Plattenkrach: Queen – A Night at the Opera

Wir sagen euch an den lieben Advent. Sehet, die dritte Kerze brennt“, ertönt im Chor das berühmte Gedicht von Maria Feschl aus den Mündern einer lokalen Schulklasse. Die vielen Kinderaugen leuchten, denn in vier Tagen ist Heiligabend. Die Geschenke für die Familie und Freunde sind zu einem Großteil besorgt, die Plätzchen gebacken oder schon erfolgreich verputzt und der Baum ist in vielen Häusern geschmückt. Damit wäre nun also die perfekte Zeit gekommen, um etwas Besinnlichkeit einkehren zu lassen, nicht wahr? Pustekuchen. Denn Redakteurin Anna und Redakteur Luis haben sich pünktlich zu Weihnachten in die Haare bekommen. Grund dafür sind Queen mit ihrem vierten Studioalbum “A Night at the Opera”. Während Anna aus dem Schwärmen über eines ihrer Lieblingsalben von einer ihrer Lieblingsbands nicht herauskommt, entlockt die Musik der britischen Rockband bei Luis nur ein müdes Gähnen … 

Anna sagt:

Vor wenigen Wochen verließ ich mit einem breiten Grinsen auf den Lippen und einem Gefühl von grenzenloser Glückseligkeit den Kinosaal, in welchem ich mir knapp zweieinhalb Stunden lang die mehr oder minder autobiographische Lebensgeschichte von Rock-Legende Freddie Mercury mit dem wunderbaren Titel „Bohemian Rhapsody“ angesehen hatte. Zu diesem Zeitpunkt war ich mir sicher, dass sich in unserer heutigen Plattenkrach-Ausgabe kein Redakteur finden würde, der gegen eine der – in meinen Augen – grandiosesten Bands und eines der besten Alben der Musikgeschichte hetzen könnte. Tja, lieber Luis. Ich hoffe, du verspielst dir meine Sympathien für dich heute nicht allzu sehr…

Doch beginnen wir von vorne: Als ich vor wenigen Wochen die Wahl treffen musste, welches Album von Queen denn mein Liebstes sei, fiel mir die Wahl zunächst schwer. Schließlich hatten mich seit meinen Kindheitstagen sowohl Werke wie „A Day at the Races“, „News of the World“ oder „Jazz“ in den Bann gezogen. Doch je länger ich darüber nachdachte, umso mehr leuchtete es mir ein: Keines der Alben von Queen konnte in mir mit seiner stilistischen Vielfältigkeit, seiner dynamischen und anspruchsvollen Größe sowie seiner Ausdruckskraft ein solches Feuer entfachen wie „A Night at the Opera“.

Das Album, das seinen Titel einem Marx Brothers-Films von 1935 entlehnt, wurde am 21. November 1975 mit 12 Tracks veröffentlicht. Freddie Mercury, John Deacon, Roger Taylor und Brian May sorgten schon damals mit ihrem außergewöhnlichen Look, ihren markanten Schnurrbärten sowie ihren Zottelmähnen und femininen Kleidungsstücken für Aufsehen. Da sie sogar kürzlich schon in Asien und vor allem in Japan immense Erfolge eingeheimst hatten, waren sie besonders motiviert, ein neues, grandioses Album aufzunehmen. Dafür scheuten sie für die Produktion ihres Albums keinerlei Kosten und Mühen, sodass „A Night at the Opera“ zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung zum mit Abstand teuersten Rock-Album seiner Zeit mutierte. Das Resultat: Queen erreichten mit ihrem vierten Studioalbum in drei Ländern (Großbritannien, Neuseeland und den Niederlanden) Platz 1 der dortigen Charts und auch in sechs weiteren Ländern (zum Beispiel in den USA Platz 4 und Deutschland Platz 5) waren sie in den Top 10 vertreten.

Obwohl es aus heutiger Sicht längst nicht ungewöhnlich erscheint, dass der Longplayer einer Band eine gewisse Vielschichtigkeit bietet und gleich mehrere Genres kombiniert, stellte dieses Phänomen in den 70er-Jahren noch eine Novität dar: Denn Queen vereinten auf ihrem Album nicht nur Hard Rock, Oper, Heavy Metal und Trad Jazz, sondern glänzten ebenso mit Pop- und Rockballaden sowie Folk-Klängen. Doch dem war nicht genug: Die Gruppe rund um Frontsänger Freddie Mercury setzte – in diesem Fall nicht nur sprichwörtlich gesprochen – dem Ganzen sogar die Krone auf, indem sie das Gesamtwerk mit Brian Mays begnadeter Interpretation der britischen Nationalhymne „God Save the Queen“ beendete. Eine aus britischer Sicht zunächst schier getadelte Unverschämtheit, die sich in den 70er-Jahren in dieser Form noch niemand getraut hatte.

