Interview mit Wavves über „Hideaway“

Wavves - Jesse Lirola

(ENGLISH VERSION BELOW) Altes Label. Neuer Produzent. Alte Themen. Neuer Sound.  Auf ihrem aktuellen Album „Hideaway“ meistern die kalifornischen Indie-Punks Wavves die Gratwanderung zwischen Vergangenheit und Zukunft der Band. Mastermind Nathan Williams hat uns im Interview über die Entstehung der Platte aufgeklärt, bei der plötzlich alles so schnell ging, dass direkt ein Nachfolger im Gespräch ist. Noch viel lieber sprach der gut gelaunte Frontmann aber über Fußball, die beste Serie der Welt und seine Liebe zu Tieren.

Nach dem Ausstieg beim Major-Label hatte Wavves-Gründer Nathan Williams die Zügel wieder fest in den eigenen Händen und produzierte sowie veröffentlichte das bis vor Kurzem letzte Album „You’re Welcome“ (2017), in Eigenregie. Mit „Hideaway“ geht es gewissermaßen ein bisschen zurück in die Zeit davor. Nicht nur, weil Wavves zu ihrem allerersten Label Fat Possum, auf dem mitunter das erfolgreiche „King Of The Beach“ erschien, zurückkehrten, sondern auch weil „Hideaway“ wieder mehr eine Band-Platte ist. „Wir haben eine Menge zusammen aufgenommen, zumindest die Basis der Tracks. Stephen [Pope] und Alex [Gates] haben auch einiges mitgeschrieben, in instrumentaler Hinsicht. Zudem haben wir mit Ross [Traver] einen neuen Schlagzeuger, der zum ersten Mal mit uns aufgenommen hat ­­­­­­­­­­– also ist es wahrscheinlich wieder ein bisschen näher an ‚V‘, dem vorletzten Wavves-Album“, erzählt Williams.

Business as usual

Moment mal. Band-Platte? Das passt doch irgendwie nicht zu dem, was man überall über das neue Album liest: Das Außergewöhnliche ist doch, dass er sich doch allein in den Schuppen hinter dem Haus seiner Eltern ­– seinem „Hideaway“ – zurückzogen hat, um an Songs zu arbeiten, oder? „Also das hat niemand gesagt. Das ist so eine Journalistenzeile, denn ich schreibe eigentlich jedes Album dort. Ich nehme mir ein paar Wochen frei und gehe dort hin, weil es ruhig ist und meine Eltern auf meinen Hund aufpassen können. Ich versuche dort eigentlich nur allein an ein paar Demos zu arbeiten“, klärt der Frontmann auf.

„Mach dir keine Sorgen“

Das neue Album ist also nicht nur wirklich eine Band-Platte, auf „Hideaway“ arbeiteten Wavves auch wieder mit einem Produzenten zusammen – genauer gesagt, sogar mit gleich zweien. Die Zusammenarbeit mit Dave Sitek, dem Gitarristen von TV On The Radio, kam dabei eher zufällig zustande: „Ich kenne Dave schon ziemlich lange und habe ihm gegenüber sozusagen beiläufig erwähnt, dass es nicht so gut läuft mit dem Produzenten. Wir mochten einfach nicht die Richtung, in die es mit ihm ging.“ Williams wurde von Sitek kurzerhand in sein Heimstudio eingeladen, um ihm die bisherigen Versionen der Songs vorzuspielen. Als Williams sie ihm allerdings zeigte, konnte er an seinem Gesichtsausdruck erkennen, dass sein Gegenüber sie nicht mochte. „Er fragte dann, wie die Demos klingen und ich spielte ihm meine Originale vor, die ich im Haus meiner Eltern aufgenommen hatte. Dave meinte, dass diese Songs richtig gut sind, nur die von der Aufnahme aus dem Studio klingen schrecklich“, führt Williams aus. Sitek schlug ihm vor, nochmal komplett von vorne anzufangen und das tat er, wenn auch ziemlich rabiat: „Wir feuerten den anderen Typen und fingen mit Dave noch mal von vorne an. Es dauerte etwa zwei Wochen und wir hatten das Album. Er sagte, ‚Mach dir keine Sorgen‘ und dann ging alles so schnell, weil er vom Hören der Songs her genau wusste, was wir damit machen sollten.“

Direkt das nächste Album?

