Musicals sind nicht gerade das Genre, das hier häufig vorkommt, aber trotzdem hat es ein Musical in unseren Plattenkrach geschafft. Für Marie ist das Cast-Album vom „Hamilton“ aus der Feder von Lin-Manuel Miranda ein Genre-übergreifender Meilenstein, während Max mit Musicals eher weniger anfangen kann.
Marie sagt dazu:
Die historische Geschichte einer der Gründungsväter Amerikas verpackt in einem Rap-Musical. Das hört sich erst einmal wie eines dieser schrecklichen, überpädagogischen Konzepte an, um junge Menschen für Theater und Geschichte zu begeistern. Wer musste sich nicht während der Schulzeit durch schreckliche Theaterstücke durchquälen in denen über 40-Jährige mit schlechten Reimen zeigen wollten, dass sie auch „hip“ sein können. Um zu verstehen, warum das Musical „Hamilton“ nicht in diese Kategorie fällt, sondern ein hörenswertes Album ist, sollte man erst einmal ein paar Hintergrundinformationen erklären.
Geschrieben wurde das Musical von Lin-Manuel Miranda, der auch den Hauptcharakter Alexander Hamilton spielt beziehungsweise singt. Der eigentliche Plan war es aus den Songs ein Hip-Hop Konzept Album zu machen wurde über den Haufen geworfen und nach über 8 Jahren Arbeit konnte das Stück, so wie es auf dem Album zu hören ist, auf dem Broadway seine Premiere feiern. Seit dem ist es ununterbrochen ausverkauft und kann Erfolge in den verschiedensten Bereichen verbuchen, die normalerweise gar nicht direkt mit dem Musical-Genre verknüpft sind. Neben den Tony Awards (der größte Award der Musical-Gemeinschaft) gewann es auch einen Grammy, den Pulitzer Preis und schaffte es als erstes Cast-Album auf Platz 1 der amerikanischen Rap-Charts.
Aber wer ist eigentlich dieser Alexander Hamilton über den die ganze Zeit gesungen wird? Manchen wird er als das Gesicht auf dem 10-Dollar-Schein bekannt sein, denn Hamilton war der erste Finanzminister Amerikas und wurde als die rechte Hand von George Washington bekannt. Auch wenn sich das auf den ersten Blick nicht gerade spannend anhört, ist die Geschichte voll mit Liebesaffären, Rivalitäten und Duellen. Ein großes und erzählenswertes Drama eben.
Musikalisch wird weniger auf klassische Musical-Songs gesetzt, sondern viele Einflüsse aus dem Hip-Hop, Pop oder Jazz zugelassen. Das kreiert einen einzigartigen Sound, der die Geschichte passend rüberbringt. So wird zum Beispiel die Debatte im Kongress zwischen Hamilton und seinem Rivalen Jefferson als Battle-Rap ausgetragen, wodurch man direkt in die Situation hinein gezogen wird und mit jedem Charakter mitfühlen kann. Jede Textzeile, jedes einzelne Wort ist mit Bedacht gewählt und je öfters man die Songs hört, desto mehr kleine Details fallen einem auf. Jeder Charakter in der Story hat seine Eigenheiten, die auch musikalisch in verschiedenen Themen umgesetzt werden und immer wieder aufgegriffen werden. Insgesamt ist „Hamilton“ eine wahre Geschichte über ein unterschätztes Leben, unterlegt mit mitreißender Musik, die auch als Album ohne aufwendige Show begeistert!
Max findet:
Der erste Eindruck war: Wow, zwei CDs und mehr als zwei Stunden Musik. Damit hatte ich nicht gerechnet. Der zweite Eindruck war, dass ich das irgendwie schon gehört habe. Sozusagen ein Déjà-Escuché, denn schon das erste Lied „Hamilton“ wurde bestimmt schon einmal gesampelt von Macklemore oder einem anderen Rapper. Für ein Musical singen die Sänger sowieso erstaunlich viel Sprechgesang (vielleicht deshalb auch die Macklemore-Assoziation). Erfreulich viel Sprechgesang könnte man auch sagen.
Denn schon in Lied Nummer zwei hat mich die Musik irgendwie sehr gefangen und ich frage mich, wie denn das ganze im echten Musical wäre, so mit Bühne und Menschen und Tanz.
Diese Gedanken werden stärker bei „The Story Of Tonight“, wo Hamilton mehr wie Musical klingt, denn dann wünsche ich mir mehr visuelle Untermalung. Rein musikalisch gibt mir nämlich ein Musical-Sound leider nicht ganz so viel. Und auch da bleibt Hamilton keine Ausnahme.
Auch bei „The Schuyler Sisters“ kommen Eindrücke auf, die irgendwie aus dem Radio bekannt sein. Hat Rihanna hier geklaut, oder so? Oder Hamilton? Wer war denn früher? Oder war das überhaupt Rihanna, die so ähnlich klingt?
Der Soundtrack geht dann irgendwie so weiter, manche Lieder mit ein bisschen mehr Dynamik und Power (so wie z.B. Right Hand Man (wunderbar ein schon gehörtes Lied „My Shot“ wieder aufgegriffen)), andere dann wieder Musical-typisch gesangsmäßig, eher mäßig spannend.
Inhaltlich geht es vor allem um Alexander Hamilton, eine Liebesgeschichte darf natürlich auch nicht fehlen (die einzige Aufgabe der Dame ist, reich zu heiraten, um die Familie vorsorgen zu können). Ansonsten gibt es Krieg, genau genommen den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (z.B. Battle of Yorktown 1781), der das Leben des Alexander Hamilton bedroht. Später geht es für Hamilton dann (wie so oft für Militärs in den USA) in Richtung Politik. Und voila, man hat das Musical Hamilton.
In „Cabinet Battle #1“ geht es dann richtig vorwärts mit einer Art Politik-Rap-Battle.
Insgesamt finde ich den Soundtrack irgendwie einen besseren Musical-Soundtrack. Es gibt ein paar positive Überraschungen, aber letztlich bleibt es ein Musical. Das muss man halt mögen.
Ich persönlich würde mir Hamilton tatsächlich sehr gern ansehen für die visuelle Untermalung und auch um der Geschichte, die ein Musical erzählt, besser folgen zu können. Marie hat das Stück vermutlich mindestens einmal auf der großen Bühne gesehen und deshalb ganz andere Assoziationen und positive Gefühle damit in Verbindung; Assoziationen, welche ich so nicht haben kann.
Ansonsten bin ich sehr stolz, mehr als zwei Stunden Musical durchgehört zu haben!
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Mehr Plattenkrach: Hate it or love it – was für den einen ein lebensveränderndes Monumentalwerk ist, ist für die andere nur einen Stirnrunzler wert! Ein Album, zwei Autor*innen, ein Artikel, zwei Meinungen! Mehr Auseinandersetzungen findest du hier.
Und so hört sich das an:
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