Alle Jahre wieder verwandelt sich der Dortmunder Westfalenpark am letzten Juli-Wochenende in eine riesengroße Festivalwelt mit Bühnen und DJ-Floors in gefühlt jeder noch so verwinkelten Ecke des Parks. An zwei Tagen sorgen die verschiedensten Acts aus den Bereichen Elektro, Hip-Hop, Indie, Rock und Pop, aber auch Podcasts oder Poetry Slam für ein abwechslungsreiches Programm, das wir uns natürlich auch in diesem Jahr nicht entgehen lassen wollten. Andrea und Luis sind durch den Park gestreunert und haben versucht, möglichst viel mitzunehmen.
Für Andrea sah das Wochenende so aus:
Freitagnachmittag, Feierabend, Festival. Das Juicy Beats startete für mich mit der Antilopen Gang. Angestiftet von der lieben Yvonne nahm ich bei Temperaturen jenseits der 30 Grad den Platz im prallen Sonnenschein in Kauf, um die Rapper aus nächster Nähe zu erleben. Und das hat sich gelohnt, denn vor der Bühne herrschte trotz tropfenden Schweißes ausgelassene Fröhlichkeit und beste Stimmung. Die Antilopen Gang konnte mich mit ihren ironisch-gewitzten Texten und vor allem ihrer sympathischen Art überzeugen und nicht nur beim Radio-Hit „Pizza“ zeigte sich das Publikum mitsing- und tanzfreudig, auch wenn viele doch eher noch ein schattiges Plätzchen unter den Bäumen bevorzugten.
Als nächstes hielt der Spielplan gleich drei gute Acts bereit und damit auch die erste schwierige Entscheidung des Festivals: entspannter Cloud Rap mit Trettmann auf der Hauptbühne, Ohrwurm-Indie-Pop mit den Giant Rooks oder doch lieber die Newcomer von Drens auschecken? Die Wahl fiel schließlich auf die Giant Rooks, die wieder einmal bewiesen, dass sie perfekt auf die Festivalbühnen passen. Mit seiner charmanten Art und der für sein Alter überraschend reifen Stimme wickelte Sänger Fred vor allem das weibliche Publikum spielend leicht um den Finger. Musikalisch einwandfrei ließ das Set für Indie-Fans keine Wünsche offen und schlängelte sich durch neue Hits wie „Wild Stare“, das verträumte „Chapels“ oder das tanzbare „New Estate“. Und immerhin schaffte ich es dann doch noch zum Ende des Trettmann-Auftritts vor die Hauptbühne und bekam mit dem Song „Stolpersteine“ noch einen Vorgeschmack auf das im Herbst erscheinende neue Album.
An der Mainstage endete für mich dann auch der erste Tag mit der Headliner-Show von AnnenMayKantereit. Als ich die Kölner Jungs 2014 zum ersten Mal im Vorprogramm von Kraftklub gesehen habe, war ich zwar schlagartig begeistert, aber dass sie nur ein paar Jahre später als Headliner vor zigtausenden Menschen stehen würden, hatte ich damals nicht geahnt. Und auch wenn die Band spürbar an Selbstsicherheit und Souveränität gewonnen hat, wirkten sie auf der großen Bühne doch kein bisschen arrogant. Fast schon kam ein Gefühl von Intimität auf, wenn Henning May alleine am Klavier saß und mit seiner unvergleichlichen Stimme die schönen und weniger schönen Seiten des Lebens besang. An anderer Stelle hatte man das Gefühl, einem Haufen guter Kumpels beim Herumalbern zuzusehen, wenn die gesamte Band inklusive Trompeter Ferdi über die Bühne wuselte. Und wenn man einen Song im Urlaub nun mal auf einem Koffer statt einem Schlagzeug komponiert hat, warum sollte man ihn dann nicht auch auf der Bühne auf einem Koffer spielen? AnnenMayKantereit gaben einen bemerkenswert bodenständigen und sympathischen Headliner ab und schafften es dabei ohne Probleme, authentisch zu bleiben. Abgerundet wurde der Auftritt dann noch durch eine Zugabe in Form eines neuen Songs mitten im Publikum.
