Das 11. Studioalbum in Folge, das auf Platz 1 der deutschen Charts steht. Musiker seit fast 40 Jahren. Immer wieder beeindruckend, wenn man sich ein paar Rekorde von Herbert Grönemeyer vor Augen führt. Alle aufzuzählen, ist quasi unmöglich. Der neuste Output hört auf den Namen „Tumult“ ist das 15. Album des Wahl-Bochumers, der eigentlich aus Göttingen kommt und verspricht rein optisch bereits mechanische, elektrische und sphärische Momente.
Musikalisch ist das aber gar nicht so edgy. Was macht man für Musik, wenn man bereits Zweidrittel seines Lebens diesen Beruf verfolgt hat? Grönemeyer entscheidet sich für eine typische, aber doch etwas berechenbare Kombination: Texte bleiben metaphorisch, politisch und verschachtelt; Melodien einerseits eingängig, andererseits schwer mitsingbar; Rhythmen gehen hin und wieder ein Wagnis ein.
Das Album beginnt mit der Vorabsingle „Sekundenglück“, die die allgegenwärtigen Grönemeyer-Merkmale vereint und optimistische Liebesgefühle transportiert, verpackt in einem Midtempo-Radiosong. Nett, aber wenig aufregend. Gleiches gilt für das schleppende „Mein Lebensstrahlen“. Wie es besser geht beweisen hingegen die groovenden Bläser in „Taufrisch“ oder das besonders gelungene, außergewöhnliche „Doppelherz / Iki Gönlüm“, bei dem der Protagonist auf Türkisch singt und Rapper BRKN als Feature einlädt. Dass Grönemeyer sich für mehr Toleranz und Fremdenfreundlichkeit einsetzt, ist seit Langem bekannt und erlangt hier eine erfrischende Form mit nahöstlichem Klangspiel. Somit stehen die ersten vier Titel bereits im wechselnden Klangbild und geben den ersten Eindruck, der sich durchs Album immer mehr bestätigen wird: In Tönen verpackte Kreativität wechselt sich mit mittelprächtigen Kopien von sich selbst ab.
Natürlich verspricht Grönemeyer weiterhin qualitativ hochwertige Kost, hat aber zu selten wirklich etwas Neues zu sagen. Es gibt mittlerweile genügend Titel von ihm, sodass diejenigen, die den Blick über den Tellerrand wagen, gehäuft positiv auffallen, es aber die durchschaubaren Songs äußerst schwer haben. Hittauglichkeit beweist „Bist du da“ mit ruhigen, synthetischen Strophen und einem druckvollen, rockigen Refrain, eingepackt in gelungene Phrasen wie „Du traust dem Impuls, bleibst immer kühn, du erlaubst dir nicht, dich zu entziehen – und deine Fassung ringt, weil Fassung nichts mehr bringt“. „Warum“ trifft mit seiner Mut machenden, aufmunternden Aussage voll ins Herz. Und „Der Held“ ist das Highlight der Platte. Grandios! Dem entgegen fallen im Mittelteil schon 70x gehörte Titel wie „Verwandt“ oder „Lebe mit mir los“ ab und die Remixe im Bonusteil der Deluxe Edition braucht wirklich niemand.
„Tumult“ ist ein nettes Album, des erfolgreichsten lebenden Künstlers in Deutschland und beweist in guten Momenten abermals, warum Grönemeyer dort ist, wo er ist. Man muss mit 62 Jahren nicht das Rad neu erfinden. Trotzdem bleibt auffällig, dass es immer dann an Potenzial gewinnt, wenn überraschende Dinge in seiner Musik geschehen. In Schulnoten wäre das wohl am ehesten eine 3+.
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