Drawing Circles – das sind Vincent, 24, Sänger (Mitte), Sebastian, 23, Gitarre (links) und Aaron, 22, Gitarre und Bass (rechts). Die Songs der drei Musiker aus Bonn sind nicht nur unglaublich emotional, sondern auch etwas ganz Besonderes. Wie ihr spezieller Sound entstanden ist, wieso sie auf Englisch singen und warum eine ständige Weiterentwicklung für sie wichtig ist, erfahrt ihr im Interview, das wir am 08.04.2017 bei ihrem Konzert in der Utopiastadt/Hutmacher, Wuppertal, geführt haben:
Wenn ihr jemandem, der eure Musik nicht kennt, euren Sound beschreiben müsstet, in welches Genre würdet ihr euch einsortieren?
Sebastian: Wir haben kein Schlagzeug. Es ist atmosphärisch, aber nicht passiv. Sehr emotional – ich glaube, das fasst es zusammen, oder?
Vincent: Ja!
Aaron: Und dennoch Songs.
Sebastian: Und dennoch Songs, genau, deshalb passiv, aber dennoch songorientiert! Aber atmosphärisch und nicht so… extrem.
Aaron: Also unsere eigene Genre-Kreation ist „Ambient Alternative“.
Drawing Circles gibt es seit 2011. Wie habt ihr euch kennengelernt und wie ist die Band entstanden?
Vincent: Also kennengelernt haben wir uns erstmal zu Zweit – Sebastian und ich über eine Kirchengemeinde, in die unsere Eltern gegangen sind. Dadurch wussten wir voneinander und davon, dass wir Musik machen. Das hat sich aber alles ein bisschen gezogen. Wir wollten uns immer mal treffen, haben’s dann aber doch nicht gepackt und zu der Zeit habe ich auch noch in einer Metal-Band gespielt. Da habe ich Sebastian zu einer Bandprobe eingeladen, weil wir einen Gitaristen gesucht haben. Das war aber absolut nicht Sebastians Musik! Absolut verständlich. Dann haben wir uns aber irgendwann doch mal getroffen bei mir und haben einfach gejammt mit einer Akustik-Gitarre und Gesang und ein bisschen improvisiert. Das hat halt sofort gepasst! Da dachten wir uns „lass mal ein Projekt machen!“ und so entstand eigentlich Drawing Circles. Im Laufe der Zeit hatten wir dann erstmal noch einen Perkussionisten, Manuel, der dann aber wieder die Band verlassen hat. In dieser Zeit kam Aaron dazu.
Aaron: Vor drei Jahren – das ist krass! Die Zeit fliegt.
Vincent: Ja, Aaron und Sebastian hatten sich im Studium kennengelernt. Selbe Geschichte: „Oh, wir machen Musik! Lass mal was zusammen machen!“ und dann waren wir zwischenzeitlich zu Viert, als Manuel ging zu Dritt und dann ging auch schon die Albumphase los.
War denn „Ambient Alternative“ von Anfang an der Sound, den ihr erreichen wolltet? Vincent, du erwähntest gerade schon, dass du eigentlich vorher in einer Metal-Band warst…
Sebastian: Der Sound hat sich auf jeden Fall so ergeben! Der entstand genau aus dem Punkt heraus, als wir uns von den Perkussions getrennt haben, sozusagen. Da hatten wir gerade so einen Funken, der in diese Richtung ging, den wir jetzt gerade haben und das haben wir praktisch ausgefeilt und erkundet. Also auch, wie wir das live machen können und das ist momentan praktisch das Ergebnis. Das spielen wir, so gut es geht, und versuchen es mit den limitierten Mitteln, die wir haben, so gut es geht umzusetzen. Aber das hätten wir uns früher nicht gedacht, dass das so kommt.
Aaron: Das entstand aus dem Prozess heraus. Also eine stetige Weiterentwicklung, was ein bisschen abgedroschen klingt, aber so ist.
Sebastian: Die Limitierung! Also Limitierung hat unsere Musik eigentlich immer geprägt. Wir haben uns immer in irgendwelchen physischen Limitierungen bewegt.
Wer von euch schreibt die Texte? Sind alle Lyrics autobiografisch?
