Interview mit Weekend über „Lightwolf“

Interview mit Weekend Lightwolf Foto von Saeed

Am 11.09.2020 meldet sich der Rapper Weekend nach dreijähriger Szene-Abstinenz mit seinem neuen Album „Lightwolf“ zurück. Am Telefon konnten wir mit dem gut gelaunten Stuttgarter über die Arbeit am Album, persönliche Entwicklungen, seinen Blick auf die deutsche Rap-Szene und die Netflix-Serie Bojack Horseman sprechen.

minutenmusik: Hallo Weekend, wir freuen uns sehr, dass es geklappt hat. Am 11.09 erscheint dein neues Album „Lightwolf“. Bisher wurden fünf Singles veröffentlicht. Wie nimmst du die bisherige Resonanz wahr?

Weekend: Die Resonanz ist tatsächlich sehr positiv. Ich hatte das Internet anders in Erinnerung *lacht* Ich dachte ich werde angeschrien und vermisse fast schon die Leute, die schreiben: „Guck deine hässliche Fresse an, wer bist du denn?!“ Ich find’s echt sehr friedlich und nett. Ich habe das Gefühl, dass ich meine eigene kleine Blase habe, in der ich meine Leute angesammelt habe. Da gucken die zu, die sich dazu entschieden haben, daran teilzunehmen. Jetzt könnte man natürlich auch meinen, dass ich keine neuen Leute dazu kriege. Das könnte man natürlich auch kritisch sehen. Aber es fühlt sich auf jeden Fall sehr lieb an. Leute sagen mir nette Dinge und mögen, was ich gerade tue, glaube ich.

minutenmusik: Das freut uns zu hören! Das positive Feedback können wir nur bestärken. Wir durften die Platte ja bereits hören und sind der Meinung, dass du mit „Lightwolf“ dein bisher bestes Album abgeliefert hast.

Weekend: Geil! Vielen Dank. Ich habe mich zum ersten Mal deutlich verändert und Sachen anders gemacht. Ich habe die Hoffnung, dass Leute das hören und sagen: „Das ist dein Bestes bis jetzt!“ Daher freut mich das sehr!

minutenmusik: Apropos Veränderung: Neben für dich typischen Battle-Tracks und zynisch-kritischen Songs finden sich auch viele positive Themen auf der Platte, beispielsweise die Beziehung zu deiner Frau und deine Rolle als Vater. Hören wir auf „Lightwolf“ den bisher zufriedensten Weekend?

Weekend: Ne, ich glaube meine zufriedenste und daher vielleicht auch schwächste Platte ist „Für immer Wochenende“. Aber es stimmt, mir geht’s mit vielen Dingen im Moment ganz okay. Auf der anderen Seite gibt es politische Themen, die mich verängstigen. Ich finde unsere Generation steht an einem Punkt, an dem alles immer ziemlich safe war, und jetzt merkt man, dass das vielleicht doch nicht so ist. Aber was private Dinge betrifft, sind viele schöne Dinge passiert. Die Geburt meiner Tochter hast du ja gerade schon erwähnt. Ich fand es immer schwierig diese positiven Dinge in Songs zu verarbeiten. Wie lahm ist es schon zu sagen: ‚Hey ist alles voll cool.‘ Ich war immer besser im Destruktiven und in dieser Battle- Attitüde. Darum war’s auch eine Herausforderung so Sachen auch mal positiv zu beschreiben. Manche Sachen haben eben auch einfach einen Song verdient. Den Song für meine Tochter habe ich auch nicht geschrieben und mir dann gedacht: „Den tu ich auf das Album!“ Das war einfach in mir drin und ich wollte dazu etwas machen. Wir hören viel Musik zusammen. Dann hat es mich gekitzelt das Thema zu verarbeiten, indem ich darüber schreibe. Dass das dann auf dem Album gelandet ist, das kam viel später dazu.

minutenmusik: War es für dich ein großer Schritt solche privaten Einblicke, die ja bisher nicht typisch für deine Musik waren, zu veröffentlichen? Hast du über den endgültigen Schritt, den Song über deine Tochter auf das Album zu packen, lange nachgedacht?

