Wer kam denn auf die Idee? Da ist Ava Max zum ersten Mal auf Tour, kommt das erste Mal nach Deutschland und es gibt lediglich zwei Shows. Davon wird für eine sogar noch das recht kleine E-Werk in Köln gebucht, das gerade einmal 2000 Leute beherbergen kann. Wenig überraschend meldet der Vorverkauf nach kürzester Zeit ausverkauft. Anschließend: Hochverlegung ins Palladium, wieder ausverkauft. Womöglich hätte man sogar zweimal die Bude voll bekommen.
Denn Ava Max gehört auf jeden Fall zu den Pandemie-Survivorn. Auch wenn der globale Megahit “Sweet But Psycho” bereits 2018 herauskam, verbindet man doch viele ihrer Songs mit den letzten drei Jahren. Das liegt einerseits daran, dass ihr erstes Album “Heaven & Hell” vergleichsweise spät erschien, nämlich erst zwei Jahre nach der Debütsingle. Andererseits kennzeichnet der im Januar veröffentlichte Nachfolger “Diamonds & Dancefloors” ein wenig das Ende der Corona-Zeit. Somit gab es eigentlich für jede Phase – ob Ausgangssperre, Lockdown oder auch mal zeitweise Lockerungen – immer einen begleitenden Titel. Denn die 29-jährige US-Amerikanerin liefert stets trendorientierte Tracks, die sich super festbeißen, aber auch nicht zu stark aufdrängen.
Dass das Konzept hervorragend aufgeht, beweist der Ansturm in Köln. Am 22.5., einem Montag, ist die Schlange vor dem Palladium schier endlos. Das größtenteils junge Publikum – viele sind hier wohl noch keine 25, manche Erwachsene haben sogar ihre Kinder im Grundschulalter mit am Start – ist aufgeregt, teils bunt angezogen, einige haben ihre Regenbogenfahnen zum Schwenken dabei. Auch wenn Ava Max keine zweite Lady Gaga ist, so zieht sie doch eben mit ihrer frischen EDM-Musik auch das queere Publikum an.
Allerdings wechselt die Stimmung in dem aufgeheizten Konzertsaal von “Ziemlich gut” auf “Heftig genervt”. Der Grund: Die ewige Wartezeit. Um 18:30 Uhr beginnt der Einlass, viele standen da bereits Stunden lang an. Um 20:00 Uhr beginnt dann auch wie üblich der Support. Der fällt mit Emlyn auch passend aus. Musikalisch gar nicht so weit weg, bewegt sie sich irgendwo zwischen der Headlinerin und Jessie J. Allerdings scheint ihr Gesang weniger wichtig zu sein als Bewegung. Fast durchweg hört man ausschließlich die Studio Version, nur ab und zu wird drüber gesungen. Gerade für eine Newcomerin, die hörbar zumindest solide singen kann, wäre es doch viel empfehlenswerter, eben ihr Talent zu beweisen. Die Songs gehen aber wohl klar.
20:29 Uhr. Emlyn weg. Nun die finale Phase. Warten auf die Person, auf die man fast fünf Jahre warten musste, wenn man schon bei “Sweet But Psycho” hooked war. Und wenn man eben schon fünf Jahre gewartet hat, tut es die eine Stunde auch nicht mehr. Erst läuft leise Musik im Hintergrund, dann wird die lauter. Die Crowd beginnt zu tanzen, die Vorfreude wird größer. Doch genau das passiert immer und immer wieder. Noch ein Song, noch ein Song, noch ein Song. Um 21:20 Uhr – da sind schließlich schon 50 Minuten vergangen, in denen auf der Bühne maximal drei Minuten umgebaut wurde – wird gebuht. Richtig laut. Hier scheinen einige sehr genervt zu sein. Verständlicherweise. Denn warum man hier immer noch wartet, ist zumindest nicht ersichtlich. Um 21:25 Uhr geht dann aber doch noch das Licht aus.
Dabei wird schnell deutlich: Wirklich viel verpasst, hat man die fünf Jahre leider nicht. Ava Max enttäuscht auf ihrer ersten Tour, und das nicht mal wenig. Doch vielleicht das Positive zuerst: Ihre Songs. Die sind bekanntlich ziemlich treffsicher, eigentlich klingt jeder Titel nach Charthit. Viele davon sind es sogar. Gleich 20 Songs hat die junge Künstlerin aus Milwaukee am Start, ein paar davon um einige Stellen gekürzt, aber trotzdem sind 20 Tracks in der Quantität ordentlich. Elf davon kommen von ihrer aktuellen LP, sechs von ihrem Erstling. Merkwürdig: Trotz derartig vieler Lieder auf der Setlist fehlen “So Am I” und “Torn”, ihre zweite und dritte Single. Dabei schafften es bisher nur elf Songs in die deutschen Charts. Davon gleich zwei hinten rüber zu werfen, stimmt etwas milde.