Vincent: Die Texte schreibe ich. Wir haben auf unserer ersten EP, die wir veröffentlicht haben, einen Song, den Sebastian und ich zusammen geschrieben haben. Aber der Rest der Texte stammt von mir und die sind auch alle autobiografisch. Natürlich aber als Kunstmittel zu betrachten. Ich erzähle jetzt nicht von A nach B eine Geschichte, sondern in diesem Stilmittel Lyrics, aber autobiografisch.
Welcher Song eures Albums „Sinister Shores“ ist für euch der persönlichste und warum?
Vincent: Für mich als „Texteschreiber“ würde ich auf „Sleepless“ und „Similar Skins“ gehen, weil diese beiden so in den Texten eigentlich am intensivsten sind für mich und damit halt eben einen sehr hohen, persönlichen Wert haben. Also, alle Songs sind für uns das Ding, aber wenn ich mich entscheiden müsste, dann wären es „Sleepless“ und „Similar Skins“.
Für die eure Live EP „Traveler Session“, die Anfang des Jahres erschienen ist, habt ihr erstmalig einen Song gecovert: “My Head Is A Jungle” von Emma Louise. Wie kam es zu dem Cover und wieso habt ihr euch für diesen Song entschieden?
(Alle lachen.)
Aaron: Also aus der Management-Ebene und so kam immer mal wieder der Anstoß „hey, wie wär’s wenn ihr mal was covert?“ und gewissermaßen haben wir uns immer dagegen gesträubt, weil es für uns einfach cooler ist, eigene Musik zu machen. Aber irgendwann haben wir uns dieser Idee dann hingegeben. Wir hatten diese Idee, „Jungle“ zu covern, schon länger – also lange vor der „Traveler Session“ – aber wir haben diese Idee dann einfach noch einmal genommen, zerstückelt, neu aufgearbeitet und dann in dieses neue Arrangement gebracht. Wir hatten davor ein anderes Cover, was war das noch mal? … „Can’t Feel My Face“ von Weeknd! Das hatten wir auch in einer, ich finde immer noch, relativ coolen Version gemacht, aber wir mussten erst „Can’t Feel My Face“ covern um festzustellen, dass „Jungle“ geeigneter ist für den Zweck, den wir haben. Und dann haben wir uns auch dazu entschieden, das mit auf die Session zu packen.
Sebastian: Mittlerweile ist das auch einer der Songs, die live wirklich am meisten Spaß machen, so vom Spielen und Genießen her! Deshalb spielen wir den auch immer noch.
Und was haltet ihr von deutschsprachiger Musik? Habt ihr auch schon mal überlegt, eure Songs auf Deutsch zu schreiben?
Aaron: Ohja, seitdem wir das Video von Böhmermann geguckt haben!
(Alle lachen.)
Vincent: Deutschsprachige Musik. Ja, also der Kurzverweis zu Jan Böhmermann in bestimmten Kategorien der Musik ist schon richtig, aber es gibt definitiv deutsche Künstler, die wir gut finden. Ohne jetzt für alle sprechen zu können, bei mir ist es vor allem der deutsche Hip-Hop-Bereich, der jetzt gerade sehr am boomen ist und der, wie ich finde, halt auch eine wirklich, wirklich schöne Richtung annimmt. Ich war auch schon immer so’n bisschen mit den Oldschool-Sachen dabei, also so Blumentopf, Dendemann, Die Beginner und so. Und heute eben dann Leute wie OK Kid zum Beispiel. Es gibt wirklich, wirklich gute deutsche Musik. Aber es gibt auch wirklich, wirklich schlechte deutsche Musik, wo man einfach nicht weiß, warum?! Und die Idee, Songs auch mal selbst auf Deutsch zu schreiben, war schon da, die kam schon einmal auf! Aber irgendwo ist es doch das Englische, was uns mehr liegt, und wo wir uns auch einfach wohler fühlen.
Gibt es eine Band oder einen Künstler, mit dem ihr gerne mal auf Tour gehen würdet?
Aaron: Da gibt’s ne ganze Liste! (Alle lachen.) Boah…
Sebastian: Foxing! … Ich hab’s gesagt.
Aaron: Okay, jeder sagt einen! Dann sag’ ich: Daughter. Aus England.
Vincent: Dann muss ich jetzt nochmal Foxing sagen! Nee, okay, Foxing, Daughter und… The National!
Sebastian: Ohja!
Und gibt es eine Location, in der ihr gerne mal spielen würdet?
