Plattenkrach: K.I.Z – Sexismus gegen Rechts

KIZ - Sexismus Gegen Recht

„Ding, Ding, Ding.“ Der berühmt-berüchtigte Plattenkrach läutet in dieser Woche seine mittlerweile achte Runde ein. Redakteurin Anna und Kollege Christopher liefern sich dabei einen verbalen Schlagabtausch über ein Werk aus dem Jahr 2009, das aus inhaltlicher Sicht bis heute an Aktualität nicht verloren hat. „Sexismus gegen Rechts“ heißt die Platte der Berliner Rap-Combo K.I.Z., welche die Gemüter spaltet. Während Anna das Album bereits seit neun Jahren zu ihren absoluten Lieblingsplatten zählt, hat Christopher als Hip-Hop-Neuling zum ersten Mal hineingehört und seine Eindrücke geschildert.

Anna sagt:

In einer Zeit, in der Musiker und bekannte Persönlichkeiten verstärkt ihre Stimmen erheben, um sich gegen Fremdenhass, Rassismus und Gewalt auszusprechen, und Hashtags á la #wirsindmehr durch das Land fegen wie Kehrmaschinen nach dem Rosenmontagszug, schauen wir in dieser Woche auf eine Platte zurück, die – obwohl sie im kommenden Jahr ihren 10. Geburtstag feiert – aktueller nicht sein könnte: „Sexismus gegen Rechts“ heißt das großartige Werk und stammt von niemand geringerem als den fantastischen Jungs von K.I.Z.

Die Berliner Rap-Crew gehört zu einer der wenigen, die sich hierzulande seit den Anfangstagen des deutschsprachigen Hip-Hops behaupten konnte – und bis heute kann: Gewitzt, frech, vorlaut – aber talentiert und durchaus politisch akzentuiert zeigen die Jungs mit Berliner Schnauze und einer geballten Ladung Provokation, was ihnen auf den Leim geht. Und das in einer Form, in der auch die weniger Intelligenten Beatrix von Storches und Alexander Gaulands dieser Welt begreifen (sollten), dass es sich um Persiflage handelt. Die maßlosen Übertreibungen und endlosen Passagen von Selbstironie belegen, dass es sich hierbei – trotz hoher Schimpfwort-Dichte – um qualitativ hochwertige, niveauvolle und kluge Musik handelt. Auch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BpjM) war sich nach gründlicher Prüfung einig, dass das Album – eben wegen seiner offensichtlichen Selbstironie – nicht indiziert werden müsse.

„Sexismus gegen Rechts“ (2009) ist nach „Das RapDeutschlandKettensägenMassaker“ (2005) und „Hahnenkampf“ (2007) das dritte Studioalbum, das die Band – bestehend aus den Rappern Nico, Tarek, Maxim und (zumindest damals noch) Plattendreher Sil-Yan alias DJ Craft – herausgebracht hat. Das Erfolgsrezept: Sexismus – wie der Name des Albums bereits verrät – gepaart mit schwarzem Humor und Gesellschaftskritik. Selbst das Artwork der Platte komplementiert das provokante Konzept der Band par excellence: Von niemand geringerem als Aggro-Berlin-Urgestein und Ex-Chef Specter wurde das Design hierfür entworfen und zeigt die Rapper in dunkler, sadistischer Fetischkleidung. Im Hintergrund eine aufreizend-gekleidete Domina und Sexsklavin, welche die Mitglieder der Combo an der Leine hält. In ihrer rechten Hand schwingt sie eine an das Nazi-Regime erinnernde rote Fahne, die mit einem Vagina-Piktogramm verziert ist. „Sexismus gegen Rechts“ ist eben ein provozierendes Gesamtkunstwerk in Reinkultur – aus musikalisch-lyrischer, aber auch aus optisch-vermarktender Sicht. Aber können in solch einer Form überhaupt Missstände in Gesellschaft, Politik oder gar Wirtschaft ironisierend herübergebracht werden, ohne dass all die Alice Schwarzers dieser Welt auf die Barrikaden steigen? – Na, aber hallo!

Betrachten wir dazu im Folgenden einige Songs und Textausschnitte genauer: Während K.I.Z. auf „Ein(t)ritt“ (etwa mit Lines wie „Ich will dein‘ Mutterkuchen, ich hab Lust auf Gebäck / Spiele Russisch Roulette / Und mein Schluckauf ist weg“) noch den „Hund in der Pfanne verrückt“ werden lassen, die „gleichen Rundungen wie Cartman“ beim weiblichen Geschlecht glorifizieren, aber vor allem Kritik an dem Gangverhalten („Gang“ im Sinne von Bande) der Berliner Polizei üben, zieht sich die Rap-Combo auf „Selbstjustiz“ auf einem der besten Beats der Geschichte (produziert von Tai Jason) Richterperücken auf, um die selbsternannten Gutmenschen da draußen auf eigener Faust zu verurteilen und sie auf die Paradoxie ihres Selbstjustizgedankenguts aufmerksam zu machen („Sag‘, wer dich geschlagen hat oder du kriegst noch eine!“ … „Du darfst keine Knarre tragen, bei mir ist das was anderes!“).