Es klickte schließlich sofort zwischen Wavves und Sitek: „Es war einfach perfekt. Von den Demos, die wir ihm geschickt haben, gab es nur einen Song, der es letzten Endes nicht auf das Album geschafft hat“, sagte Williams, der seitdem in regem Austausch mit Sitek steht. „Dave hat mir in den letzten paar Wochen immer wieder geschrieben und gefragt, wann wir wieder ins Studio gehen und aufnehmen. Er sprach von der zweiten Hälfte des Albums, denn ich hatte ihm ursprünglich 35 Demos geschickt, von denen wir noch eine zweite Platte aufnehmen könnten.“ Also falls nicht „irgendeine andere abgefuckte Form dieser Covid-Nummer kommt“, werden Wavves wahrscheinlich schon bald wieder im Studio sein.

Keine Angst vor Country

Das klingt so, als könne das potenzielle Album wieder in eine ähnliche Western-Kerbe wie „Hideaway“ einschlagen. Der neue Sound der Kalifornier ist nämlich vor allem auf Sitek zurückzuführen: „Das hatte ich nicht geplant. Das war etwas, das Dave aus der Tasche gezogen hat. Ich war ein bisschen besorgt, weil es für uns etwas ganz anderes war“, sagt Williams. „Aber weißt du, es ist wichtig, keine Angst vor Neuem zu haben. Denn ich möchte nie ein Künstler sein, der immer wieder die gleichen Songs schreibt.“ Vor allem bei Songs wie „The Blame“, merkt man das Country-Brandzeichen, das der Produzent den Indie-Punks einbrennen konnte. Produzenten können durch ihr Gespür für Songs den Sound von Demos in ganze andere Richtungen lenken, das weiß Williams noch von der Zusammenarbeit mit John Hill auf „Afraid Of Heights“. „Ein gutes Beispiel ist der Song ‚Dog‘, der ein langsamer, irgendwie gruseliger Song nur mit Akustikgitarre, Bassline und Glockenspiel wurde. Als ich John die Demos schickte, war es ein richtiger Rocksong. Er hatte den Track komplett entschlackt und ihn trotz derselben Akkorde so klingen lassen, wie er heute klingt.“ Wer sich laut Williams also jemanden bei Aufnahmen anvertraut, kann durchaus profitieren: „Wirklich gute Produzenten wie Dave oder John fügen diese kleinen Dinge hinzu und machen dich zu einem besseren Künstler. Das ist auch genau das, was Dave bei unserem aktuellen Album getan hat.

Nathan Soprano

Da Williams schon den ganzen Morgen Fragen zu dem neuen Album beantwortet, ist er eigentlich ganz froh, als wir über Umwege auf seine Lieblingsserie zu sprechen kommen. Der Wavves-Sänger- und Gitarrist spielt seit seinem siebten Lebensjahr Fußball, später sogar auf dem College, deswegen verfolgt er aufgeregt die zum Zeitpunkt des Interviews noch laufende Europameisterschaft. „Es gibt nicht wirklich einen Grund, die USA bei der WM anzufeuern, deswegen bin ich für Italien, das ist mein Team“, prescht er vor. Das liege aber nicht nur an seinen italienischen und portugiesischen Wurzeln, sondern auch an seiner Liebe zu Tony Soprano, dem Mafia-Kingpin aus der Serie „The Sopranos“.  „Es ist so seltsam, denn es ist eine der Serien, die ich immer wieder angeschaut habe, in den letzten paar Jahren und ich sehe, dass viele Leute wieder über die Serie sprechen und das ist gut, denn ich denke immer noch, dass sie die beste Serie ist, die je gemacht wurde.