(Alle überlegen.)
Aaron: Vielleicht sowas wie Live Music Hall, einfach um Zuhause in Köln, den… wisst ihr was ich meine?
Sebastian: Hmm, ja, aber… gerne, aber ist das jetzt so…
Aaron: Ja, das ist kein Herzenswunsch – das stimmt.
Vincent: Ich würde sagen, dass wir doch schon sehr zufrieden sind im Moment mit den Locations. Gerade jetzt hier in Wuppertal Utopiastadt/Hutmacher. Das ist… ein Genuss! Natürlich gibt es in dem Bereich, in dem wir im Moment spielen, auch Läden, die eben halt nicht so cool sind. Aber wo man halt nicht drumherum kommt, wenn man nicht viele Leute zieht. Aber es sind dann doch tatsächlich viel eher diese kleinen Schätze, die wir so großartig finden. Natürlich in Köln – Live Music Hall – oder hier… das zakk in Düsseldorf!
Sebastian: Köln, E-Werk!
Aaron: Ja! Was allerdings nicht bedeutet, dass das Konzert dann halt gut wird. Nur weil man in nem großen Laden spielt ist ja nicht gegeben „wow, das wird die beste Show aller Zeiten!“ und ich behaupte jetzt einfach mal, bevor wir überhaupt gespielt haben, dass es heute in der Utopiastadt einfach gut wird! Auch wenn das nicht der riesigste Laden der Welt ist.
Ihr seid nach einem halben Jahr Live-Pause aktuell wieder auf kleiner Tour. Was ist das peinlichste, was euch bei einem Konzert bisher passiert ist?
(Alle lachen.)
Aaron: Wir haben tatsächlich, weil wir zu dem Anlass mal geskyped haben, alles noch mal Revue passieren lassen, also auch die blöden Momente, die wir hatten. Bei mir war es in Münster, April 2015, also vor zwei Jahren… Wir sind in die Bridge von einem Song übergegangen und da fange ich eigentlich alleine an zu spielen. Und ich hab den Part vergessen und dann so… halblaut geflucht. Und das war mir wirklich unangenehm! Mir ist es dann wieder eingefallen, aber das war dann ne halbe Sekunde zu viel und dann hab ich einmal leise „scheiße“ gesagt… Das war einfach sehr unangenehm! Und ja, ich schäme mich ein bisschen dafür, aber ich glaube, das passiert. Man muss auch mal schlechte Momente haben, um die guten zu schätzen zu wissen!
Was uns auch direkt zur nächsten Frage führt: was war der für euch bislang schönste Live-Moment?
(Alle überlegen.)
Sebastian: Ich überleg’ gerade… Also das Releasekonzert war auf jeden Fall einer der schönsten Momente bis jetzt! Einfach weil da so viel zusammengekommen ist… Diese ganze Album-Geschichte war für uns einfach ein riesiger Schritt. Da hing viel zusammen… eine, na ja, nicht „gescheiterte“, aber nicht ganz so erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne und ein ganz langer Weg dazwischen, viele Hürden. Das war für uns einfach so ein Abschlussmoment, wo wir gemerkt haben „okay, jetzt ist es fertig!“ und dann haben wir gespielt. Und es waren Leute da und das war für uns echt etwas Besonderes! Und dann war es halt auch einfach ein schönes Konzert.
Aaron: Es waren einfach, ich glaube, ungefähr 90 Leute da und das war ein cooler Meilenstein für uns, weil das so’n eigenorganisiertes Konzert war, im YUCA, in Köln im März 2016. Wir waren vorher nervös wie Scheiße! Aber am Ende war es das dann einfach nur wert. Diese ganze Spannung, die sich aufgebaut hat, in dem Album-Prozess, wurde dann so’n bisschen losgelassen.
Sebastian: Ansonsten gibt’s halt noch ein Konzert, das wir in Hamburg gespielt haben. Das war ganz, ganz … ganz, ganz abgespeckt! Eigentlich haben die immer nur einzelne Leute da und wir haben echt super, super abgespeckt akustisch gespielt. Da waren vielleicht 30-40 Leute oder so? Aber die Veranstaltungsreihe selber, die heißt „Sängerknaben & Sirenen“, bzw. die Leute, die dort hingehen, sind einfach super aufgeschlossen und wollen Musik hören! Das ist einfach echt unfassbar still da und es war einfach irgendwie eins der intensivsten Konzerte bist jetzt. Wir haben dort zwei Sets gespielt: einmal super laut und einmal extrem emotional! Und bei dem extrem emotionalen haben wir danach einfach alle selber gezittert! Ich glaube, so heftig habe ich das echt noch nie gehabt bis jetzt! Das ist auf jeden Fall echt in Erinnerung geblieben – das war richtig heftig! Tolle Konzertreihe.
