Simply The Best – Die Tina Turner Story, Rudolf Weber-Arena Oberhausen, 02.03.2023

simply the best die tina turner story in oberhausen

Darf man damit Geld verdienen, einfach ein Original zu kopieren? Rein rechtlich betrachtet, durchaus. Gibt ja nicht nur eine Cola auf dem Markt. Doch bei der beliebten koffeinhaltigen Limonade ist es gar nicht so einfach zu sagen, was denn nun das Original ist. Die allererste Cola? Das erste Getränk mit dem bewährten Rezept? Die, die sich weltweit am besten verkauft? Diskutabel. Bei Musik hingegen ist die Analyse einfacher: Es gibt ein einziges Original und ansonsten Double bzw. Tributes. Ausführungen sind dabei jedoch äußerst individuell und in dem Wunsch, der Vorlage zu ähneln, unterschiedlich erstrebenswert. Simply The Best – Die Tina Turner Story findet nicht nur Befürworter*innen.

Vor rund zwei Jahren war es Tina Turner, eine der bis heute erfolgreichsten Sängerinnen aller Zeiten, sogar selbst, die mit dem, was Simply The Best – Die Tina Turner Story zeigt, so gar nicht einverstanden war. Der Grund: Die Darstellerin Coco Fletcher sehe ihr zu ähnlich und ein Laie könne nicht auf Anhieb erkennen, dass sie nicht selbst auftrete. Eigentlich ein Kompliment, oder? Immerhin ist genau das der Ansatz der Show, der großen Rock-Königin so nah wie möglich zu kommen. Damit geht schließlich dann auch die Frage einher, ob es nun ok ist, in allen Punkten dem Vorbild zu huldigen oder ob das eher uncool und peinlich ist. Definitiv eine Frage, auf die es nur subjektive Antworten gibt. COFO Entertainment, die Veranstaltungsfirma hinter der Show, hat jedenfalls den Rechtsstreit nicht verloren und dadurch sogar eine Lanze für sämtliche Tributes gebrochen: Sie können weiterhin ohne Einschränkung stattfinden. Das einzig Wichtige ist, dass auf dem Plakat der Vermerk steht, dass die Darstellerin Tina Turner spielt und eben nicht ist. Kann man mit leben.

Der Simply The Best – Die Tina Turner Story-Tour 2023 steht damit nichts im Wege. Gleich 30 Termine in nicht mal zwei Monaten stehen auf der Agenda, in Oberhausen hält man genau auf der Mitte als 15. Anlaufstelle. Am 2.3., einem Donnerstag, wird nur ein Teil der Rudolf Weber-Arena genutzt – die Bühne steht ungefähr in der Mitte, wodurch die andere Hälfte der Halle als Backstage fungiert, der Oberrang ist aber auch bei der mit Publikum besetzten Hälfte abgedeckt. Geschätzte 2000 Leute haben trotzdem Platz genommen. Rechnet man das hoch auf 30 Shows, ist das Interesse an einem TinaTurner-Double also keinesfalls gering.

Viel spannender ist sowieso, welches Konzept die Show wählt und wie es umgesetzt wird. Das parallel gerade in Stuttgart angelaufene Stage-Musical „Tina – Das Tina Turner Musical“ zog just erst von Hamburg in den Süden Deutschlands und macht in typischer Stage-Manier besonders in Bühnenbild und -technik einiges her. Das so etwas bei einer kleineren Produktion, die lediglich einen Abend in einer Stadt gastiert, anders ist, ist im Vorhinein klar und auch gar kein Minuspunkt. Solang das, was passiert, top ist, genügt das allemal.

Simply The Best – Die Tina Turner Story versteht sich nicht als klassisches Musical. Ganz weit weg ist es davon zwar nicht, tut sich aber zumindest selbst den Gefallen und nutzt im Titel eben nicht das Wort „Musical“, um keine falschen Erwartungen zu schüren. Ein Aspekt, der zum Beispiel bei „Elvis – Das Musical“ negativ ins Gewicht fällt. Der schauspielerische Aspekt ist nämlich auch bei der Tina Turner Story der größte Minuspunkt, aber sogar um ein paar Punkte besser als bei der erwähnten Show rund um den King of Rock’n’Roll. Stattdessen liegt der Fokus hier mehr auf der Musik. Gute Entscheidung.

Das Bühnenbild ist spärlich. Eine Showtreppe mit einem Podest, eine kreisförmige Leinwand, aufgebaute Instrumente für die Band, ein paar Mikroständer und drei bis vier nicht erwähnenswerte Requisiten. Ende. Das war’s. Fans von ausgeklügelten Handlungssträngen und Spielszenen sind am Ende somit enttäuscht. Einer der Akteur*innen, Marten Krebs, ist der Einzige, der bis auf eine kurz dazwischengeschobene, eher ironische Ausnahme nur spielt. Er schlüpft in mehrere Rollen, mal ist er Erzähler, mal Club- oder Tonstudiobesitzer. Das macht er ganz ok, mehr aber nicht. Leider besitzt er die unangenehme Aufgabe, insbesondere zum Anfang äußerst chauvinistisch auftreten zu müssen. Da sind manche Blicke auf Hinterteile und Äußerungen zu Kurven von Sängerinnen auf der Bühne doch zwei-, dreimal zu viel – zumindest aus heutiger Sicht. Im Kontext betrachtet soll aber verdeutlicht werden, dass Tina Turner eben keinen leichten Weg durchmachen musste, bis sie dorthin kam, wo sie am Ende war.