Ansonsten gibt es aber ein ziemlich poppiges Feuerwerk aus Radio- und TikTok-Reißern. “My Head & My Heart”, “Salt”, “Weapons”, “Maybe You’re The Problem”, “Who’s Laughing Now”, “Kings & Queens”, “Million Dollar Baby”, zum Abschluss “The Motto”. Die paaren sich ziemlich gut mit Albumtracks wie “Belladonna”, “Ghost”, “Cold as Ice”, “Sleepwalker” oder “Dancing’s Done”. Ava Max’ Musik klingt eben stets sehr mitreißend, hebt die Laune, animiert zum Mitmachen. Aber all das trifft auch zu, wenn man die Songs als Studio Version hört.
Denn viel mehr gibt es Live dann auch nicht. In gerade einmal 65 (!) Minuten Stagetime – das ist wirklich sehr, sehr, sehr kurz – werden ohne Pause 20 Tracks durchgepeitscht. Worte an die Fans gibt es nur verdammt selten. Stimmung kommt nur auf, weil eben die Songs es herausreißen. Und die laufen bis auf sehr wenige Ausnahmen gnadenlos in den Versionen, die man eben auch bei Spotify anklicken kann. Oftmals singt Ava nicht mal hörbar mit. Stattdessen konzentriert sie sich auf die Choreographien, die sie mit ihren vier Tänzerinnen ausführt. Die sehen aus, als ob sie einer 90s-Girlband entsprungen wären und die Dancemoves gleich mitgenommen hätten. Das ist wahnsinnig altbacken, im Vergleich zur Musik so gar nicht 2023 und irgendwie unschick. Britney Spears macht das zwar auch so, aber die ist ja jetzt was Staging angeht auch wirklich kein Vorbild.
Ob Ava Max gerade in Köln spielt oder woanders – bemerkt man nicht. Die eine Stunde, die man sie sieht, wirkt sehr einstudiert, unsympathisch, oberflächlich, lässt keinerlei Platz für Spontanität oder Persönliches. Zwar wird für einen halben Song eine männlich gelesene Person aus dem Publikum hochgeholt und auf einen Stuhl in die Mitte gesetzt, aber den tanzt sie für wenige Sekunden an und schickt ihn kurz danach auch schon wieder weg. Ansonsten keinerlei Interaktion. An vielen Stellen, an denen sie sich tänzerisch etwas ins Zeug legen muss – von Verausgabung kann man nämlich auch hier nicht sprechen – singt sie einfach gar nicht, sodass man ihre Studiostimme hört. Oder sie hält das Mikrofon bei herausfordernden Momenten in die Crowd.
Hin und wieder werden Requisiten auf die Bühne geschoben. Einmal eine Liege, ein paar Mal Stühle. Ansonsten gibt es im Hintergrund einen funkelnden Diamanten, eine Art Sternenhimmel und eine akzeptable Lichtshow. Allerdings wirkt der Auftritt insgesamt wahnsinnig billig und eben so gar nicht im Hier und Jetzt. Immer mal wieder hört man ihre Stimme durchsickern. Die ist mal richtig gut, mal dann aber auch neben dem Ton. Aber das interessiert hier anscheinend eh nicht. Bis bei einem Song, “One Of Us”, ihr Gitarrist mit ihr allein auf der Bühne steht und sie eine Akustikversion performt. Und die war gut gesungen. Warum nicht viel mehr davon? Immer bei gesanglichen Höhepunkten jubelt das Publikum. Warum gibt es die nur kaum?
Ein Konzert, das unangestrengt und ein bisschen hingeklatscht wirkt. 65 Minuten dauert das Happening, die Tänzerinnen und auch die beiden Instrumentalisten werden nicht vorgestellt. Besonders bei Letztem eben auch nicht nötig, weil hat man sowieso nur gesehen und nicht gehört. Tänzerisch ist das ok, persönlich ist das nix, gesanglich auf ultra Sparflamme. Ein Gig, so kurzweilig, aber auch so überhaupt nicht nachwirkend wie ein TikTok-Video. Hat zwar einen mitreißenden Beieffekt – die tollen Songs – der aber allein noch längst keine Show trägt. Ziemliche Enttäuschung im extrem starken Konzertjahr 2023, im Gesamten betrachtet aber leider auch wiederum wenig überraschend.
