Das Kimiko Festival ist eines der eher kleineren Festivals, das nicht zwangsläufig jedem Musikfan in Deutschland bekannt ist. In Aachen kennt das Kimiko jedoch jeder, stellt es doch seit mehreren Jahren ein wichtiges Highlight im städtischen Veranstaltungskalender dar. Da ich mich drei Jahre lang zu den Einwohnern der Kaiserstadt zählen durfte, ist mir das Kimiko schon ewig ein Begriff, tatsächlich habe ich es jedoch nie geschafft dem Festival endlich einmal einen Besuch abzustatten. In diesem Jahr war es dann endlich so weit.
Nach zwei Jahren Pandemie bedingter Pause durften sich die Aachener wieder auf Livemusik freuen und strömten in Scharen in Richtung Campus Melaten. Auf einer Vorwiese des Campus-Boulevard mit bestem Blick auf die fundamentale High-Tech-Architektur des Uniklinikums spielte sich das musikalische Geschehen auf drei verschiedenen Bühnen ab. Mainstage und International Talent Stage befanden sich dabei in nächster Nähe zueinander und wurden abwechselnd bespielt, so dass das Publikum sich nur wenige Meter bewegen und keine zähen Umbaupausen erdulden musste. Der Nachteil besteht bei einer solchen Taktung ohne Unterbrechung gleichzeitig natürlich darin, dass jedes Anstehen am Bierstand oder der Besuch einer Toilette damit verbunden ist Livemusik zu verpassen. Das ist besonders ärgerlich, wenn sich solche „Unterbrechungen“ unnötig in die Länge ziehen. Hierzu jedoch später mehr. Neben den zwei genannten Bühnen wurde auf der Electronic Talent Stage, die sich im hinteren Teil des Geländes befand, elektronische Musik gespielt. Zahlreiche tanzende Festivalbesucher zeugten davon, dass dieses Angebot abseits des Programms der beiden Hauptbühnen sehr gut angenommen wurde.
Keine zwei Meter ohne ein Hallo
Das Kimiko Festival bucht in erster Linie Künstler*innen aus dem deutschsprachigen Raum und fokussiert sich dabei im Wesentlichen auf die Genres Rap, Indie und Electro. Dabei achtet Veranstalter Rick Opgenoorth auch auf Diversität und Einzigartigkeit, um den Kimiko Publikum ein möglichst abwechslungsreiches Line Up aus gestandenen Künstlern und solchen, die es werden wollen, zu präsentieren. Das ist in 2022 sehr gut gelungen. Mit MEUTE und Provinz konnte das Kimiko Festival zwei extrem beliebte Headliner gewinnen, erstere haben sich inzwischen international einen Namen gemacht und Provinz gehören zu den aufstrebenden deutschen Bands der letzten Jahre. Mit Die Orsons, Haiyti, LGoony und 01099 wurde für Rapfans Einiges aufgeboten, Fans von Indie(pop) konnten sich neben den genannten Provinz über Artists wie Alli Neumann oder ÄTNA freuen. Neben Wochenendtickets verkaufte das Kimiko Festival auch Tagestickets, so dass für jede*n das passende Angebot dabei gewesen sein sollte.
Das Kimiko Festival bietet jedoch mehr als Livekonzerte. Es ist in erster Linie ein großes Familientreffen, ein Get-Together in angenehmer Atmosphäre. Gefühlt die halbe Stadt Aachen ist für drei Tage auf den Beinen und macht sich einfach ein paar schöne Tage auf dem Campus Boulevard. Als ehemaliger Aachener konnte ich keine zwei Meter auf dem Gelände zurücklegen, ohne auf bekannte Gesichter zu treffen. Ließ man den Blick über die Menge auf dem Festivalgelände schweifen, war zu beobachten, dass es sehr vielen Menschen so ging. Verständlich nach zwei Jahren Pandemie, in denen viele den Kontakt zu den Mitmenschen auf ein Minimum reduzierten. Das große Wiedersehen mit vielen Freund*innen, für einige Besucher*innen sicher auch die ersten Festivalauftritte des Jahres machten das Kimiko Festival zu einem Erlebnis.
