(ENGLISH VERSION BELOW) Mit 19 Jahren von Null auf Star: Katie Melua hat 2003 mit ihrem Debüt “Call Off The Search” einen internationalen Megaseller hingelegt und seitdem regelmäßig anspruchsvolle Singer/Songwriter-Platten zwischen Jazz, Blues und Folk veröffentlicht. Seit Mitte Oktober ist ihr achtes Studiowerk mit dem schlichten Namen “Album No.8” (lest HIER nochmal unsere Review) zum Anhören bereit und hat abermals die Top 10 in ihrer Heimat UK, bei uns und unseren deutschsprachigen Nachbarn erklommen. Viele Gründe, um der bezaubernden Künstlerin ein paar Fragen zu stellen.
minutenmusik: Liebe Katie, dein Album Nr. 8 heißt konsequenterweise “Album No.8”. Ein wirklich untypischer Albumtitel. Warum diese Wahl und warum gerade bei Nr. 8?
Katie Melua: Ich wollte hervorheben, für wie viele Platten ich die Ehre hatte, sie zu machen.
minutenmusik: 2020 ist nicht das einfachste Jahr, um Musik zu machen, zu veröffentlichen und noch weniger sie auch live zu präsentieren. Was hat dich trotzdem dazu bewegt zu sagen, dass es nun veröffentlicht werden soll und wie hat sich der Entstehungsprozess für dich angefühlt?
Katie Melua: Nun, Musik hat so starke Fähigkeiten. Zu heilen und Ängste abzubauen. Es hat mir so sehr geholfen, in diesem Pandemiejahr an dieser Platte zu arbeiten, und ich kann nur hoffen, dass sie das Gleiche für den Hörer tut. Es gab also absolut keinen Grund, die Veröffentlichung zu verzögern.
minutenmusik: Dein Albumcover zeigt dich mit einer großen Kamera. Es wirkt ein bisschen so, als ob du dich selbst im Spiegel fotografierst. Ist das Album eine Art musikalisches Selfie bzw. das Festhalten eines Moments?
Katie Melua: Ich würde sagen, es geht mehr darum, einzufangen, wie ich die Welt sehe. Ich wollte über die Liebe sprechen, aber so, wie ich sie in Wirklichkeit sehe. Ich wollte über die Komplexität von Beziehungen und Gefühlen sprechen, und ich habe das Gefühl, dass Lieder definitiv in der Lage sind, mit jeder Art von Material umzugehen. Das Cover musste so gestaltet werden, weil ich mich nicht mit einem Fotografen treffen konnte. Also schickte mir die brillante Rosie Matheson ihre Filmkamera.
minutenmusik: 17 Jahre ist es her seit der Veröffentlichung deines unglaublich erfolgreichen Debüts „Call Off The Search“. Was hat sich seitdem für dich verändert, sowohl in der Musikwelt als auch in deiner Arbeitsweise?
Katie Melua: Die Branche selbst hat sich massiv verändert, und mir gefällt eigentlich, wie dynamisch sie ist, wie sie immer in Bewegung ist. Ich habe gelernt, meine Spezialität zu finden, nämlich das Schreiben von Texten und die Liebe zum Wort im Songwriting, und das ist etwas ganz anderes als das Mädchen, das großartige Lieder von geschätzten Komponisten singen würde.
minutenmusik: Du hast es tatsächlich geschafft, mit jedem deiner acht Alben sowohl in deiner Heimat UK als auch bei uns in Deutschland die Top 10 zu knacken. Setzt dich kommerzieller Erfolg unter Druck? Freut man sich nach so vielen Jahren überhaupt noch über solche Chartplatzierungen oder ist dir das mehr oder weniger egal?