Und so hört sich das an:
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Bild von Christopher
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Erst mal ein sehr guter und detaillierter Bericht. Wie du es im Bericht schon erwähnt hast war der Austragunssort(Palladium) für eine Künstlerin wie Ava Max definitiv nicht angemessen. Die Lanxxes Arena voll zu bekommen wäre eine machbar Sache gewesen wenn die Verantwortlichen Planer der Tour ihren Job richtig gemacht hätten. Mehr Akustik und weniger getanze wie du sagst sie begleitet von einer Gitarre da könnte ich stunden lang zuhören. Ich kann die schlechte lauen der Leute wegen dem vielen und langen stehen nachvollziehen aber wer ganz vorne sein möchte und schon über 3 Stunden dafür am Einlass warten muss bis endlich mal Einlass ist hat man da schon leicht selber dran schuld. Trotz Schmerzen in meinem rechten Bein stand ich seit 16 Uhr in der Schlange an und wusste wo ich mich drauf einlasse und bekomme dann auch keine schlechte Stimmung deswegen. Nun hatte ich das Glück einen Platz am Absperrgitter an der Bühne zu ergattern was doch einiges entschädigt hat. Bei einem Ticket Preis von 45€ nochwas war mir schon von Anfang an klar das es kein langes Konzert werden wird. Wir alles wissen was Tickets im Normalfall kosten würden wenn man einen Austragunssort mit mehr Kapazität gewählt hätte. Zurück zum singen. Das nur ein song akustik gesungen wurde liegt meiner Meinung nach an Angebot und auch Nachfrage. wenn man sich mal die Klicks ihrer Videos anguckt schneiden die rein akustik begleitet von einer Gitarre nicht gut ab was die Anzahl der Klicks angeht. Also hat auch wieder mal der Fan und Hörer eine leichte Schuld daran. Was mehr geklickt wird wir scheinbar ja mehr gehört sprich kommt scheinbar am besten an und die Leute wollen das sehen man darf nicht immer alles auf den Künstler und deren Manager etc schieben auch wenn eine Tour nicht gut angekommen ist. Das man als Künstlerin seine Musik mit einstudiertem Tanz untermalen möchte kann man verstehen und auch das sie denken das es sein muss bzw erwarte wird von den Fans. Aber woher sollen sie es wissen wenn wir es sie nicht wissen lassen und ihre Akustik Versionen mal so richtig hypen? Ich glaube das wenn Ava mehr bei der Planung und so mit hätte entscheiden können wäre alles viel besser gekommen. Sie wirkte nicht grade zufrieden mit dem was sie da auf der Bühne tat. Aber wenn der Geldgeber sagt du machst das so und so dann macht man leider halt so und so. Klar wird sie Einfluss auf gewisse Dinge gehabt haben aber eben nicht auf die Entscheidenen Dinge. Es war ihre erste große Tour und ja wir haben alle lange warten müssen aber lasst uns auch etwas nachsichtig sein grade weil es ihre erste große Tour gewesen ist und sie erst mal noch ein Feeling dafür aufbauen muss was die Fans in gewissen Ländern wollen
Hi Marcel,
vielen Dank für deine Einschätzung.
Finde ich ganz interessant.
Ich war wahrscheinlich einfach schon auf viel zu vielen Konzerten – darunter auch erste Tourneen – und fand’s im Vergleich leider echt nicht gut. Sorry.
Ihre Musik mag ich aber natürlich weiterhin!
Ich hoffe, du hattest trotzdem einen schönen Abend vor Ort 🙂
VLG Christopher
Ich sehe das so wie Marcel. Auch der “niedrige” Preis ist für mich kein Argument, da habe ich für das gleiche Geld größere Stars gesehen, die mehr geliefert haben.
Erste Tournee auch kein Grund, will man da nicht erst recht die Menschen mitnehmen? Apache 207 z.B für den gleichen Preis: Längeres Konzert, mehrere Bühnen, LED Armbänder wie bei Coldplay. Das bleibt im Gedächtnis. Wenn man will, dann schafft man es auch :). Sie hätte nicht mal unbedingt ne große Show bieten müssen, Singen kann sie ja, aber sich zumindest kurz für die Verspätung entschuldigen oder statt “Germany” “Cologne” sagen können, um den Fans wenigstens das Gefühl zu geben, dass man nicht nur der x-te Termin ihrer Tour ist. Einfach “sympathischer” sein.