Ein weiterer Stein im Weg: Ike Turner, ihr Ex-Mann. Der wird gemimt von Vasti Jackson, der gleichzeitig auch Gitarrist der Band ist und unter anderem mit BB King zusammenarbeitete. Auch er schauspielert lediglich mittelmäßig, agiert dafür aber äußerst gut an seinem Instrument. Wo wir dann auch bei den Stärken wären: Die fünfköpfige Truppe, die sich aus internationalen Musiker*innen zusammensetzt, sind alle durchweg super. Auch der Sound stimmt in Oberhausen von Beginn an, ist knackig laut und knallt schön. Extra hervorzuheben sind die flinken Soli von Ilia Skibinsky am Saxophon.

Obendrauf gibt es zwei ganz nette Backgroundtänzerinnen, drei sehr gute Backgroundsängerinnen – darunter Olvido Ruiz, die auch schon mit Michael Jackson auftreten konnte – und als Highlight die aus Alabama stammende Coco Fletcher als Protagonistin Tina Turner. Fletcher gewann bereits mehrfach Double-Wettbewerbe, sang in den ersten Staffeln „Let’s Dance“ in der Liveband mit und macht seit Jahrzehnten Musik. Man hat somit einige echt gute Leute zusammengetrommelt, die sich hier vor der Kultsängerin verneigen.

Das ist letztendlich auch das Beste an Simply The Best – Die Tina Turner Story: Tina Turner wird richtig gefeiert. Mit viel Musik, mit starken Instrumentalist*innen und Sänger*innen und nicht mit etwas Hingeklatschtem. Besonders der erste Auftritt von Coco Fletcher ist magisch, hat man sowohl im Sound als auch in der Optik wirklich den Eindruck, Tina Turner vor gut 30 Jahren wiederzusehen. Einige Töne – nicht in allen Lagen, aber in manchen – sind zum Verwechseln ähnlich und auch technisch exakt gleich gesungen. Ein kleiner „Wow“-Effekt, der der Show sofort etwas gibt.

Weiterer Pluspunkt – sogar im Vergleich zum Stage-Musical – ist die hohe Menge an Songs. Erst 65, dann 70 Minuten werden rund 30 Lieder aus dem riesigen Repertoire der Legende gespielt, darunter viel aus den Anfängen („Rock me Baby“, „A Fool in Love“, „Shake a Tail Feather“), viel aus der Hochzeit („Private Dancer“, „What’s Love Got To Do With It“, „We Don’t Need Another Hero“) und ein paar späte Werke („Whatever You Want“, „I Don’t Wanna Fight“). Mit „Steamy Windows“ ist auch ein ziemlich guter Tina-Song dabei, den es im Musical nicht gibt. Verbunden werden die Titel mit kleinen Spielszenen, die einem den Werdegang teils auf Deutsch, teils auf Englisch nicht detailliert, aber zumindest angerissen wiedergeben. Im zweiten Akt wird der Storyanteil aber auffallend weniger und das Konzertfeeling mehr. Hier wird zusätzlich mehrfach das Publikum mit einbezogen, das sich gern drauf einlässt.

Leider hält man sich in der ersten Hälfte doch viel zu lange mit den Anfängen der Künstlerin auf, wodurch einige Titel gespielt werden, die wohl nur Hardcore-Fans kennen und am Ende ein paar echte Hits aus der Karriere hintenüberfallen („When The Heartache Is Over“, „Typical Male“, „Two People“, „Disco Inferno“), anderes nur in ein bis zwei Minuten angespielt wird. Da darf gern ein wenig dran gefeilt werden. Auch könnte man überlegen, ob man die Spielszenen nochmal kürzt und mehr die Leinwand fürs Storytelling verwendet. Auf der werden zwischendrin Aufnahmen der echten Tina Turner gezeigt, dann wiederum gestellte Interviews mit Coco Fletcher als Tina Turner und sogar ein Musikvideo zu „Goldeneye“ mit Coco als Sängerin, was aber komplett vom Band kommt. Komische, irgendwie beliebige Entscheidung.

In den letzten 20 Minuten ist die Stimmung in der Halle richtig gut, auch wenn der Großteil des Publikums die 50 bestimmt schon überschritten hat. Musik, die einfach niemals sterben wird und eine wahre Durchschlagskraft bietet. Bei den wirklich anspruchsvollen Stellen mogelt sich Fletcher manchmal durch und lässt einige prägnante Phrasierungen weg bzw. singt sie nicht richtig aus. Beispiele dafür sind „River Deep, Mountain High“, „We Don’t Need Another Hero“ oder auch „A Fool in Love“. Aber sie ist eben keine Reinkarnation der einzigartigen Turner, sondern einfach eine wirklich gute Sängerin, die ihr Idol toll imitiert. Hat man die Chance verpasst, das Original live zu sehen und sucht eine Alternative zum Musical in Stuttgart, ist man mit Simply The Best – Die Tina Turner Story gut bedient, solange man die richtigen Erwartungen hat. Braucht man keine großen Effekte und steht eher auf die Evergreens, kann man zweifellos einen netten Abend haben.

Und so sieht das aus:

Website / Facebook / Instagram

Bild von Christopher

* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert