Über 30 Millionen verkaufte Tonträger aufgeteilt auf viereinhalb Jahre – One-Hit-Wonder sehen anders aus. Ava Max hat wohl viele überrascht, wurde ihr doch mit ihrem Welterfolg “Sweet But Psycho”, der ein Drittel der verkauften Platten ausmacht, genau prophezeit, dass bald wieder Sense sei. Doch die 28-jährige denkt sich obviously “Who’s Laughing Now” – eine weitere Single von ihr, die zumindest in Österreich vergoldet wurde – und droppt einen Erfolg nach dem nächsten. Und bevor das Life in Hypermotion Anno 2023 bei fünf Minuten Langeweile gähnend vom Stuhl fällt, wird nun mit Diamonds & Dancefloors schnell das neuste Chartfutter geliefert.
42x Gold, 172x Platin (die meisten übrigens in Norwegen), 5x Diamant – das läuft. Aber sowas von. Ava Max ist auf jeden Fall eine Künstlerin, die ganz hervorragend in die jetzige Zeit passt. Ihr im Sommer 2020 veröffentlichtes Debütalbum kam vergleichsweise spät, bis dahin wurde aber schon mit sieben Singles eine ordentliche Fanbase zusammengesucht. Das Interesse war dann an “Heaven & Hell” zwar noch solide vorhanden, aber eben nicht in dem Umfang wie an den Singleauskopplungen. Insgesamt konnten sich bisher genau ein Dutzend Tracks in den Charts platzieren, on top kommen noch ein paar Titel dazu, bei denen sie als Feature auftritt. Wie überragend war beispielsweise ein “The Motto” mit Tiësto, das geballert hat, als gäbe es kein Morgen? Letztendlich ist Amanda Ava Koci aber für viel Futter in wenig Zeit zuständig, das durch Hooks und Eingängigkeit glänzt, um den glamourösen, kurzlebigen Moment im Hier und Jetzt noch scheinender zu machen.
Diamonds & Dancefloors trägt schon im Titel etwas Leuchtendes. Viel Bling-Bling auf den endlosen Flächen der Welt, die endlich wieder betanzt werden dürfen. Genau hier wird’s nun problematisch: Niemand hat nur Asse im Ärmel. Irgendwann sind sämtliche Ideen auch einfach niedergeschrieben und neue müssen erst einmal gefunden werden. Offensichtlich scheint die Inspirationsquelle für das zweite Album von Ava Max nicht so stark zu sprudeln wie die erste, hat nämlich kein einziger der vorab fünf veröffentlichten Singles bisher eine nennenswerte Chartplatzierung erzielt. Der Grund: Die Songs sind einfach nicht gut genug.
Ist man eben eine Künstlerin, die eher Richtung Trendhits à la TikTok schielt, ist man gleichzeitig wohl unglaublich unter Druck, genau diese starken Melodien auch permanent zu liefern. Hat man eher eine Zielgruppe, die auch viel Wert auf die Person hinter den Hits legt, kann man womöglich mehr wagen, sich mehr probieren und mehr auf Solidarität setzen. Stattdessen jagt Diamonds & Dancefloors mit seinen 14 Tracks knapp 40 Minuten lang fast pausenlos der ganz großen Klickzahl hinterher – es jagt ihr aber hinterher, statt sie eindeutig zu landen. Schon beim Vorgänger war neben dem extrem starken “Kings & Queens”, dem etwas totgedudelten “Sweet But Psycho”, dem frischen “Torn” und “Salt” sowie “So Am I” viel Mittelmaß. Nun lässt man die großen Aushängeschilder einfach weg und ist halt nur Mittelmaß.
Ava Max´ zweiter Longplayer ist wirklich so unglaublich unspannend und ok, wie Mainstream-Pop ok sein kann. Jeder einzelne Song könnte im Radio laufen, ohne dass man lauter schalten mag, sich aber problemlos mit den Sitznachbar*innen weiterunterhalten kann. Jeder einzelne Song passt auf Hunderte von Spotify-Playlists, weil eben völlig generisch. Gesanglich liefert die US-Amerikanerin fast ausschließlich Mittellage, ganz selten geht’s mal raus aus der Comfort Zone. In der BPM-Zahl sowie in den Beats ist wenig Abwechslung, in den Aufbauten der Songs noch weniger.
Songs wie auf Diamonds & Dancefloors leben von treffsicheren, hymnenartigen Refrains und starken Produktionen. Obwohl an vielen Liedern bis zu zehn Menschen an den Reglern oder am Songwriting mitwirken, ist ein Großteil am Ende doch ganz schön lasch, wenig richtig nach vornegehend oder uplifting. Inhaltlich bewegt man sich ebenfalls durchweg im Female Empowerment, das durch toxische Beziehungen entstand.
Hin und wieder horcht man dann doch auf, so bei der ersten Single “Maybe You’re The Problem”, das mit seinem angezogenen Tempo lockerleichte Stimmung versprüht. Der Beat ist – wie quasi jeder der 14 Titel – EDM-Pop mit Synthie-Spielerei. Das ist natürlich en vogue, nur in der Masse absolut nicht variabel. Da lobt man sich 90s-Vocal-House Ausritte wie bei “Ghost” und das ebenfalls schon im November veröffentlichte Highlight “Weapons”, das Dua Lipa auch stehen würde.
Alles andere ist ok. Ja, eben ok und nett. Nichts stört, nichts slapt. An Balladen oder Cool Downer wagt sich Ava Max auch dieses Mal nicht. Stattdessen ist Diamonds & Dancefloors, wo wir sie immerhin schon erwähnten, ein wenig das wesentlich schlechtere “Future Nostalgia” von Dua Lipa und das weniger clubbige, glattere “Chromatica” von Lady Gaga. Da bleibt einfach zu viel auch nach vier Durchläufen nicht kleben (“In The Dark”, “Cold As Ice”, “One Of Us”, “Hold Up (Wait A Minute)”, “Diamonds & Dancefloors”), bevor man zum Rauswurf mit “Dancing’s Done” immerhin ein wenig Melancholie zulässt. Aber wirklich ganz, ganz, ganz wenig.
Zwei Alben mit vielen Fillern, zwei Alben mit viel So-Lala-Material. Das ist beim ersten Mal verzeihlich, beim zweiten Mal schon weniger. Mehr Mut, mehr Edge, mehr Profil. Geht da noch was? Bitte.
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