Stimme dir zu, Adam 🙂 Gibt viele Möglichkeiten!
Schön geschriebene Rezension! Ich habe das Konzert ebenso empfunden. In Hamburg soll sie sich sogar noch mehr verspätet haben. Eine meinte auf Insta, dass sie beim Meet&Greet erzählt hat, dass sie nochmal neu geschminkt werden musste und es sich deshalb verspätet hat… Amsterdam und Manchester ebenso verspätet. Naja egal, wenigstens habe ich durch sie jetzt eure coole Seite entdeckt.
Lieber Adam,
herzlich willkommen bei uns 🙂 Schön, dass du uns entdeckt hast.
Schade!
Ich glaube, dass sie einfach leider live nicht gut funktioniert. Gibt immer hier oder dort solche Künstler*innen!
Hoffe, du hattest trotzdem einen schönen Abend 🙂
VLG und komm gern hier immer mal wieder vorbei oder folge uns bei Facebook/Instagram/Twitter!
Christopher
Hey Chris,
ich finde deinen Bericht auch mega, muss aber ein bisschen aus der Ava Fan Perspektive argumentieren.
Ich fand auch das Hamburg Konzert war sehr fad, was aber nicht an der Künstlerin selbst lag, sondern eher an dem Publikum was mehr oder weniger aus Kindern mit ihren Elternteilen bestand.
Das hat unsere Konzertexperience etwas beeinträchtigt, weil die Mütter sehr verantwortungslos waren und ihre Kinder in die erste Reihe bringen wollten, wo kleine Kinder definitiv nichts zu suchen haben (ich rede auch aus der Veranstalterperspektive, weil ich aus der Branche komme), alleine aus Sicherheitsgründen.
Wenn man dagegen was sagen wollte, wurde man als unfreundlich und unhöflich betitelt.
Während des Konzertes haben dann aber besagte Mütter, die ganze Zeit nur die Arme verschränkt und doof dreingeschaut, was extrem respektlos gegenüber dem Künstler ist.
Ich finde es ist mittlerweile normal, das ein Set von so einer Künstlerin wie Ava Max, aber auch anderen Popkünstlern aus der Sparte, nur eine Stunde geht.
Die Shows sind auch einfach von vorne bis hinten geplant und durchgetaktet, was ich nicht schlimm finde, weil es geht ja gerade in der Popszene darum, sich zu inszenieren und das kurz und knapp und das hat Ava Max auf jeden Fall bei beiden Shows gemacht und gut hinbekommen.
Selbst eine Stunde so durchzuziehen finde ich bemerkenswert und damit hat sie meinen größten Respekt.
Ava Max und ihr gesamtes Team haben sich während den Proben aber vor allem bei der Tour extrem Mühe gegeben das Publikum zu beeindrucken.
Man kann als Ava Max Fan immer ein bisschen etwas an der Setlist bemängeln, aber alles in einem war das in beiden Städten ein gelungenes Konzert.
Persönlich fand ich das Konzert in Köln besser (ich war auf beiden) einfach weil die Stimmung bombastisch war. Lag auch wahrscheinlich daran, das ich in der ersten Reihe eine wirklich gute Sicht hatte.
Und übrigens, in Köln musste man tatsächlich ein bisschen länger auf das Set von Ava warten, da kam sie in Hamburg schneller dran.
War aber auch noch sonderlich schlimm, das ändert nichts an der Qualität des Konzertes.
Ava Max gerne wieder und nächstes mal wieder in so einer kleinen Venue, solche Shows sind viel schöner als diese Arenen Shows wo man einfach nichts mehr sieht, obwohl man so viel zahlt.
Liebe Grüße,
Emil
Hey Emil 🙂
Lieben Dank für deine Eindrücke, finde ich cool und interessant.
Ich bin sehr oft auf Pop-Konzerten und es war definitiv eines der kürzesten, auf denen ich jemals war.
Für mich ist 65 Minuten echt ein Unding, es sei denn, man hat nur ein Album.
Aber selbst bei ganz neuen Acts habe ich schon längere Shows gesehen.
Wenn man nun ihre Show mit Stars vergleicht, die in eine ähnliche Richtung gehen (z.B. eine Lady Gaga, eine Dua Lipa, …),
ist das wirklich weit, weit darunter.
So oder so freut es mich aber, dass du einen guten Abend hattest und Köln anscheinend besser war als Hamburg 😉
VLG Christopher