In der bunten Welt des Radio-Pop gibt es aktuell nur wenige aufregende Lichtblicke. Angesagt sind momentan viel mehr R’n’B, Hip-Hop und EDM – klassischer Pop hat da kaum eine Chance. Eine gelungene Abwechslung bietet da Alice Merton, die mit ihrem Hit “No Roots” vor rund 2 Jahren die Dauerkarte für die Radio-Rotation gebucht hat. Auf ihrem Debütalbum “MINT” verstecken sich gleich mehrere Songs, die mittlerweile allen Radio-Hörer*innen bekannt ein sollten. Merton zeichnet dabei aus, dass sie sich bewusst für waschechte Pop-Musik mit internationalem Einfluss entscheidet und damit 2019 ein ziemliches Alleinstellungsmerkmal verbuchen kann. Kein Wunder also, dass die Hallen ausverkauft melden – auch wenn Merton selbst nicht damit gerechnet hat, wie sie im Dortmunder FZW klarstellt.
Dem bunt gemischten Dortmunder Publikum tritt zunächst Sion Hill entgegen – nur mit seiner Gitarre ausgerüstet. Der junge Singer-Songwriter spielt dann eine halbe Stunde lang das, was man auch erwarten kann: Singer-Songwriter-Musik. Durch seine sympathische Art und Texte fern von Liebeslied-Kitsch kann Hill aber direkt ein paar Pluspunkte sammeln. Musikalisch gibt dieser Auftritt schon einen kleinen Einblick auf die überraschende Wendung des folgenden Headliner-Auftritts. Mit einem Keyboarder, einem Drummer und einem Gitarristen betritt Merton selbst schließlich die Bühne und räumt ihrer Begleitung musikalisch viele Räume ein. So erweitern auf den Songs eigentlich nicht erhaltene Gitarrensoli einige Stücke, was dem gesamten Auftritt einen energetischen, rockigeren Anstrich verleiht. Mit Gute-Laune-Pop der guten Sorte kann Merton dem Publikum rund 75 Minuten Show bieten, die EP und das Album werden nahezu in voller Länge gespielt. Auch ein Song, der bisher noch nicht erschienen ist, wird präsentiert. Nicht nur während der großen Hits wie “Why So Serious”, “Lash Out” und natürlich “No Roots” ist die Menge sehr angetan. Kein Wunder, Merton ist Sympathieträgerin, macht eine Menge wirklich amüsanter Ansagen und singt hervorragend. Eben so wie beim Support sticht auch Merton durch ausgefallene Themen heraus, einzig “Honeymoon Heartbreak” thematisiert die Liebe. Schließlich gäbe es noch genügend andere Themen auf der Welt, die besungen werden können, so die Sängerin – und Recht hat sie! In der einzigen wirklichen Ballade des Abends, “Back to Berlin”, spielt die Wahl-Berlinerin selbst Klavier und sorgt für einen richtigen Gänsehaut-Moment.
Alice Merton spielt gute, klassische Pop-Musik und hat ein sehr gutes Live-Erlebnis dieses Genres geboten – nicht mehr und nicht weniger. Ob es demnächst ein Pop-Revival geben wird, bleibt abzuwarten, doch Merton dürfte mit ihrer bisherigen Strategie gut fahren – und uns sicherlich noch einige weitere Ohrwürmer bescheren.
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Beitragsbild von Julia Köhler.
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