Stellt euch mal vor, ihr veröffentlicht eure erste EP, die wird zum großen Hype und zieht gleich mal eine Neuauflauge mit Remixen von u.a. Beck, Hot Chip Little Dragon und Sylvan Esso nach sich. Klingt zu abgefahren, um wahr zu sein, ist bei Remi Wolf und ihrem Mini-Debüt “We Love Dogs!” aber genau so passiert. Abgesehen davon, dass dem EP-Titel wohl niemand widersprechen möchte, liegt das wohl vor allem an dem abgedreht-überwältigenden Sounds, die die 25-jährige US-Amerikanerin zusammenwürfelt. Bester Beweis für die etwas andere Art von Pop-Musik ist übrigens der Titel der zweiten EP: “I’m allergic to dogs!” Nun folgt also das vielerorts erwartete Debütalbum “Juno”, bei dem vielleicht im Titel an Kreativität gespart wurde, dafür aber nicht bei den Stücken selbst.
Alles ist jetzt
Remi Wolf läuft auf TikTok wie warme Semmel. Ihr Auftritt bei Jimmy Kimmel mit einem Medley aus den Songs „I’m Allergic To Dogs!“, „Hello Hello Hello“ und „Photo ID“ erreichte dort über 10 Milliarden Views. Kann man so machen! Wer einmal in die Musik der jungen Künstlerin reinhört, ahnt auch, woher die Faszination der Gen Z kommen könnte – hier passieren so viele Dinge gleichzeitig, dass die kurze Aufmerksamkeitsspanne des sozialen Netzwerks optimal genutzt wird. Zum einen wäre da Remi Wolfs Stimme, die sie ganz Chamäleon-like vom lässigen Sprechgesang zu charmantem R’n’B-Satin bis zu kieksendem Art-Pop umfunktionieren kann. Zum anderen aber war die Person beim Mixing wohl auf ganz besonderen Stoffen unterwegs, so bizarr fährt hier alles zusammen. Hier 50 Hand Claps, da mal ein paar Delfine (!!!) (“Front Tooth”), dort mal wüstes Geblubber (“Volkanio”) und dann noch bitte ein Bar Piano auf High Speed (“Anthony Kiedis”). So geht Pop 2021.
Die Hits hinter den Soundexperimenten
Das besondere Kunststück ist natürlich, eben genau jenes zusammenzuführen: Eingängigkeit und Experiment. Auch das gelingt Wolf mit erstaunlicher Leichtigkeit – erstaunlich vor allem auch deshalb, weli selbst die Songtexte alles andere als simpel sind. Beispiel gefällig? “Ain’t got no time for the frenemies / Eating my ass like the human centipede” oder “I’m cracked the surface creme brûlée / Don’t fly, me oh my” heißt es etwa im Handclap-Hit “Quiet on Set”, doch irgendwie wollen selbst diese irren Wortwitze nicht für eine Sperrigkeit des Albums sorgen. Dafür ist das Songwriting wiederum zu griffig, lässt sich auch von den wilden Spielereien rundherum nicht aus dem Konzept bringen. Wolf singt also im Opener “Liquor Store” über ihre Abstinenz, während sich hinter dem lässigen R’n’B plötzlich kantige Riffs (!) herauspellen. Logisch. “wayd” karrt schnell noch Synthies heran, wozu Wolf mal eben Hip-Hop-Smoothness reinbringt. Alles klar! Und der Closer “Street You Live On” bringt – natürlich – noch komplett überdrehte Kinderchöre ins Game. Einzig “Buttermilk” wirkt in diesem Gesamtkunstwerk, als wäre es dann doch etwas über die Ziellinie herausgeschossen. Ansonsten ist “Juno” ein herrlich verrücktes und trotzdem absolut hittiges Debüt von einer Künstlerin, die hoffentlich noch viel mehr Wortwitze und Delfin-Sounds für uns bereit hält.
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