Weekend: Ich habe am Anfang sogar kategorisch ausgeschlossen, dass ich den Song drauf tue. Später bin ich dann arg zurückgerudert, weil ich ihn halt sehr gerne mag und er, bei all den Songs, die ich in meinem Leben schon gemacht habe, zu denen gehört, die mir am meisten bedeuten. Ich habe mit vielen Leuten darüber gesprochen und meine Tochter ist auch mittlerweile alt genug, sodass sie ihn auch mal gehört hat. Soweit man das jetzt schon beurteilen kann, fand sie ihn auch cool. Das war halt ein krasser Zwiespalt in mir. Am Ende hat die Seite gewonnen, die sagt, dass es eben auch wichtig ist, eine persönliche Seite von mir zu zeigen. Ich thematisiere in dem Song wenige Dinge, die direkt mit ihr zu tun haben. Wenn du drauf achtest, beschreibe ich hauptsächlich, was das Ganze mit mir macht. Ich verrate nicht viel über sie. Das war der Kompromiss, den ich für mich dabei finden konnte.

minutenmusik: Hatte die Gründung deines neuen Labels ilovewochenende und der Weggang von Chimperator einen Einfluss auf die neue Herangehensweise an deine Musik?

Weekend: Gar nicht. Ich habe sogar teilweise noch mit Chimperator gesprochen, während ich die Platte gemacht habe. Erst im späteren Albumprozess hat es sich so entschieden, dass ich das Album selbst rausbringe. Ich habe immer schon sehr für mich gearbeitet. Wenn ich eine Platte geschrieben hab‘, dann saß da nicht der Chimperator A&R und hat mir Vorschläge gemacht. Dass es anders geworden ist, das liegt viel mehr an einem Produzentenwechsel. Also daran, dass ich nicht mehr mit Peet, sondern mit Frieder (Friedrich VanZandt) gearbeitet habe und wir die ganze Zeit gemeinsam im Studio waren. Ich habe vorher jede Platte allein aufgenommen. Mit dem Produzenten saß ich dann nur mal zwischendrin zusammen, um die Sachen fertig zu stellen oder neue Beats zu machen. Aber diesmal haben wir alles zusammen im Studio gemacht.

minutenmusik: Das Album, was dabei herausgekommen ist, trägt den Namen „Lightwolf“. Was bedeutet der Titel für dich?

Weekend: Das Ganze ist abgeleitet vom deutschen Wort Leitwolf, also von dem leitenden Wolf, dem Rudelanführer. Der Lightwolf ist sozusagen die Light-Version davon. Auf dem Album geht es sehr viel um Stärken und Schwächen. Nicht um Stärken und Schwächen der eigenen Muskelmasse, sondern um Stärken und Schwächen der eigenen Persönlichkeit. Es geht um die Fähigkeit mit Dingen umzugehen, um Selbstbewusstsein, Durchsetzungsvermögen, Männlichkeit und um die Fähigkeit Dinge positiv zu nehmen und sich von schlechten Dingen nicht runterziehen zu lassen. Ich finde, das läuft alles sehr gut in diesem Titel zusammen. Außerdem finde ich, er klingt phonetisch einfach schön. Witzigerweise gab es zwischendurch den Titel, aber noch keinen Song, der so hieß. Eigentlich war das Album da schon fertig. Dann kam Corona. Ich bin dann doch nochmal ins Studio und habe den Titelsong geschrieben, der nun einer meiner Lieblingssongs auf der Platte, vielleicht sogar einer meiner liebsten ever ist.

minutenmusik: Auf besagtem Titelsong, aber auch auf dem Track „Boxen“ setzt du dich kritisch mit toxischem Männlichkeitsgehabe auseinander. Ein Thema, das in der deutschen Rap-Szene viel Platz findet. Du hast dich in vergangenen Interviews und Songs schon häufiger kritisch mit der Szene auseinandergesetzt. Wie blickst du aktuell auf deutschen Rap?

Weekend: Ich hab‘ in den letzten Jahren tatsächlich etwas den Bezug verloren. Es ist alles so groß und unübersichtlich geworden. Ich kenne zum Teil manche Dinge einfach gar nicht. Es gibt so Bubbles von 17-jährigen, die 20.000 Euro für irgendwelche Gucci-Jacken ausgeben. Da weiß ich einfach nicht genug drüber. Vielleicht ist das auch großartige Kunst und ich steck da einfach nicht genug drin. Es ist so riesig und unübersichtlich geworden, dass man das alles nicht mehr als ein großes Ding verstehen kann.