Der Festivalsamstag brachte zwar keine kühleren Temperaturen, aber erstmal eine gehörige Portion Regen in den Westfalenpark. Von den meisten wurde das wohl eher als willkommene Abkühlung gesehen und so tummelten sich schon am frühen Nachmittag beim Auftritt von Querbeat zahlreiche Tanzfreudige auf der Festwiese. Die zweite Mainstage stand hingegen erst einmal im Zeichen des Hip-Hop. Nach Finch Asozial bewies das Verbale Style Kollektiv, kurz VSK genannt, dass gute Rap-Musik ganz ohne Autotune auskommt. In bester 90er-Manier zeigte die Crew rund um K.I.Z ihr Können und wurde vom Dortmunder Publikum wärmstens aufgenommen. Die lahm gewordenen Hip-Hop-Arme konnten beim nächsten Act direkt wieder wachgeschüttelt werden, denn bei den Leoniden kann erfahrungsgemäß kaum jemand still stehen bleiben. Obwohl die Kieler Indie-Band in diesem Sommer gefühlt jedes Festival mitnimmt, strotzten sie auch an diesem Tag vor Energie. Schon der Aufbau und Soundcheck wurde im Zusammenspiel mit den treuen Erste-Reihe-Fans zu einem Mini-Konzert, was dann aber durch die eigentliche Show natürlich noch getoppt wurde. Ekstase auf der Bühne, vor der Bühne, überall. Die Menge sprang, tanzte und pogte zu den mitreißenden Songs der beiden bisher veröffentlichten Alben und die Leoniden selbst zeigten sich unter anderem mit einem spontanen „Barbie Girl“-Cover gewohnt gut gelaunt und spielfreudig. Der obligatorische Ausflug von Jakob ins Publikum durfte dabei natürlich nicht fehlen. Diese Show war definitiv eines der Highlights der diesjährigen Juicy Beats-Ausgabe!
Weiter ging es eigentlich mit OK Kid, doch die Herren ließen leider recht lange auf sich warten, was bei dem pünktlich durchgetakteten Festival doch eher eine Seltenheit war. So reichte es für mich nur noch für die ersten drei Songs, die mit „Lügenhits“ und „Kaffee Warm“ aber auch schon direkt die persönlichen Highlights bereithielten, bevor es zur Konzerthaus Stage am See zu Rikas ging. Dort fiel man aus dem Festivaltrubel in eine Art Parallelwelt, in der man vor der beschaulichen Bühne ganz entspannt im Sand zur lässigen Musik des Stuttgarter Vierergespanns tanzen konnte. Für die abgelegene Lage im Park hatten doch recht viele Besucher*innen ihren Weg dorthin gefunden und das schien kein Zufall zu sein. Die Rikas-Crowd war nicht nur ziemlich textsicher, sondern schaffte es sogar, einen kleinen, aber ordentlichen Pogo aufzufahren, was laut Aussage der überraschten Band noch nicht allzu oft vorgekommen ist. Mit „Fanny Pack Party“ präsentierten Rikas direkt noch einen Vorboten des Debütalbums, das im Oktober erscheinen wird und auf das ich mich nach diesem schönen Festivalerlebnis gleich noch ein bisschen mehr freue.