Liebe geht in dem Fall auch durch die Ohren, denn als DJ-Duo Sweet Valley mit seinem Bruder Joel widmet er sogar eine ganze Reihe Electronic-Remixe jeder einzelnen Folge der Serie. Über das bald erscheinende Prequel „The Many Saints Of Newark“ hat Williams dennoch gespaltene Gefühle: „Ich mochte den Trailer nicht wirklich, aber ich freue mich auf den Film. Es macht ich fast ein bisschen traurig, weil ich James Gandolifni die letzten zehn Jahre jeden Abend auf meinem Fernseher gesehen haben und jetzt spielt sein Sohn, der ihm so ähnlich sieht, Tony Soprano.“

„Wenn jemand keine Hunde mag, dann traue ich ihm nicht“

Williams hat nicht nur ein Herz für Italo-amerikanische Mafiabosse mit Hang zum Größenwahn, sondern ein noch viel größeres Herz für Tiere. Sein zuvor erwähnter Hund wurde nämlich im Alter von zwei Monaten von den Straßen Mexikos gerettet und fand ein neues Zuhause bei dem Wavves-Frontmann. In der Hoffnung auf eine ähnlich lange Lebensspanne nannte er den Hund nach seiner Katze Chloe, die ganze 23 Jahre wurde. „Ich weiß nicht, was es ist, ich liebe einfach Tiere. Ich meine, wie könnte man sie nicht lieben. Dann wärst du ein richtiges Stück Scheiße. Ich habe das Gefühl, wenn jemand keine Hunde mag, dann traue ich ihm nicht“.

Unsere Review zu “Hideaway” gibt es hier.

Hier (physisch) kannst du dir das Album kaufen.*

Und so hört sich das an:

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Old label. New producer. Old themes. New sound.  On their current album “Hideaway”, Californian indie-punks Wavves master the tightrope walk between the band’s past and their future. Mastermind Nathan Williams enlightened us in an interview about the making of the record, where suddenly everything happened so fast that a successor is being talked about right away. But the good-humoured frontman would much rather talk about football, the best series in the world and his love for animals.

After leaving the major label, Wavves founder Nathan Williams had the reins firmly in his own hands again and produced as well as released the until recently last album “You’re Welcome” (2017), on his own. In a way, “Hideaway” takes us back to the time before. Not only because Wavves returned to their very first label Fat Possum, on which the successful “King Of The Beach” was released, but also because “Hideaway” is more of a band record again. “We recorded a lot together, at least the basis of the tracks. Stephen [Pope] and Alex [Gates] also co-wrote quite a bit, instrumentally. Plus, we have a new drummer in Ross [Traver], who recorded with us for the first time – so it’s probably a bit closer to ‘V’ again, the penultimate Wavves album”, Williams tells us.

Business as usual

Wait a minute. Band record? That somehow doesn’t fit with what you read everywhere about the new album: The extraordinary thing is that he retreated alone to the shed behind his parents’ house – his “hideaway” – to work on songs, right? “Well, nobody said that. That’s just a journalism line, because I actually write every album there. I take a couple of weeks off and go there because it’s quiet and my parents can look after my dog. I actually just try to work on some demos there by myself“, the frontman clarifies.

“Don’t worry about it”

So the new album is not only really a band record this time, on “Hideaway” Wavves also worked with a producer again – to be precise, even with two. The collaboration with Dave Sitek, the guitarist of TV On The Radio, came about rather by chance: “I’ve known Dave for quite a long time and I mentioned to him in passing that things weren’t going so well with the producer. We just didn’t like the direction it was going with him.” Williams was unceremoniously invited by Sitek to his home studio to play him the versions of the songs so far. However, when Williams showed them to him, he could tell by the expression on his face that his counterpart didn’t like them. “He then asked how the demos sounded and I played him my originals that I had recorded at my parents’ house. Dave said those songs are really good, it’s just the ones from the studio recording that sound terrible”, Williams elaborates. Sitek suggested he start all over again and he did, albeit rather ruthless: “We fired the other guy and started all over again with Dave. It took about two weeks and we had the album. He said, ‘Don’t worry about it’ and then it all went so fast because he knew from listening to the songs exactly what we should do with it.”

