Der Vorhof des Kölner Artheaters ist heute ungewöhnlich zugestellt. Zwei große weiße Vans parken hier, in der benachbarten Einfahrt steht noch ein weiterer. Dass Künstler und Künstlerinnen, die in der etwa 400 Menschen fassenden Location im ehemaligen Arbeiterviertel Ehrenfeld spielen, mit derart viel Gepäck und Geleit unterwegs sind, ist selten der Fall – doch diesmal hat sich hoher Besuch angemeldet: Bonaparte, das verrückte Projekt um den Schweizer Tobias Jundt, begibt sich erstmals nach einer gefühlten Ewigkeit wieder auf Rundreise durch Deutschland. „Zurück Nach Abidjan Tour 2019“ heißt diese Konzertreihe, die den Schweizer gemeinsam mit seiner Band und seinen Tänzern nach den Aufnahmen seines sechsten Albums an der Elfenbeinküste – erscheint im Juni – in acht schwitzige Clubs führt.
Ohne Aufwärmprogramm fällt gegen halb neun bereits der Startschuss. Ein Streicherteppich ertönt, die Scheinwerfer beleuchten den hinteren Teil des Raums, in dem sich gerade ein Mitglied der diesmal sehr reduzierten Bonaparte-Band an einem Fagott zu schaffen macht. Passend zu den vielen Afrobeats, die die neuen Songs des Projektes – drei spielt man heute bereits – spicken, eröffnet man das Konzert ebenfalls mit einem traditionellen Instrument, das zwar aus Europa stammt, klanglich aber gut zu den Weltmusik-Einflüssen passt. Wenig später schreiten die drei Mitglieder der aktuellen Bonaparte-Besetzung durch das Publikum zur Bühne und zu den ruhigen Klängen von „3 Minutes In The Brain Of Bonaparte“ beginnt das Konzert. Viele Fans scheinen sich noch nicht wirklich auf die Musik einlassen zu können, es wird noch viel geredet. Das ändert sich auch zu „White Noize“ aus dem aktuellsten, fünften Album der Gruppe um Jundt nicht. Spätestens ab dem Moment, in dem der kleine Mann mit der großen Bühnenpräsenz aber die ersten Töne des Indie-Hits „Anti Anti“ anspielt, herrscht vor der Bühne absolutes Chaos. Ekstase.
Hier offenbart sich auch bereits, warum Bonaparte und Konsorten mit gleich drei Kleintransportern unterwegs sind: Wie auch bei den größeren Konzerten reist die dreiköpfige Band mit zwei Tänzern, die die mal punkigen, mal elektronischen Songs Bonapartes mit provokanten Kostümierungen und anzüglichen Tanzeinlagen unterlegen. So huscht erst ein geschminkter Mann in Glitzeranzug zwischen den Musikern umher, bloß um sich nach und nach seiner Kleidung zu entledigen. Später kehrt der etwas korpulentere Herr mit Plastikbrüsten auf die Bühne zurück. Eine Frau mit Männermaske reibt ihren Kopf immer zwischen seine Brüste, saugt an den künstlichen Nippeln. Die beiden Tänzer stolzieren mal auf die Bühne, andere Male kriechen sie die wenigen Stufen animalisch herauf. Am Schluss stehen Tänzer und Tänzerin gänzlich nackt vor den 400 Fans und die Frau versohlt dem Mann lustvoll den Hintern. Immer wieder spielt die Inszenierung auch mit Ekel: Was damit beginnt, dass Wasser ins Publikum gespuckt wird, endet mit zerkautem Fladenbrot. Auch Bier und Sektduschen müssen die ersten Reihen über sich ergehen lassen.
Die Band lässt sich von dem Schauspiel nicht beirren, spielt Song für Song und spricht bis auf wenige „What up?“-Ausrufe kaum mit den Fans. Jundt ist dabei noch am präsentesten, singt mal mit lässig zurückgeneigtem Kopf ins Mikrofon, springt mal ungestüm mit seinem Instrument über die Bühne oder tritt ganz nah an die Fans heran. So haucht er einem männlichen Fan während „Wash Your Thighs“ immer wieder ein „I Should be your muse“ entgegen, spielt mit dessen langem Haar und endet für den zweiten Teil des Songs auf den Schultern des Herren. Die Fans sind ab Song drei komplett am Start, tanzen und schmettern während der populäreren Stücke lauthals die Texte mit. Die Stimmung ist exzellent, der Applaus zwischen den Songs ohrenbetäubend. Stimmt Jundt in der zweiten Zugabe komplett alleine die Akustikversion von „Into The Wild“ an, hat er schlussendlich doch die volle Aufmerksamkeit der Menge, die es schafft währenddessen größtenteils still zu bleiben. Was bleibt, ist ein 75-minütiger, abgefuckter Ritt durch die Diskographe Bonapartes, der nie seinen Reiz zu verlieren scheint. Toll.
Tickets für die restlichen Tourdaten im Winter gibt es hier.*
Das Album “Was Mir Passiert” (erscheint am 14.06.2019) kannst du dir hier kaufen.*
Und so hört sich das an:
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Bonaparte live 2019:
19.11. – Leipzig, Täubchenthal
20.11. – Dresden, Beatpol
21.11. – Frankfurt, Batschkapp
22.11. – München, Technikum
23.11. – Wien, Flex (AU)
25.11. – Erlangen, E-Werk
26.11. – Stuttgart, Wagenhalle
27.11. – Bern, Bierhübeli (CH)
28.11. – Köln, Gloria
29.11. – Hamburg, Uebel & Gefährlich
30.11. – Berlin, Festsaal Kreuzberg
Foto von Jonas Horn.
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