Doch Empörung war ohnehin ein Stichwort, dem sich die vier selbstbewussten Rocker nur zu gerne annahmen. Der erste Song des Albums „Death on Two Legs (Dedicated to …)“ wurde von Freddie Mercury geschrieben und eröffnet gleich zu Beginn ein anstößiges Wortgefecht gegen Queens ehemaligen Manager Norman Sheffield. Mit den Worten „You suck my blood like a leech / You break the law and you breach / Screw my brain till it hurts / You’ve taken all my money – you still want more“ beginnend, ziehen Queen hier mit einer messerscharfen und für die damaligen britischen Verhältnisse weit unter die Gürtellinie gehenden Wortwahl über ihren ehemaligen Manager her, von dem sich die Band und allem voran Freddie Mercury in der Vergangenheit ausgebeutet gefühlt hatten. Während des grandiosen Intros des Songs kreisen schnelle Piano-Bewegungen, die von dramatischen Gitarrenklängen vervollständigt werden, durch eine musikalisch aufgebaute Galaxie und erzeugen eine knisternde Spannung. Ehe der Zuhörer ermitteln kann, wohin die musikalische Reise gehen soll, kreischt jedoch eine Gitarre auf und abrupt beginnt – im nach wie vor gleichen Song – ein völlig konträrer, ruhiger Staccato-Piano-Part. Der Zuhörer wird somit zunächst auf eine völlig falsche Fährte gelockt, was den Verlauf des Tracks betrifft, jedoch wird so die Neugierde auf das musikalisch und lyrisch Kommende geweckt. Im Verlauf des Songs kommt dabei vor allem die Wut auf ihren Manager zum Vorschein. Ein starker, ja gar brillanter Einstieg!

Der Song „I’m in Love with My Car“ – von Roger Taylor geschrieben – hingegen ist aus musikalischer Sicht ein reines, traditionelles Rockstück, das der Drummer aus Liebe zu seinem Alpha Romeo und ebenso für seinen Queen-Roadie John Harris, der zu damaliger Zeit die Band von Auftritt zu Auftritt fuhr, komponierte. Die während des Songs zu hörenden Motorgeräusche waren dabei sogar tatsächlich von Taylors geliebtem Auto aufgenommen und in den Song eingebaut worden. Der Song war auch als B-Seite der ersten Singleauskopplung des Albums erschienen. Auf der A-Seite befand sich ein Song, der Queen nicht nur Weltruhm bescheren, sondern auch der erste Nummer-Eins-Hit der Band werden sollte.

Die Rede ist natürlich von „Bohemian Rhapsody“, einem der wohl grandiosesten Rocksongs aller Zeiten, der trotz seiner weniger radiotauglichen Länge, aber insbesondere wegen seiner innovativen sechsteiligen Liedform zum Riesenerfolg der Band mutierte. Intro, Ballade, ein umfangreiches Gitarren-Solo, eine Opern-Parodie über den repetitiv-vorgetragenen Galileo/Fandango/Figaro-Part sowie ein Hard Rock-Part und ein konkludierendes Outro bilden das Gerüst für das musikalische Meisterwerk des 20. Jahrhunderts. Dass Queen für die Aufnahme des Songs ganze fünf Tonstudios genutzt haben, in denen insgesamt etwa 180 Overdubs entstanden, mag zumindest in Ansätzen verdeutlichen, welche Produktionsarbeit hinter dem Werk steckt. Die reine Aufnahmezeit – wir reden lediglich von den Gesangsharmonien dieses einen Stücks – lag bei 84 Stunden. Hierfür mussten insgesamt 120 Stimmspuren abgemischt werden. Alleine für den Galileo-Gesangspart beziehungsweise für die Aufnahme des Wortes „Galileo“ wurden sage und schreibe drei volle Wochen Produktionszeit benötigt, so viel, wie für gewöhnlich für die Produktion eines ganzen Albums investiert wird. Auch das legendäre Gitarrensolo war nicht innerhalb weniger Stunden im Kasten, sondern brauchte eine ganze Woche, bis es perfektioniert und gut aufgenommen war. Wer glaubte, dass diese aufwendige Arbeit unnötig war, irrt, denn die komplexe und lange Produktionszeit hat sich ausgezahlt: Queen haben mit ihrer selbsternannten Rhapsodie, einem Werk mit freier Musikform, ein wahres und einzigartiges Kunstwerk geschaffen. Obwohl sich Kritiker bis heute den Kopf zermartern, was der Text des Songs zu bedeuten habe, wollte Mercury, dass sich jeder Zuhörer hierzu seine eigene Meinung bilde.