Next album?

It clicked immediately between Wavves and Sitek: “It was just perfect. Of the demos we sent him, there was only one song that didn’t make it onto the album in the end”, said Williams, who has been in lively communication with Sitek ever since. “Dave kept texting me over the last couple of weeks asking when we were going to go back into the studio and record. He was talking about the second half of the album, because I had originally sent him 35 demos that we could do a second record from.” So unless “some other fucked up form of that Covid number comes along“, Wavves will probably be back in the studio soon.

Not afraid of country

It sounds like the potential album could hit a similar Western notch as “Hideaway” again. After all, the Californians’ new sound is mainly due to Sitek: “I hadn’t planned that. It was something that Dave pulled out of the bag. I was a little worried because it was something completely different for us“, says Williams. “But you know, it’s important not to be afraid of new things. Because I never want to be an artist who writes the same songs over and over again.” Especially on songs like “The Blame”, you notice the country brand the producer has been able to burn into the indie punks. Williams remembers from working with John Hill on “Afraid Of Heights” how producers in general can take the sound of demos in completely different directions through their feel for songs. “A good example is the song ‘Dog’, which became a slow, kind of creepy song with just an acoustic guitar, bassline and chimes. When I sent John the demos, it was a real rock song. He’d completely stripped the track down and made it sound like it does today, despite having the same chords.” So, according to Williams, if you entrust yourself to someone when it comes to recording, you can definitely benefit: “Really good producers like Dave or John add those little things and make you a better artist. That’s exactly what Dave did on our current album, too.”

Nathan Soprano

Since Williams has been answering questions about the new album all morning, he is actually quite happy when we talk about his favourite series – via detours. The Wavves singer-guitarist has been playing football since he was seven, and later even in college, so he’s excitedly following the European Championship, which is still going on at the time of the interview. “There’s not really a reason to cheer for the USA in the World Cup, that’s why I’m for Italy, that’s my team”, he blurts out. But that’s not just because of his Italian and Portuguese roots, he says, but also because of his love for Tony Soprano, the Mafia kingpin from the series “The Sopranos”. “It’s so weird because it’s one of the shows I’ve watched over and over again, in the last couple of years and I see a lot of people talking about the show again and that’s good because I still think it’s the best show ever made.”

That love also goes through his ears in that case, as DJ duo Sweet Valley with his brother Joel, he even dedicated a whole series of electronic remixes to every single episode of the series. Still, Williams has mixed feelings about the soon-to-be-released prequel, “The Many Saints Of Newark”: “I didn’t really like the trailer, but I’m looking forward to the movie. It almost makes me a little sad because I’ve watched James Gandolifni on my TV every night for the last ten years and now his son, who looks so much like him, is playing Tony Soprano.”

“If someone doesn’t like dogs, I don’t trust them”.

Williams not only has a heart for Italian-American mob bosses with a penchant for megalomania, but an even bigger heart for animals. His aforementioned dog was rescued from the streets of Mexico at the age of two months and found a new home with the Wavves frontman. Hoping for a similarly long lifespan, he named the dog Chloe after his cat, who lived to be a full 23 years old. “I don’t know what it is, I just love animals. I mean, how could you not love them. You’d be a right piece of shit. I feel like if someone doesn’t like dogs then I don’t trust them.”

Die Rechte für das Beitragsbild liegen bei Jesse Lirola. (Image rights are held by Jesse Lirola.)

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