Was bei Rikas eher noch als Mini-Moshpit ausfiel, nahm beim nächsten und letzten Act auf der zweiten Hauptbühne wesentlich größere Dimensionen an. Die Drunken Masters wissen, wie man eine gewaltige Party feiert und bewiesen das auch in guter, alter Tradition beim Juicy Beats. Das DJ-Duo feuerte einen Hit nach dem anderen ab und trumpfte dabei noch mit Gast-Auftritten von Felly, Juicy Gay und K.I.Z auf. Vor allem das neue Maxim-Feature „Bier“, das in diesem Sommer schon ein paar Mal gespielt wurde, dessen Veröffentlichung aber noch auf sich warten lässt, stieß beim Festivalpublikum natürlich auf offene Ohren. Und dass Nico beim Crowdsurfen kurzerhand in die falsche Richtung entführt wurde, konnte zum Glück auch geregelt werden und der Rapper erreichte letztendlich doch wieder die sichere Bühne. Wer sich diese Abrissparty entgehen ließ, hat zwar wirklich etwas verpasst, doch SDP lockten mit Feuerwerk und Besuch von den 257ers vor die Hauptbühne und konnten dort wohl auch einen würdigen Festivalabschluss feiern. Beendet wurde die Nacht schließlich auf den zahlreichen DJ-Floors oder bei der Silent Disco auf der Mainstage. Vorausgesetzt man hatte Glück bei der schlecht organisierten Kopfhörer-Ausgabe, denn mit nur einem einzigen Ausgabestand und ohne geregelten Zufluss gipfelte das Anstellen für viele leider in Gedrängel und Gedrücke, das auch nach über einer Stunde nicht zu Erfolg, sondern eher zu verärgerten Gesichtern führte. Aber abgesehen davon und von der mangelhaften Toilettensituation (viel zu wenige, dafür aber überteuerte Toiletten) konnte mich das Juicy Beats auch in diesem Jahr mit einer wunderschönen Location, guter Organisation und einem abwechslungsreichen Line-up überzeugen!
Für Luis bleibt da nur noch die Rap-Bühne zu ergänzen:
Am anderen Ende des Geländes versteckte sich zudem eine Bühne vor einem auf dem Boden aufgemalten Schachbrett. Und hier gab es jede Menge Rapmusik zu sehen! Hauptsächlich waren das Acts, die für eine der Hauptbühnen einfach zu wenig Leute ziehen. So blieben die Rapnerds unter sich und konnten vor dieser, für ein Festival wirklich kleinen, Bühne viel sehen und sich verausgaben. Das Programm begann hier mit Erotik Toy Records. Die Crew besteht aus unterschiedlichsten Charakteren, die alle eine extreme Einzigartigkeit mitbringen, aber musikalisch gar nicht komplett zusammen passen. Es ergab sich ein buntes Potporee, ein bunter Blumenstrauß voller Musik, dazu eine gute Portion Humor. Anschließend gaben sich einige lokale Acts aus dem Dortmunder Umkreis das Mic weiter, die noch nicht alle so super waren. Zur besseren Unterhaltung gehörten hier die Noldi Gang & Konz, denen sichtlich egal war, was das Publikum von ihnen denkt. Sie feierten sich als wären sie die Headliner des Festivals – kann man genau so mal machen. MC Smook und LGoony rundeten das Programm ab, das pünktlich um 22 Uhr der Anwohner wegen beendet sein musste. LGoony sorgte dabei für den Turn up, für den seine Shows bekannt sind und zog das gut gefüllte Schachbrettfeld komplett mit. MC Smook stoß mit seiner besonderen Art auf mehr Gegenwind und Unverständnis. Seine Songs, die unter anderem davon handeln, dass Frauen auf keinen Fall in einen Club gehen sollten oder Rauchen das Dümmste ist, das man machen kann, wurden nicht von allen Anwesenden mit dem nötigen Augenzwinkern verstanden. Aber genau das macht Provokation wohl aus, umso lustiger war es für seine mitgebrachten Fans. Mehr als nur Trap gab es also diesmal auf der Rapbühne, die von Baunz gesponsert wurde. Gerne mehr von dieser Art von Line up, die das Juicy Beats von anderen Festivals ähnlicher Größe unterscheidet und mehr Platz für Newcomer und Einzigartiges bietet.
Und so sah das im letzten Jahr aus:
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Fotos von Yvonne und Andrea
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