Auf dem kurzen Sampler „Rohmilchkäse“ zu Joe Dassins ‚Aux Champs-Élysées‘ besingt K.I.Z.-Mitglied Maxim, der französische Wurzeln hat, das gestörte deutsch-französische Beziehungsgeflecht, das im Veröffentlichungsjahr 2009 durchaus präsent war. Dabei werden sowohl typisch-deutsche Klischees aus der Sicht eines Franzosen persifliert („Und meine Mutter vergießt eine Träne / sie machen Zucker in die Mayonnaise“ …Fern von der Heimat, ich werde gefühlskrank / Diese Wilden packen Camembert in den Kühlschrank“) als auch die gespannte-politische Lage mit einschlägigen Punchlines unter die Lupe genommen („Wer fickt die Topmodels? Mein Präsident!“ – Anm. d. Verf.: Von 2007 bis 2012 war Nicolas Sarkozy französischer Staatspräsident, der 2008 das ehemalige Model Carla Bruni heiratete – … „Wir hatten Kolonien, ihr hattet Kohl“).

Der Track „Hurensohn Episode 1“, der eine Fortsetzung von einem der bekanntesten K.I.Z.-Songs darstellt, wird dabei von einem Ausschnitt des Films „Human Traffic“ eingeleitet, ehe der altbekannte Hit in etwas abgewandelter Fassung folgt. Der Film handelt vom Leben und Leiden des Sohns einer Prostituierten. Dass sich der Song dabei natürlich – wie so oft üblich bei der Berliner Rap-Combo – am Rande des guten Geschmacks bewegt, ist der Gruppe aber durchaus bewusst („Über sowas macht man wirklich keine Witze“).

Der wohl herzzerreißendste Song des Albums namens „Ringelpiez mit Anscheißen“ besingt in altbewährter ‚ramontischster‘ (sic!) Form die Missstände des deutschen Gesundheitswesens mit R’n’B-Flair, persifliert aber gleichwohl die schmierigen Schleimspuren, die so manch beherzter Macho bei seinen unglücklichen Flirtversuchen hinterlässt. So heißt es in der melodischen Hook: „Baby ich fick in dein Arschloch / Bis mein Herz in deinem Darm pocht / Oh mein Gott ist das romantisch / Ich spür‘ deine Bandscheibe / Baby ich fick in dein Fett, bis / Du vor Geilheit in mein Bett pisst / Oh mein Gott ist das romantisch / Ringelpiez mit Anscheißen“. Ein Song an alle R’n’B-Interpreten da draußen, die musikalisch-überflüssigen Nonsens-Gulasch fabrizieren und den Verfall der Gesellschaft herbeirufen. Ein Fest!

An dieser Stelle müssten nun eigentlich etliche Zeilen folgen, die „Sexismus gegen Rechts“ in voller Ausführlichkeit rezensieren. Zeilen, die entsprechend grandiose Punchlines auflisten und die jedem Song eine vollständige Interpretation widmen. Doch dann würde an dieser Stelle nun ein Text mit Roman-Ausmaßen folgen, um dem Werk gerecht zu werden. Fest steht: K.I.Z. – die kürzlich erst von dem glaubwürdigsten Tagesklatschblatt Deutschlands, der BILD-Zeitung, als „Hass-Band“ und „Gewalt-Verherrlicher“ deklariert wurden – stehen auch ohne weiteren Erklärungen für sich. Ihre Texte, ihr Erscheinungsbild, ihre Message sind eindeutig und grandios. Ihre Gesellschaftskritik ist mehr als berechtigt und regt zudem zum Nachdenken an, fördert aber in keiner Weise, selbst sexistisches oder rechtes Gedankengut zu streuen. Die ironischen Wortwitze, die deutliche als solche zu erkennen sind, machen K.I.Z. dabei zwar zu einer politisch-ambitionierten Gruppe, durch ihren lupenreinen Rap unterstreichen Tarek, Maxim und Nico aber zudem ihr musikalisches Talent und ihre Daseinsberechtigung im deutschsprachigen Hip-Hop.

So lässt sich zusammenfassend sagen: „Sexismus gegen Rechts“ strotzt nur so von vernichtend-wortwitzigen Punchlines, dargeboten in erstklassigem Rap. Aber auch die grandiosen Beats – vorwiegend von Produzentengrößen wie WassBass, KD Supier oder Tai Jason kreiert – sowie die melodischen Hooks gepaart mit musikalischem Abwechslungsreichtum lassen das Album zu einem der Besten in den 2000er-Jahren werden. Dass K.I.Z. erst vergangene Woche in Chemnitz ohne jegliche Bezahlung mit vielen tausenden Menschen ihre Stimme gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in Deutschland erhoben und einige der Lieder dieses Albums in ihrem Programm aufgenommen haben, spricht für die Einzigartigkeit und den Einsatz der Band sowie eine wichtige Kernaussage der Platte, die es zu verbreiten gilt. Wer dieses Album nicht verstehen kann oder verstehen möchte, dem kann Tarek K.I.Z. entgegnen: „Du bist nicht der Hellste, so wie ich bei K.I.Z.“. Danke, für solch eine grandiose Musik!

