr so nischig ist?

Sweed: Wäre Indie jetzt ein nischiges Genre und wäre das gerade nicht so groß – ich glaube, ich würde es trotzdem machen. Denn ich fühle das einfach und mache es nicht davon abhängig, ob das gerade läuft oder nicht. Ich mache einfach das, was ich gerade fühle und das mache ich so, wie es kommt. Ich bin aber trotzdem der gleichen Meinung wie du, dass es gerade groß wird und dass es auf jeden Fall sehr viel Anklang findet. Ich glaube auch nicht, dass Deutschrap noch so lange das größte Genre in Deutschland bleibt.

minutenmusik: Gibt es denn Indie-Bands oder -Künstler*innen, mit denen du gerne mal zusammenarbeiten oder zusammen auf der Bühne stehen würdest?

Sweed: Da muss ich überlegen, da hab ich mir bis jetzt noch keine so großen Gedanken gemacht. Ob ich jetzt ein Feature mit jemandem machen würde, ist immer so die Frage. Aber auf jeden Fall gerne zusammenarbeiten.

minutenmusik: Was sind deine Pläne für die nächste Zeit?

Sweed: Ich kann releasetechnisch gerade noch gar nichts sagen. Da bin ich mir auch noch nicht sicher, wie wir das in Zukunft gestalten werden. Dieses Jahr wird da aber wahrscheinlich eher nichts mehr kommen. Mein Approach ist gerade eher ganz viel live zu spielen. Ich möchte nächstes Jahr mit meiner Band unbedingt viel live spielen, hoffentlich auch vielen Festivals und gerne auch Support für andere Künstler machen. Jetzt gerade will ich einfach das, was ich die letzten zwei Jahre in meinem WG-Zimmer, in meinem Studiokeller aufgenommen habe, den Leuten zu präsentieren und zu zeigen, dass ich auch auf einer Bühne performen kann.

Und so hört sich das an:

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Beitragsbild: Julian Weigand

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