Tja, „A Night at the Opera“ hat es mir angetan – und das sogar sehr! Doch bevor ich mich nachfolgend erwische, wie ich stundenlang aushole und jeglichen Song der britischen Band interpretiere und in den Himmel lobe, möchte ich allen Lesern und leidenschaftlichen Musikliebhabern da draußen wärmstens ans Herz legen: Schnappt euch, am besten sofort, eine vernünftige Soundanlage oder anständige Kopfhörer und lasst euch treiben.  Nicht nur der Folk/Country-Song „‘39“ – ein Song des Astrophysiker-Gitarrists Brian May über einen durch das All reisenden Raumfahrer –, die Rockballade „Love of My Life“ für Freddies damalige Freundin Mary Austin, der Pop-Ballade „Your My Best Friend“ von John Deacon an seine Frau gerichtet oder der an Dixieland erinnernde und von Brian May geschriebene Gute-Laune-Hit „Good Company“ werden bei euch Gänsehautmomente bewirken. Nein, ihr werdet während des Hörens auch par Excellence die facettenreiche, aufwendig produzierte, dynamisch-einmalige, grandiose und vielfältige Musik der britischen Rockband (er)leben.

Obwohl Freddie Mercury bereits tot war, als ich geboren wurde, bin ich – angeregt durch meinen Vater – mit der Musik Queens aufgewachsen. Und wenn ich ehrlich bin, hatte ich beim Hören von Queens und vor allem Freddies Liedern – wenn auch sehr pathetisch gesprochen – immer wieder das Gefühl, ihn gekannt und erlebt zu haben. Queen haben die Musikindustrie weiterentwickelt und revolutioniert, gewusst, was sie wollten, die Tore für Neues geöffnet und sich als Außenseiter erfolgreich den Weg an den Spitze geebnet. Leider geht auch eine solche Ära irgendwann vorüber. Aber wie liest man von leidenschaftlichen Queen-Anhängern doch immer wieder so schön: „God saved the wrong Queen.“

Ich bin in jedem Fall sehr dankbar für die Musik, die Queen auch nach dem Tod von Freddie Mercury zurückgelassen haben, sodass mir abschließend nur zu sagen bleibt: „A Night at the Opera“ – ein musikalisches Gesamtkunstwerk!

Und Luis Meinung dazu:

Ich habe nichts gegen Queen, mich aber auch nie für sie interessiert. Sie sind die absolute Speerspitze des generationenübergreifenden Mainstreams, ausgelutscht wie Michael Jackson, Abba und The Beatles. Ihre bekanntesten Songs kenne ich daher natürlich, kann ihnen aber nichts abgewinnen. Titel wie “We Will Rock You” sind für mich musikalisch so anspruchsvoll wie das gesungene Alphabet. Ein paar andere sind ok. Mit diesem Mindset schmiss ich das Album also bei Spotify rein, in der remasterten Version. Dies nützte letztendlich nicht viel, ein Album von 1975 hat halt einfach keinen guten Sound.

Musikalisch sind die Songs gar nicht schlecht, sie klingen monströs und stadiontauglich. Auch ein bisschen wie ein Musical-Soundtrack. Für damalige Verhältnisse bestimmt alles sehr gut produziert. Aber Musik sollte auch für sich stehen können und nicht nur im geschichtlichen Zusammenhang Sinn ergeben. Das Album klingt aus einem Guss und dennoch vielfältig, was mir gefällt. Es scheint außerdem weder zu kurz noch zu lang zu sein und enthält mehrere Hits. Vielleicht höre ich mir das sogar nochmal an. Es erweckt in mir aber nicht die Lust, mich tiefer mit der Materie zu beschäftigen und die Band intensiv kennenzulernen. Man merkt ja oft schon relativ schnell, ob einem ein bestimmter Sound zusagt. Ausnahmen bestätigen da wie immer die Regel und vielleicht bin ich in ein paar Jahren doch ein Fan.

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Mehr Plattenkrach: Hate it or love it – was für den einen ein lebensveränderndes Monumentalwerk ist, ist für die andere nur einen Stirnrunzler wert! Ein Album, zwei Autor*innen, ein Artikel, zwei Meinungen! Mehr Auseinandersetzungen findest du hier.

Und so hört sich das an:

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Titelliste

(Seite 1)

  1. Death on Two Legs (Dedicated to…)
  2. Lazing on a Sunday Afternoon
  3. I’m in Love with My Car
  4. You’re My Best Friend
  5. ’39
  6. Sweet Lady
  7. Seaside Rendezvous

(Seite 2)

  1. The Prophet’s Song
  2. Love of My Life
  3. Good Company
  4. Bohemian Rhapsody
  5. God Save the Queen

Die Bildrechte liegen bei EMI / Hollywood Records.

 

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