Und Christophers Meinung dazu:

Eins vorweg – ich habe keine Ahnung von deutschem Hip-Hop. Wirklich nicht. Als ich 1999 aufs Gymnasium kam, war Hip-Hop die allgegenwärtige Musikrichtung. Allerdings eher amerikanischer. Somit kann ich zwar mit den großen Tracks von Eminem, 50 Cent, Dre und Snoop einiges anfangen, aber das deutsche Gedöns ist nie so wirklich bei mir angekommen. Ab und zu mochte ich zumindest Songs von Samy Deluxe, Curse oder Savas. Das muss man beachten, um mit der folgenden Kritik etwas anfangen zu können!

Das Zweite vorweg – ich schreibe regulär keine Kritiken in der Ich-Perspektive. Ich mache das nun aber ganz bewusst, um die Subjektivität in meinem Text zu verdeutlichen. Kommen wir aber doch zum eigentlichen Material:

64 Minuten K.I.Z., über die ich bisher keine wirkliche Meinung hatte. Ich kannte zwar die großen Hits „Hurra, die Welt geht unter“, „Geld essen“ oder „Was willst du machen?“, dann hört’s aber auch schon auf. Ich mag Alligatoah und SXTN sehr und hatte mir irgendwas dazwischen erhofft. Damit lag ich nicht so richtig falsch, aber auch nicht so wirklich richtig. Das Album mit dem glamourösen Titel „Sexismus gegen Rechts“ gibt schon einen ungefähren Richtwert vor. Ambition kann man mir nicht absprechen: ich habe die Platte für diese Rezension 3x gehört! Aber ich finde sie trotzdem einfach nur… nun ja… nicht so gut, sage ich mal.

So ganz ungewohnt scheint mir das Alles doch nicht zu sein: Ich höre einen Track, der die Melodie von „Les Champs-Élysées“ zockt. Anscheinend ist Samplen für die Jungs kein Fremdwort. Bestätigt sich bei Track 3 erneut, dessen Hook mir noch aus der Erotik-Komödien-Kultreihe „Eis am Stiel“ bekannt vorkommt. Ein paar Songs später droppt eine Line von Sido, die ich erkenne. Der darf nachher sogar selbst ans Mic – Zufall? K.I.Z. haben auf jeden Fall ein gewisses Händchen für Humor, nur absolut nicht für meinen. Ich verstehe, dass Leute das lustig finden. Ich verstehe, dass Leute das schlau finden. Leider finde ich wirklich beides nicht. Die gesamte Produktion klingt häufig unfertig und Demolike. Auf der einen Seite knallt es mir zu wenig, auf der anderen Seite ist es mir nicht witzig genug und in der Mitte finde ich’s häufig einfach nur asi.

Dabei gibt’s immerhin zwei Titel, die für mich auffallen. „Rauher Wind“ steuert klar auf die Finanzpolitik hin und wird von mir auch ohne die Lyrics zu lesen verstanden. Das gelingt mir bei dem Großteil des Albums nicht. Ist es meine fehlende Street-Credibility? Who knows. Ich merke, dass ich bereits nach einem Drittel der Platte gestresst bin. Mein ADHS-Ansatz wird unglaublich getriggert, ich weiß gar nicht, worauf ich mich konzentrieren soll. Mein Verlangen, eingängige Melodien zu hören oder coole Beats zu entdecken, fährt leider voll gegen die Wand.

„Ringelpiez mit Anscheißen“ lässt mich zum Ende hin nochmal aufhorchen und ist so dermaßen verrückt-gestört, dass ich leicht angewidert und dennoch grinsend mich dabei ertappe, wie ich mit dem Kopf schüttele und endlich irgendeine Reaktion zeige. Bei „Preisschild“ hatte ich sehr auf eine Hommage an Jessie Js „Price Tag“ gehofft. Leider musste ich traurig feststellen, dass das erst eineinhalb Jahre später geschrieben wurde. Da mich ansonsten musikalisch so gut wie nichts kriegt, höre ich schnell nicht mehr zu. Das No-Go bei Alben wie diesem, behaupte ich mal. Trotz Flippersounds, Samples von Klassikern und Schimpfwörtern, die ich bisher nicht kannte, platzt mir beim Rest einfach der Kopp.

Warum das nun ein so großer Wurf in der deutschen Hip-Hop-Szene war, werde ich wohl nie verstehen. Ich möchte es kein viertes Mal hören. Entweder fehlt es mir an Intelligenz oder meine bezaubernde Kollegin Anna ist einfach ‘ne Hoe – yo!

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Mehr Plattenkrach: Hate it or love it – was für den einen ein lebensveränderndes Monumentalwerk ist, ist für die andere nur einen Stirnrunzler wert! Ein Album, zwei Autor*innen, ein Artikel, zwei Meinungen! Mehr Auseinandersetzungen findest du hier.

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