Wie eben schon gesagt: ihr hattet jetzt ein halbes Jahr Live-Pause. Habt ihr in der Zeit schon an Material für das nächste Album gearbeitet?
Aaron: (lacht und sieht zu den anderen) Ja, das wäre jetzt gut zu wissen!
Vincent: (lacht ebenfalls) Sagen wir’s mal so: nachdem wir das Album so viel gespielt haben, war es nach der Tour und nach dem Jahr 2016, irgendwie schön, so’n bisschen von dem Ganzen etwas Abstand zu nehmen. Da wir aber alle Musik machen, kommt natürlich auch neuer Kram zusammen. Und gerade, wenn man sich dann auch so durch das Musikhören in andere Gebiete begiebt, und dadurch neue Einflüsse da sind, kommt ganz interessantes Material dabei rum. Da wir im Moment recht weit auseinander wohnen, ist es so, dass hier und da mal ne Sprachmemo zugeschickt wird. Dann hört sich der Eine das an und macht eventuell auch noch was dazu. Ohne jetzt speziell etwas zum zweiten, kommenden Album zu sagen: wir schicken uns Sprachmemos zu.
(Alle lachen.)
Was können wir denn 2017 noch von euch erwarten? Ist schon irgendetwas geplant?
Sebastian: Also wir spielen jetzt erstmal noch ein paar Konzerte über’s Jahr verteilt. Ein bisschen weniger, aber wir versuchen irgendwie, alles hinzubekommen.
Aaron: Es wird wesentlich konzentrierter, aber dafür haben wir dann einfach versucht, die Hotspots alle abzudecken.
Sebastian: Währenddessen… Ja, wir haben unser Set noch ein bisschen auf den Kopf gestellt im Vergleich zum letzten Jahr. Dass wir uns noch mal herausfordern und vielleicht rutscht auch irgendwo noch mal die ein oder andere neue Idee mal rein. Das ist gar nicht so unwahrscheinlich, aber mal sehen…
Wie kamt ihr denn auf die Idee, das Set so stark abzuändern?
Sebastian: Es war einfach die Pause… Wir haben praktisch letztes Jahr mit diesem Set, das wir gespielt haben, abgeschlossen. Das war jetzt nicht so, dass es jeden Abend gleich war, aber es hatte halt jeden Abend eine selbe Linie. Und da haben wir jetzt gesagt „okay, wir haben jetzt ein halbes Jahr nicht gespielt“ und jeder hat in der Zeit auch noch mal neue Einflüsse getankt. Da haben wir einfach gesagt, wir überdenken das Ganze jetzt noch einmal und fanden das auch für uns Pflicht.
Aaron: Ja und auch einfach um den Leuten, die kommen, etwas Neues zu geben. Ich finde, es wäre halt irgendwo frech gewesen, jetzt noch einmal genau die gleiche Setlist zu spielen.
Sebastian: Wir wollen das ja auch nicht einfach nur abspulen, …
Aaron: …sondern wir haben auch einfach selber Spaß daran! Gerade gestern in Düsseldorf – das war das erste Konzert 2017 – und nach einem halben Jahr Pause! Da ging’s dann langsam wieder los und das hat, zumindest für mich, unglaublich viel Spaß gemacht, auch wenn es nicht das rundeste Konzert aller Zeiten war. Aber einfach purer Spielspaß! Und es ist einfach schön zu wissen, dass dieses neue Konzept, das wir uns sowohl technisch, als auch Setlist-mäßig überlegt haben, einfach aufgegangen ist und die ganze Planung es dann auch wert war!
Wer Drawing Circles ebenfalls live erleben möchte, hat bei diesen Daten noch die Möglichkeit dazu:
20.04.17 // Reichenbach/Vogtland
21.04.17 // Erfurt
22.04.17 // Berlin
17.05.17 // Kiel
19.05.17 // Hamburg
Und so hört sich das an:
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