Beach Slang, Blue Shell Köln, 05.05.2019

Beach Slang, Blue Shell Koeln, 05.05.2019

This sound is fucked, but I don’t mind“ wispert James Alex in das Mikrofon während sein strähniges Haar in sein Gesicht fällt. Er und seine drei MitstreiterInnen spielen gerade „Dirty Cigarettes“ aus der zweiten EP seiner Band. Der Sound ist zu Beginn des einzigen Headline-Konzertes Beach Slangs – eigentlich reist man gerade als Support der Punk-Legenden Jawbreaker durch Europa – tatsächlich etwas matschig, die Gitarren deutlich zu leise. Dem eh rauen Punk-Rock der Band tut das jedoch, selbst wenn sich die Abmischung nach und nach noch bessert, kaum Abbruch: die Emotionsebene stimmt und das ist, was zählt.

Aber erstmal von Beginn an: ohne großes Drama betreten die vier Musiker von Beach Slang gegen 21 Uhr die Bühne des schnuckeligen Blue Shells. Mit „Noisy Heaven“ beginnt die Band ihren Auftritt etwas holprig, was vordergründig am bescheidenen Sound liegt. Bereits hier stellt sich jedoch heraus: James Alex hat mächtig Bock. Hinzu findet der Mittvierziger immer die passenden Worte – in Form seiner Texte und in seinen ausufernden Ansagen. Schon die ersten Zeilen des Abends stehen repräsentativ für die Mentalität Beach Slangs, die nun Wort für Wort herausgestellt wird.

The night is alive. It’s loud, and I’m drunk.“ – der Frontmann, wie üblich in altmodischem Sakko und Rüschen-Hemd, betont immer wieder wie viel ihm solche Abende bedeuten. Die ganze Szenerie berührt ihn so sehr, dass er in der Zugabe sogar seinen vier Jahre alten Sohn per Videokonferenz an dem Schauspiel teilhaben lässt. Damit der auch mal einen Eindruck davon bekommt, was der Papa so auf seinen vielen Reisen unternimmt. Im Laufe des Abends greift Alex dann immer häufiger zu seinem Drink, setzt diesen an die Lippen, schmeißt seinen Kopf in den Nacken und ergießt den Inhalt zur Hälfte in und zur Hälfte neben seinen Mund.

„Kissing a mic and singing about us.“  – je länger die Band auf der Bühne steht, umso redefreudiger und betrunkener wird ihr Sänger. Umso häufiger steckt der dann auch seinen Kopf mit Tourmanagerin Charlie Lowe, die er schlussendlich sogar dazu verdammt ebenfalls ein Cover anzustimmen, die den Frontmann ansonsten aber brav über die bereits vergangene Spielzeit informiert, zusammen. Die ganze Veranstaltung fühlt sich häufig mehr nach einer kleinen privaten Familienfeier, als einem Konzert mit Vorverkauf, Bühne und allem Drum und Dran an. Für die letzten Songs, die Alex alleine performt, bleiben seine Bandkollegen im Zuschauerraum stehen und lauschen ihrem „Anführer“ wie alle anderen Zuschauer von dort aus. Vorher schenkt der stets sympathische Frontmann einem jungen Fan-Double in der ersten Reihe eins seiner schicken Patches. Selbst das obligatorische „We’re Beach Slang and we’re here to punch you right in the heart“ nach Song Nummer eins wird mit dem Verweis heute sei eine besondere Show, da so viele Freunde anwesend seien, versehen. Dieses starke Gemeinschaftsgefühl zieht sich heute sowohl durch die Texte als auch die Performance. Dazu später aber mehr.

„The songs that I make, I barely rehearse them.“  – schon nach 45 Minuten kündigen Beach Slang an, dass sie nun eigentlich von der Bühne gehen und für eine Zugabe zurückkehren würden. Da das Blue Shell aber über keinen direkten Zugang von Backstage zu Bühne verfügt, schließt man den einen vorgesehenen Zugabensong einfach an. Danach spielt Alex solo noch einige Cover-Versionen – von Oasis über die Pixies bis hin zu den Replacements. Als Viererkombo hat man nun nämlich alle Songs gespielt, die man für die anstehende Support-Tour geprobt hatte. So landet man am Ende dann Wohl oder Übel bei knappen 65 Minuten Spielzeit.

„They’re hardly mistakes, they’re meant to be honest.“ – die Authentizität zählt zu den größten Selling-Points Beach Slangs. Sei das die direkte, euphorische Art James Alex’ oder dessen nahbaren Texte, die seine Zweieinhalb-Minuten-Hymnen füllen. Viele Fans können sich mit den Erzählungen von Punk-Rock-Sonderlingen und Außenseitern und der Thematisierung der eigenen Ängste und der heilenden Kraft der Kunst identifizieren und finden sich in den wortgewandten Zeilen des Quartetts wieder. Der Atmosphäre merkt man das an – spielt der Frontmann die etwas reduzierteren Stücke, so ist es in dem langgezogenen Club mucksmäuschenstill.

Von der familiären Umgebung über die traurigen, in der Live-Situation aber ins Positive gewendeten Punk-Hymnen bis hin zu der spontanen Art des entertainenden Frontmannes stimmt schlussendlich alles, um die geeignete Umgebung zu schaffen, für eine Stunde alle in der richtigen Welt draußen wartenden Sorgen abzulegen. Kleine Ungereimtheiten wie der zu Beginn ungünstige Sound oder die etwas eingeschränkte Setlist, fallen da kaum ins Gewicht. Dass die Band trotz der vielen Besetzungswechsel und der wackeligen letzten Köln-Show im Winter 2017 wieder wie eine eingespielte Einheit auftritt, mag auch zu der intimen Grundstimmung beitragen. Wenig überraschend hat James Alex selbst für das abschließende Resümee die perfekten Worte: „That was heaven. You’re fucking heaven to me!

Und so hört sich das an:

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Foto von Jonas Horn.

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