Krieg im Kopf, im Verstand, im Geist, in den Gedanken. Ein eher abschreckendes Bild – was könnte da wohl einem bevorstehen? Und wie klingt das musikalisch? Beth Hart hat sich genau diese Frage für ihr neues Album gestellt und vertont. Herausgekommen ist etwas sehr Gelungenes.
War In My Mind ist locker schon die zwölfte Studioveröffentlichung, die es von Beth Hart gibt, allerdings erst das siebte Album, das charten wird. Die 47-jährige Sängerin aus L.A. macht seit Anfang der 90er Musik – jedoch erst seit dem noch aktuellen Jahrzehnt erfolgreich genug, um in die Verkaufslisten zu gelangen. Dass es überhaupt mal soweit kommt, war vorerst nicht abzusehen. Hart hat eine lange Drogen- und Alkoholkarriere hinter sich und einige Tiefen überwunden, die man ihr auch gerne bei Performances ansieht und anmerkt. Verschleiert wird hier wenig. Es wird aber auch erst gar nicht versucht.
Und das macht die hierzulande zwar nicht unbekannte, aber dennoch viel zu wenig beachtete Hart so anders. Texte, die nicht an der Oberfläche schwimmen, sondern Schattenseiten präsentieren, innere Zerrissenheit offenbaren und anecken. Musikalisch wird das in anspruchsvolle Kompositionen gebettet und mit Gesang, der nicht weniger als Weltklasseniveau vorweist, abgerundet.
Ein gedanklicher Krieg klingt selbstverständlich nicht nach Kaffeekränzchen – die Apokalypse steht aber zum Glück auch nicht bevor. Beth Hart trägt gerne mal dick auf, kippt aber weder in die Depression ohne Lichtblick noch in Klanggewitter ohne Struktur. Stattdessen kann sich der Zuhörer auf 52 anspruchsvolle und gleichzeitig gut konsumierbare Minuten freuen. Berichtet wird von Wünschen, Ängsten, Streitigkeiten, Verführungen und Unsicherheiten.
War In My Mind hält zwölf Nummern parat, die nahezu alle unterschiedlich und dennoch kohärent klingen. Eine Kombination aus Blues, Rock, Gospel, Balladen und poppigen Hooks. Bereits der Opener „Bad Woman Blues“ geht ins Ohr, ohne sich zu penetrant zu verheddern. Beim Autofahren darf trotzdem ordentlich aufgedreht und mitgesungen werden. Rotzig-frech beweist Hart schon zu Anfang, dass oftmals ihre Stimme, die irgendwo zwischen Janis Joplin und P!nk anzusiedeln ist, genügt, um gute Songs zu tragen. Dabei hat sich die Produktion keinesfalls zu verstecken, im Gegenteil: echte Instrumente, echter Sound, kein elektronisches Beigemische. Wie gewohnt das Beifügen von Effekten mittlerweile ist, fällt daran auf, dass einem die Titel im Klang fast schon old-schoolig vorkommen.
Aber ist das ein Qualitätsabbruch? Wohl kaum. Beth Hart macht eben Musik, die zwar nicht nach 2019 klingt, aber dafür hand-made und authentisch. Weitere Highlights neben dem groovigen Opening sind der Titeltrack, der seinem Namen alle Ehre macht und nach einem chaotischen und gleichzeitig sortierten Tohuwabohu klingt und gerne zwischen lautem Knall und Sekunden voller Stille spielt. Power-Pop-Balladen-Fans dürfen mit „Let It Grow“ voll auf ihre Kosten kommen, das durch einen sehr starken Chor weit nach vorne geht und emotional voll abholt – würde diesen Titel eine Adele singen, wäre Platz 1 safe. Dass gesanglich aber im Vergleich zu Adele nicht nur geiler Sound sondern dazu noch Stimmakrobatik drin ist, beweist das aufbrausende, intensive „Rub Me For Luck“. Mit „Try A Little Harder“ kehrt auch der Saloon aus dem Wilden Westen ins herbstliche Deutschland – und mit „Sister Dear“ und „Thankful“ gelangen gleich zwei Lieder auf die Platte, in denen sich Hart bei Personen und Einflüssen bedankt, die ihr wichtig sind. Verpackt in träumerische Melodien.
Einen Totalausfall gibt es kein einziges Mal. Lediglich vielleicht zwei oder drei Nummern, die als „ganz nett“ an einem vorbeischreiten. Letztendlich liefert aber das Ausnahmetalent Beth Hart, die nicht weniger als eins der womöglich musikalisch besten Konzerte in diesem Jahr gespielt hat (lest HIER nochmal unseren Bericht aus Bochum), fast eine Stunde lang guten bis sehr guten facettenreichen Rock, der teilweise sofort, teilweise erst nach drei Durchläufen zündet, dann aber ordentlich. Heute ist das so kaum noch vorzufinden. Eins der wenig wirklich guten Alben im Jahr 2019!
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