Anstehen, Anstehen, Anstehen
Die ersten Festivals seit 2019 – was für besonders viel Vorfreude und Euphorie bei den Zuschauer*innen sorgte, war leider auch an vielen Ecken und Enden der Organisation anzumerken. Nicht für alle Aspekte, die vor Ort für Frustration sorgten, waren die Veranstalter*innen des Kimikos direkt verantwortlich. Deutschlandweit klagen Veranstalter*innen und Gastronom*innen über einen eklatanten Mangel an Servicepersonal. Fachkräfte haben die Branche während der Pandemie verlassen und nach zwei Jahren Pause müssen sich Strukturen auch erst einmal wieder einspielen, so fair sollte man sein. Einige frustrierende Situationen für das Festivalpublikum hätten sich jedoch, besonders am ersten Festivaltag, sicherlich besser auflösen lassen können. Der Zutritt zum Gelände erfolgte nur extrem langsam, insgesamt warteten viele Festivalbesucher eine Stunde, um ihre Tickets endlich gegen ein Festivalbändchen eintauschen zu können. Mehr Eingänge hätten die Situation sicherlich entlastet. Leider verpasste ich durch das lange Warten die kompletten Auftritte von Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys und Rikas. Hatte man es nun auf das Festivalgelände geschafft, konnte man sich gleich in der nächsten Schlange anstellen, denn für den Erwerb von Getränken und Speisen vor Ort waren Jetons notwendig. Das hat sich ja inzwischen auf vielen Festivals eingebürgert und ich stehe dem grundsätzlich auch offen gegenüber. Beim Kimiko Festival hatte man jedoch leider nicht den Eindruck, dass es eine Erleichterung für Besucher*innen und Barpersonal darstellt. Die fleißigen Mitarbeitenden an den Theken und Essensständen mussten immer wieder das Becherpfand addieren, Beträge errechnen und entsprechende Jetons zurückgeben. Auch die Essens- und Getränkeausgabe lief nicht einwandfrei. In der Regel mussten die Festivalbesucher mindestens zwanzig Minuten Zeit einplanen, bis sie ihr nächstes Getränk oder Essen dann auch wirklich in der Hand hielten. Ärgerlich, wenn gleichzeitig das Bühnenprogramm ohne Unterbrechung durchläuft. Hier herrscht definitiv noch Optimierungsbedarf, mit einigen durchgeführten Veranstaltungen werden aber sicherlich viele Automatismen bei Veranstaltungsteam und Personal auch wieder zurückkehren. Positiv zu erwähnen ist definitiv die Toilettensituation vor Ort. Hier bilden sich auf vielen anderen Festivals die längsten Schlangen, beim Kimiko Festival konnte man meist ohne Anstehen direkt die nächste saubere Toilette besuchen.
Erfrischende Kaltgetränke, die familiäre Atmosphäre auf dem Gelände und gute Liveperformances ließen den ersten Frust über das lange Anstehen schnell vergessen. Passend zu den letzten Sonnenstrahlen des Tages wurde der tanzbare Pop von Alli Neumann und der ballernde Rap von Haiyti gut vom Publikum aufgenommen und mit Applaus bedacht. Richtig voll wurde das Gelände jedoch erst zum Auftritt des Headliners MEUTE. Die elfköpfige Techno-Marching-Band braucht weder Ansagen und auch nur sehr wenig Gesang, um die Menge zum Tanzen zu bringen. Die MEUTE-Beats, die Interaktion mit dem Publikum und natürlich auch die Konfettikanonen heizten das Publikum gut an. Strahlende Gesichter und viel Bewegung vor der Bühne – was kann es Schöneres geben nach zwei Jahren Stillstand? Kurz vor Ende ihres Sets packten MEUTE natürlich auch ihr wohl bekanntestes Cover „You & Me“ aus. Musikalisch war das ein sehr guter erster Festivaltag.
Gute Konzerte, gute Laune & endlich wieder Festivals!
Am zweiten Tag des Festivals habe ich mir noch die Auftritte von Kid Simius, Die Orsons und Provinz angeschaut. Mit den Beats von Kid Simius in den Ohren, einem kalten Festivalbier und vielen feiernden Menschen tanzend in den Konzerttag starten – was kann es Besseres geben? Die Antwort auf diese Frage lautet: Die Orsons. Denn Tua, Kaas, Maeckes und Bartek sind nicht nur auf Platte witzig und innovativ, sondern veranstalten bei ihren Konzerten eine riesige Party vor und auf der Bühne. Die Stimmung war außerordentlich gut und viele textsichere und feierwütige Leute fanden sich vor der Mainstage ein. Etwas ruhiger und emotionaler wurde es schließlich beim Headliner des Tages. Eigentlich dachte ich, dass ich gar nicht so viele Songs von Provinz kenne. Ich konnte jedoch trotzdem Einiges mitsingen und wurde von der einzigartigen Stimme des Sängers mitgerissen. Damit war ich auf dem Kimiko Festival definitiv nicht alleine. Noch von weitem konnte man die Menschenmenge mitsingen hören. So endete das Kimiko am zweiten Tag mit einem glücklichen Gefühl im Bauch. Obwohl sich an den Anstehzeiten an den Getränke- und Essensständen leider auch am zweiten Tag nicht viel geändert hatte, stand man etwas weniger an. Zumindest die Einlass- und Jeton-Schlange hatten sich nun erledigt, denn ein Großteil der Festivalbesucher besuchte das Kimiko an allen drei Tagen und hatte sich bereits am Vortag mit Jetons für das ganze Wochenende eingedeckt.
Das Kimiko Festival wurde am dritten Tag mit Auftritten von Sticky Dojah & DJ Coma, 01099, LGoony und vielen mehr abgerundet, leider konnte ich am Sonntag nicht mehr dabei sein. Insgesamt ist das Kimiko ein familiäres Festival, dass nicht nur einen festen Platz im Herzen der Aachener verdient hat, sondern für viele Menschen im Umkreis sicherlich einen Besuch wert sein kann. Freuen wir uns also jetzt schon auf das Line Up in 2023!
Website / Facebook / Instagram
Foto von Melvin.
* Affiliate-Link: Du unterstützt minutenmusik über deinen Einkauf. Der Artikel wird für dich dadurch nicht teurer.