Katie Melua: Der Aufstieg in die Top 10 ist heute weniger wichtig als früher, und zwar auf breiter Front. Früher war es das absolut eindeutige Zeichen dafür, ob etwas erfolgreich ist oder nicht. Was mir an diesen Zeiten gefällt, ist, dass wir uns selbst ein Zeichen dafür setzen können, was erfolgreich ist. Ich bin meinem Team sehr dankbar, dass wir realistische Erwartungen haben und dass wir langfristig denken, was bedeutet, dass wir nicht auf schnelle Verkäufe angewiesen sind. Aber wenn es gut läuft, macht es einen natürlich immer glücklich.
minutenmusik: Beim Vorgänger “In Winter“ hast du erstmalig eine Platte fast im Alleingang produziert – nun ist in erster Linie Leo Abrahams verantwortlich. Du hast jetzt den perfekten Vergleich: welche Arbeitsweise gefällt dir besser? Oder ist das komplett abhängig von den Songs bzw. dem Album? Wie war die Arbeit mit ihm?
Katie Melua: Das ist sehr abhängig vom Stil der Aufzeichnung. Auf “Album No.8” wollte ich großartiges musikalisches Können feiern, und da die Session-Musiker so viel von ihrer Kreativität in die Aufnahme einbringen, weiß ich, dass wir einen großartigen Produzenten brauchten, der ihnen das Wasser reichen kann. Bei “In Winter” konnte ich mit einer unglaublichen Gruppe von Sängern den Kapitän spielen, aber bei dieser Platte musste ich das Ruder einem absoluten Meister übergeben. Leo wurde mir von einem der Musiker, die ich sehr verehre, Tim Harries, wärmstens empfohlen, und auch er glaubt wirklich daran, die Vision des Künstlers zum Leben zu erwecken. Aber ich glaube auch daran, den brillanten Menschen, mit denen ich arbeite, kreative Freiheit zu geben, deshalb denke ich, dass wir gut zusammenpassen.
minutenmusik: Seit fast 30 Jahren lebst du nicht mehr in deiner ursprünglichen Heimat Georgien, baust aber dennoch immer wieder deine Herkunft musikalisch in deine Stücke ein. Zuletzt mit dem Gori Women’s Choir, nun mit den georgischen Philharmonikern. Ist der musikalische Bezug ein Hauch Patriotismus oder geht es da um einen bestimmten Sound?
Katie Melua: Es geht um die Klänge, die sie hervorbringen, und darum, wo sie als Künstler gerade stehen, denn das Land entwickelt sich prächtig. Es geht um den Sinn meiner Heimat und meiner Kindheit. Du weißt, dass ich hier in England lebe, aber ich betrachte mein Leben immer noch mit den Augen eines Georgiers, daher ist es für mich wichtig, diese Verbindung am Leben zu erhalten.
minutenmusik: 2017 hast du sogar auf Deutsch gesungen, und zwar mit Peter Maffay. Wie kam es denn zu dieser Kooperation? Hast du ansonsten irgendeine Verbindung zu Deutschland oder zur deutschen Sprache?
Katie Melua: Ich verehre Deutschland, weil ich dort so viele Shows gespielt habe. Meine erste Radio-Tournee habe ich dort anlässlich der Veröffentlichung meines ersten Albums gemacht. Peter schrieb mir einen Brief, in dem er sein MTV Unplugged-Album und seine Shows skizzierte, und der Wortlaut dieses Briefes und die Sorgfalt, mit der er die Musiker, die er an Bord hatte, umrissen hat, haben mich wirklich umgehauen, und ich weiß, dass dieses Lied dem deutschen Publikum viel bedeutet. Ich wünschte, ich könnte Deutsch sprechen, aber im Moment muss ich mich damit abfinden, mit der Sprache in diesem Lied zu interagieren.
minutenmusik: Hört man sich dein neustes Album an, fällt wirklich besonders der orchestrale Sound auf, der einerseits absolut nach dir klingt, andererseits aber auch etwas andere Facetten bietet, wie z.B. einige groovende Beats in “A Love Like That” oder “English Manner”. Wie würdest du den neuen Longplayer selbst beschreiben?
