So war das RheinRiot 2019

Ein Indoor-Festival mitten im Sommer starten zu lassen, ist ohne Frage eine waghalsige Idee. Zwar möchte das RheinRiot es genau den Leuten ermöglichen, die es nicht zum Wacken oder anderen Metal-Institutionen schaffen, trotzdem die richtige Portion Metal abzukommen – aber ganz so groß scheint die Nachfrage da gar nicht zu sein. Über weite Teile des Abends ist das Palladium nämlich trotz abgehangenem Oberrang und einem Vorhang am hinteren Drittel der Halle nicht sehr gefüllt. Musikalisch bleibt das völlig ungerechtfertigt, denn mit vier Acts schaffte das Festival den Spagat zwischen heißen Newcomern und alten Hasen, zwischen Metalcore, Crossover und Djent, zwischen Diversität und knallharten Sounds mit links.

Besonders leicht haben es die ersten Bands bei Festivals ja leider sowieso nie und so war es für die Metalcore-Neulinge All Hail The Yeti scheinbar auch keine große Überraschung, dass sich vor ihrer Bühne noch nicht ganz so viele Leute versammelten. Kein Grund aber, nicht trotzdem voll abzuliefern. Das Publikum dankte der Band ihre Hartnäckigkeit mit begeistertem Jubel zu Ende des Sets. Noch besser erging es da aber schon der zweiten Band des Abends: Jinjer. Das ukrainische Quartett um Energiebündel Tatiana Shmaylyuk gilt vielerorts als der spannendste Genre-Newcomer, was auch die Anzahl an Jinjer-Shirts am heutigen Abend nochmal verdeutlichte. Ganz ihrem Ruf entsprechend rüttelte der brachiale Mix aus Djent, progressiven Elementen und Death-Core-Geknüppel das Palladium ordentlich durch, Shmaylyuk sorgte mit einem gekonnten Clash aus poppigen Clear Vocals und gutturalem Spucken für offene Münder und zahlreiche neue Fans – Da kommt noch einiges auf uns zu!

Zur Primetime übernahmen schließlich wahre Genre-Größen das gut aufgeheizte Publikum. Bei Life Of Agony (FOTO) fegten die satten Alternative-Metal-Riffs nur so aus den Boxen, Frontfrau Mina Caputo setzte ihr kraftvolles Timbre mit hymnischen Melodien gekonnt in Szene. Insbesondere in den vorderen Reihen offenbarte das Palladium leider wieder mal seine Soundschwächen, die Abmischung ließ über weite Teile doch leider sehr zu wünschen übrig. Doch großartig stören ließ sich das Publikum nicht und schmetterte ihren Idolen die Texte entgegen, wobei die Band sich vor allem auf die älteren Werke konzentrierte. Schon am 11. Oktober soll jedoch das neue Album der Band erscheinen, das zwei Jahre nach dem viel gelobten “A Place Where There’s No More Pain” herausgebracht wird. Eine kleine Kostprobe gab es schon in Köln mit einem neuen Song, der sich vor den Klassikern gar nicht zu verstecken brauchte.

Auf die Minute genau entern dann auch schon Body Count (Beitragsbild) mit einer Lässigkeit die Bühne, die von der jahrzehntelangen Bühnenerfahrung zeugt. Polizeisirenen jaulen, die Band stimmt den Slayer-Klassiker “Raining Blood” an. Ab jetzt ist das Publikum kaum wiederzuerkennen, der Moshpit tobt, Ice-T dirigiert die schwitzenden Körper mit seinen wütenden Ansagen gekonnt in die pure Euphorie. Obwohl vom ursprünglichen Line-Up nur noch der Frontmann und der Gitarrist Ernie C dabei (und am Leben (!)) sind, strotzte die Setlist nur so vor den alten Überhits, allen voran “Copkiller”, “Talk Shit, Get Shot”, “KKK B***h” und “Body Count”.  Doch auch trotz all der Klassiker bleibt der Auftritt kein reiner Nostalgie-Trip, denn die neueren Songs “No Lives Matter” und “This Is Why We Ride” vom 2017er Überalbum “Bloodlust” gehören zu den klaren Highlights des Abends. Wie schon “Raining Blood” andeutete, stehen Body Count zu ihren Vorbildern und so ist es auf jedem Album auch Pflicht, eins ihrer Idole mit einem Cover zu huldigen. Für “Carnivore”, das neue Album der Band, das schon in diesem Jahr erscheinen soll, spielen Body Count dafür kurzerhand “Ace Of Spades”. Das Motörhead-Cover feierte sein Livedebüt und sorgte für den größten Moshpit des Abends.

Doch nicht nur die pure Live-Energie zeigte, dass die Crossover-Truppe gekonnt im Jahr 2019 angekommen sind. Auch der liebevolle Umgang zwischen Ice-T und seinem Sohn und Backdrop Lil’ Ice und die spektakulären Instrumental-Spielereien der Band bewiesen einmal mehr, was für eine besondere Live-Band Body Count doch sind. Und da haben wir noch gar nicht von den gesellschaftskritischen Texten gesprochen, die in die heutige Zeit nicht weniger passen als in die 90er. So entschuldigt sich Ice-T nachdrücklich für Donald Trump, den “schlimmsten Präsidenten, den es jemals gab” und muss sich beim bewegenden Finale “This Is Why We Ride” gar eine Träne wegwischen. Ein Song, der allen gewidmet ist, die ihr Leben wegen Gewalt und Gangkriminalität verloren haben – wovon Ice-T wohl einige kennt. Bei all der Authentizität und frischen Energie macht es dann doch stutzig als “Onkel Ice” schon 61 ist.

Metal, der unter die Haut geht und dabei besonders abwechslungsreich ist – das RheinRiot macht alles richtig und zieht in den nächsten Ausgaben hoffentlich auch mehr Leute an. Denn Festivals müssen auch im Sommer nicht unbedingt über mehrere Tage andauern, um ordentlich abzuliefern.


Und so hört sich das an:

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Bilder von Julia.

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