Inzwischen gibt es einfach tausende Musikrichtungen im Deutschrap und man ist gar nicht mit allen connected. Das hat dazu geführt, dass ich bestimmte Dinge einfach nicht mehr auf mich beziehe. Ich habe kein Schamgefühl mehr für deutschen Rap. Es ist mir egal, ob Rapper XY ein 17-jähriges Mädchen mit in den Backstage genommen hat, denn er ist halt irgendein Rapper. Nur weil ich auch rappe, muss ich das nicht auf mich beziehen. Früher war ich dann sauer, weil ich dachte: „Ey, das ist unser Movement und du Penner machst das kaputt, weil du Scheiße baust!“ Das hat sich verändert. Irgendwie ist das jetzt so groß und kommerziell, dass das egal ist. Verstehst du, was ich meine?

minutenmusik: Ja, in den letzten Jahren haben sich einfach sehr viele, kleine Sub-Genres innerhalb der deutschen Rap-Szene gebildet.

Weekend: Genau, und das hat mir die Möglichkeit gegeben mich zu distanzieren. Ich will jetzt gar nicht klingen wie ein gelangweilter, alter Mann. Früher fand ich es immer so schlimm, wenn deutsche Rapper gesagt haben: „Ich höre gar kein Deutschrap!“ Ich selbst höre nicht viel Deutschrap. Die Sachen, die ich mag, höre ich dann aber intensiv. Das sind zum Teil auch Sachen, bei denen man gar nicht auf die Idee kommt, dass ich das hören könnte.

minutenmusik: Welche Rapper verfolgst du denn derzeit, die man in deiner Playlist womöglich nicht erwarten würde?

Weekend: Ich find zum Beispiel BHZ richtig, richtig krass! Oder auch Lugatti und 9ine oder Celo und Abdi sind Typen, die ich gerne mag. Das ist teilweise voll weit weg von mir. Da werden zum Teil Themen berappt, zu denen ich inhaltlich in meinen Songs andere Standpunkte habe. Wo man denkt: „Der kann das gar nicht feiern!“ Aber Menschen sind ja ambivalent. Ich sag zum Beispiel immer, dass Ich Songs übers Kiffen voll langweilig finde. Dann kommt da vielleicht aber ein Song übers Kiffen, den ich voll spannend finde oder den ich einfach musikalisch feire. Dann mag ich den halt. Das ist ja Musikhören und kein wissenschaftliches Arbeiten!

minutenmusik: Ein weiterer, sehr präsenter Teil in der Rap-Welt ist Social Media. Auf „Lightwolf“ setzt du dich unter anderem auch mit Meinungsmache und Hass im Internet auseinander. Du bist aktuell ziemlich aktiv in den Sozialen Medien. Wie schützt du dich vor diesen Gefahren?

Weekend: Ich mache Social Media aktuell nicht ungern, wobei ich das immer noch als Arbeit betrachte. Wenn ich mir das wünschen dürfte, in so einer richtig guten Welt, in der ich Superstar bin, würde ich mich um Musik und nicht um Social Media kümmern. Ab und zu gibt’s so Sachen, die mir wichtig sind, wo es künstlerisch wird. Twitter ist da eine gute Plattform für eine geile Idee. Fragerunden machen mir auch Bock. Aber dieses ‚Jeden zweiten, dritten Tag ein Foto posten‘… Da macht es mir mehr Spaß Leuten zu antworten, zu lesen, was die so schreiben. Aber das Ganze so zu professionalisieren, dass man das auch durchgängig füttert auf allen Kanälen, das ist schon ein Stressfaktor, vor allem in der Promo-Phase. Und das habe ich in der Vergangenheit öfter richtig hart schleifen lassen. Das ist als Rapper super dumm. Du solltest einfach immer komplett füttern und gucken, dass du dich im Kopf der Leute hältst. Das ist einfach Teil des Jobs. Ich bin nicht so ein krasser Selbstdarsteller. Manchmal denke ich sogar, wenn ich irgendwelche Fotos hochlade: „Wen juckt das? Das ist deine Fresse zum 500sten Mal!“ Aber man muss sich ja auch nichts vormachen. Es geht ja nicht nur um die Musik, es geht ja auch um die Typen dahinter und ich hab‘ mir das ausgesucht. Ich habe mich damit arrangiert und habe glaube ich grad ́nen guten Weg gefunden das zu machen. Von daher: Alles gut!

minutenmusik: Mein Highlight des Albums ist der letzte Song, „Bojack Horseman“. Dort äußerst du den Wunsch aus deinem tristen Alltag zu entfliehen und so zu sein wie die Figur Bojack Horseman aus der gleichnamigen Cartoon-Serie. Als Fan der Serie würde mich interessieren, was dich an dem Charakter so fasziniert?