Katie Melua: Die Vision war, großes musikalisches Können zu feiern. Etwas von der Magie der literarischen Welt in die Aufnahmen einzubringen und diese unsichtbaren Filme, die eine große Tiefenschärfe haben sollten, klanglich zu malen.
minutenmusik: Hast du ein oder zwei Stücke auf dem Album, die dir ganz besonders am Herzen liegen? Vielleicht bestimmte Lyrics?
Katie Melua: “Remind Me To Forget”! Ich bin stolz auf die Zeilen:
“but I still can’t tell who won
another bed’s gone from two to one
to one.”
Weil sie sich wie Zeilen anfühlen, die speziell für Lieder gemacht sind.
minutenmusik: Die Corona-Pandemie macht es vielen Künstlern aktuell äußerst schwer in ihrem Job weiterzuarbeiten. Wie ist dein persönliches Gefühl, wenn du über die aktuelle Lage nachdenkst oder in die nahe Zukunft schaust? Fühlst du dich sicher, beschäftigt es dich sehr? Denkst du, es könnte sich auch für dich dauerhaft etwas verändern?
Katie Melua: Ich bin begeistert von den Möglichkeiten, die es uns bietet, wirklich von Grund auf neu zu denken. Solange wir unsere Gesundheit haben, ist alles möglich.
minutenmusik: Was hast du selbst noch für unerfüllte Wünsche? Gibt es etwas, was du unbedingt noch musikalisch oder auch außerhalb der Musik ausprobieren magst?
Katie Melua: Ich möchte Georgien bereisen und es noch besser kennen lernen. Ich würde gerne an die Universität gehen und Literatur studieren. Ich würde gerne eine Bibliothek aufbauen und etwa 25 weitere Alben machen.
minutenmusik: Als letztes würde mich interessieren, was bei dir dieses Jahr im Player lief. Hast du einen kleinen Musiktipp an unsere Leser, die immer Lust auf Neuentdeckungen haben? Was hört Katie Melua?
Katie Melua: Ich stehe im Moment sehr auf Brad Mehldau, sein Album “Highway Rider”. Auch Molly Drake und ihr Lied “I Remember” gibt mir viel Trost.
minutenmusik: Vielen Dank für deine Mühe und deine Zeit. Es ist uns eine große Ehre!
Hier kannst du dir das Album kaufen.*
Und so hört sich das an:
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minutenmusik: Dear Katie, your album no. 8 is consequently called “Album No.8”. A really untypical album title. Why this choice and why especially with No. 8?
Katie Melua: I wanted to highlight how many records I’ve had the honour of making.
minutenmusik: 2020 is not the easiest year to make music, to release it and even less to present it live. What made you decide to release it anyway and how did the creation process feel for you?
Katie Melua: Well, music has such strong capabilites to heal and reduce anxiety. It helped me so much to be working on this record during this pandemic year and I can only hope it does the same for the listener. So there was absolutely no reason to delay the release.
minutenmusik: Your album cover shows you with a big camera. It seems a bit like you are taking a picture of yourself in the mirror. Is the album a kind of musical selfie or rather the capturing of a moment?
Katie Melua: I’d say it’s more about capturing how I view the world. I wanted to talk about love but as I see it in reality. I wanted to talk about the complexities of relationships and emotions and I feel that songs are definitely capable of handling any type of material. The front cover had to be like that because I couldn’t meet with a photographer. So the briliant Rosie Matheson sent me her film camera.
minutenmusik: It has been 17 years since the release of your incredibly successful debut “Call Off The Search”. What has changed for you since then, both in the music world and in your way of working?
Katie Melua: The industry itself has changed massively and I actually like how dynamic it is, how it’s always on the move. I have learnt to find my speciality which is in lyric writing and the love of words in songwriting and that’s very different to the girl who would sing great songs by esteemed composers.
minutenmusik: You’ve actually managed to enter the Top 10 with each of your eight albums, both in your home UK and here in Germany. Does commercial success put you under pressure? Are you still happy about such chart positions after so many years or do you more or less not care?
Katie Melua: Getting into the top 10 has become less important than it used to be across the board. It used to be the absolute definite marker of something being suceesful or not. What I like about these times is we can set our own marker about what is succesful. I’m very grateful to my team that we have realistic expections and that we take a longterm view which means we’re not reliant on quick sales. But of course when it does well, it always makes you happy.
minutenmusik: With the predecessor “In Winter” you produced a record almost on your own for the first time – now Leo Abrahams is primarily responsible. You now have the perfect comparison: which working method do you like better? Or is it completely dependent on the songs or the album? How was the work with him?
Katie Melua: It’s very dependent on the style of record. On “Album No.8” I wanted to celebrate great musicianship and because the session musicians bring so much of their creativity into the recording I know that we needed a great producer that could captain them. I was able to do that captaining with an incredible group of singers with In Winter but with this record I needed to hand those steers to an absolute master. Leo came highly recommended by one of the musicians I revere greatly, Tim Harries, and he also really believes in bringing the artist’s vision to life, but I also believe in giving creative freedom to the brilliant people I work with, so I think we were a good match.
minutenmusik: For almost 30 years you have not lived in your original home country Georgia, but you still build your origins musically into your songs. Most recently with the Gori Women’s Choir, now with the Georgian Philharmonic Orchestra. Is the musical reference a touch of patriotism or is it about a certain sound?
Katie Melua: It’s about the sounds they bring and about where they are as artists right now because the country is developing beautfully. It’s about the sense of my home and my childhood. You know I live here in England but I still view my life through the eyes of a Georigan, so keeping that link alive is essential to me.
minutenmusik: In 2017 you even sang in German with Peter Maffay. How did this cooperation come about? Do you have any other connection to Germany or the German language?
Katie Melua: I adore Germany because I’ve been so many shows there. I did my first radio tour there on the release of my first album. Peter wrote me a letter outlining his MTV Unplugged album and shows and I was really blown away by the wording of this letter and how much care he put into it outlining the musicians he had on board, and I know this song means a lot to the German public. I wish I could speak German but for now I have to contend with interacting with the language in that song.
minutenmusik: Listening to your latest album, one really notices the orchestral sound, which on the one hand sounds absolutely like you, but on the other hand also offers some other facets, such as some groovy beats in “A Love Like That” or “English Manner”. How would you describe the new longplayer itself?
Katie Melua: The vision was to celebrate great musicianship. To bring a little of the magic from the literary world into record making and sonically to paint these invisible movies that would have a great depth of field.
minutenmusik: Do you have one or two tracks on the album that are especially close to your heart? Maybe certain lyrics?
Katie Melua: “Remind Me To Forget”! I’m proud of the lines:
“But I still can’t tell who won
another bed’s gone from two to one
to one.”
Because they feel like lines specifically made for songs.
minutenmusik: The Corona pandemic is making it very difficult for many artists to continue working. What is your personal feeling when you think about the current situation or look into the near future? Do you feel safe, does it occupy you a lot? Do you think it could change something for you in the long run?
Katie Melua: I’m excited by the opportunites that it gives us to think from really a completely fresh start. As long as we have our health then anything is possible.
minutenmusik: What unfulfilled wishes do you have yourself? Is there anything you would like to try out musically or outside music?
Katie Melua: I’d like to travel around Georgia and get to know it even better. I’d love to go to university and study literature. I’d love to build a library and I’d like to make about 25 more albums.
minutenmusik: Last but not least I would be interested to know what was playing in your player this year. Do you have a little music tip for our readers, who are always in the mood for new discoveries? What does Katie Melua listen to?
Katie Melua: I’m really into Brad Mehldau at the moment, his album “Highway Rider”. Also Molly Drake and her song “I Remember” is giving me a lot of solace.
minutenmusik: Thank you very much for your time and effort. It is a great honour for us!
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