Weekend: Es ist natürlich kein ernst gemeinter Wunsch. Ich wäre nicht gerne ein drogenabhängiges Pferd. Aber was ihn zu so einer krassen Figur macht, ist dieses Californication-Hank-Moody-Ding. Dieses: „Eigentlich, wenn man ganz nüchtern draufguckt, bist du ein Arschloch, Bojack. Aber du hast diese herzensguten Züge und oft, wenn’s drauf ankommt, machst du schon das Richtige.“ Er ist so eine geschmackliche Instanz. Wenn irgendjemand nervt, sagt er: „Boar, du nervst.“ Er ist so super real und hat seine krassen Macken, aber irgendwie ist er auch ein Typ, den du gerne neben dir hättest. Der ist A spannend und lustig und B einfach nicht unangenehm, also zumindest nicht in jedem Moment. Er ist einfach ein interessanter Typ und hat voll viele Sachen erlebt. Das ist so ziemlich das, was man sich wünscht, nur eben ohne diese Schattenseiten. Denn das interessante an der Figur ist, dass sie zeigt, dass es solche Leute eben auch in echt gibt, dass das eben auch nicht geil ist mit 50 als ehemaliger Superstar mit Drogenproblem, dass das eben auch seine Schattenseiten hat. Aber von außen sieht’s halt voll fett aus. Die krassesten Figuren in der Kunst sind eben die, bei denen man sich fragt, ob man sie lieben oder hassen soll. Also: Ist das jetzt ein Arschloch oder darf ich das richtig abfeiern?

minutenmusik: Du bist nicht nur ein Serien-, sondern auch Fußball-Fan. In Zusammenarbeit mit deinem Herzensverein FC Schalke 04 hast du sogar den Song „Eine Liebe“ produziert. Wenn du dich entscheiden dürftest: Lieber ein Nummer Eins Hit oder die deutsche Meisterschaft für Schalke?

Weekend: *Überlegt* Das ist doch gemein. Also von so nem Nummer Eins Hit, da kann man schon lange gut von leben, glaube ich. *lacht* Ey, ich bin schon echt großer Schalke-Fan, aber ich bin auch niemand, der nach dem Spiel, wenn Schalke verloren hat, nach Hause geht, Mülltonnen umtritt und weint. Fußball ist schon eine schöne Nebensache, aber eben auch nur eine Nebensache. Und der Nummer Eins Hit wär mein Leben. Von daher muss ich da ganz unromantisch und egoistisch ehrlich sein. Viele hätten vielleichtgelogen und gesagt: „Die Meisterschaft ist alles für mich!“ Aber dann nehme ich doch den Nummer Eins Hit.

minutenmusik: Von da an kannst du dir die Spiele ja auch jedes Wochenende aus der VIP-Lounge aus angucken und die Mannschaft supporten.

Weekend: Ich finanziere mit meinem Nummer Eins Hit-Money einfach die Meisterschaft von Schalke im nächsten Jahr!

minutenmusik: Das nenne ich mal einen Plan und ein perfektes Schlusswort! Danke für das Interview.

Hier kannst du dir das „Lightwolf“ kaufen.*

Tickets für die Tour im nächsten Jahr gibt es hier.*

Hier geht es außerdem zu unserer Review von „Lightwolf“.

Und so hört sich das an:

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Weekend live 2021 (Lightwolf-Tour):

08.04.2021 – Wien, B72
09.04.2021 – München, Kranhalle
11.04.2021 – Stuttgart, Schräglage
16.04.2021 – Bremen, Lagerhaus
17.04.2021 – Köln, Helios37
18.04.2021 – Münster, Skaters Palace
23.04.2021 – Hamburg, Bahnhof St. Pauli
24.04.2021 – Berlin, Musik und Frieden
25.04.2021 – Leipzig, Naumanns
29.04.2021 – Hannover, Lux
30.04.2021 – Nürnberg, Club Stereo
01.05.2021 – Frankfurt am Main, Nachtleben
02.05.2021 – Dortmund, FZW Club

Die Rechte für das Foto liegen bei Saeed.

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