“Jetzt bin ich hier. Und hier ist Party!”. Mit diesen selbstsicheren Songzeilen kehrte der selbsternannte „Arbeiter der Liebe“ vor einigen Monaten zurück in die Herzen des Volkes und legte mit „Hier ist Party“ den ersten Stein für seinen dritten Longplayer. Seit Anfang Februar gibt es die neue Christian Steiffen-Platte „Gott of Schlager“ (Album-Rezension HIER) zu erwerben und was ist passiert? Nachdem das erste Album gar nicht die Charts erreichen konnte, Album 2 immerhin Platz 63 erklomm, springt „Gott of Schlager“ nun direkt auf Platz 17. Ja, der Fankreis hat sich um einiges vergrößert. Das merkt man auch am Freitag, den 12.04.2019 im ausverkauften E-Werk in Köln.
Die vor knapp drei Wochen gestartete Tour scheint zu laufen. Für einige Gigs sind sämtliche Tickets vergriffen. In seiner Heimat Osnabrück macht Steiffen gleich dreimal die Hütte voll. Der Gute ist aktuell so gefragt, dass im Herbst zwölf Zusatzkonzerte stattfinden. Wir waren vor ziemlich genau einem Jahr für euch in Wuppertal am Start (lest HIER nochmal den Bericht). Damals kamen weniger als 800 Leute. Heute sind es an die 2000 in Köln. Natürlich hat Köln um einiges mehr Einwohner, aber die Tickets muss man trotzdem erstmal verkauft kriegen. Und genau hier liegt das Problem des Konzerts: mehr Leute heißt nicht unbedingt mehr Spaß!
Fast pünktlich betritt Steiffens festes Ensemblemitglied, Das Original Haseland Orchester, um kurz nach 20h die Bühne und moderiert Shane Alexander an. Der Kalifornier stellt optisch gar keinen so großen Kontrast zum Hauptact dar, sorgt aber als Country-Boy mit Gitarre in der Hand für ein wenig Langeweile. Sämtliche eigenen Songs werden schnell zu einer Art Hintergrundbeschallung für die eh schon recht laute Geräuschkulisse im Raum. Dass der Herr bereits acht Alben in seiner Heimat veröffentlicht hat, nützt nur geringfügig. Besser hingegen funktionieren seine beiden Coverversionen „Bridge Over Troubled Water“ und „Space Oddity“, die das Publikum mitgrölen kann. Beim ersten der beiden genannten Songs gibt es sogar gesangliche Unterstützung von Christian Steiffen höchstpersönlich. Ohne Vorankündigung betritt er mitten in der Performance des Supports die Bühne und stellt sich lässig mit Alexander ans Mikro. Das kommt an. Der Rest des Auftritts wird eher geduldet. Ist musikalisch nicht mies, aber eben fehl am Platz.
Der Umbau braucht nur kurzweilige zehn Minuten. Der steigende Erfolg zeigt sich auch beim Bühnenaufwand. Letztes Jahr gab es eine große Leuchtreklame – dieses Jahr Ventilatoren in schicker Optik, diverse Tasten- und Zupfinstrumente an mehreren Ecken und als besonderen Hingucker einen Wandschrank, der einen Christian Steiffen-Schriftzug innehat, in Neonfarbe das Wort „Gott“ aufleuchten lässt und mit Vinylplatten des aktuellen Albums dekoriert ist. Uhlala.
Um 20:40 ist dann Steiffen auf der Bühne und moderiert sich und sein Haseland-Orchester gewohnt selbst an. In wenigen Sekunden ist die Stimmung bereits obenauf. Wie es sich für ein Steiffen-Konzert gehört, wird bereits vor dem ersten Song und dann nach jedem einzelnen Track „Zugabe! Zugabe!“ gerufen. Die Fans sorgen also für kräftigen Alarm. Der Nachteil daran: offensichtlich besteht das Publikum nicht mehr nur selbstironischen linken Studenten und intellektuellen Leuten zwischen 30 und 40. Mittlerweile scheint die Musik auch beim Schützenverein, Kegelclub und den lokalen Fußballmannschaften angekommen zu sein, die alle das Konzert nutzen, um sich mal wieder richtig volllaufen zu lassen und in den Armen zu liegen.
Gerade der Geheimtipp, der noch nicht jeden klassischen Schlagerfan erreicht hat, war eins der Stärken des letzten Konzerts. Ein familiäres Feeling lag in der Luft, alle hatten Bock. Stattdessen wird nun eher weniger rücksichtsvoll gerempelt. Das bekommt auch Steiffen mit. Mehrmals fliegen leere Hartplastikbecher auf die Bühne. „Das ist hier eine Veranstaltung der Hochkultur und kein Fußballspiel“ witzelt er, meint es aber wohl doch ernster. Immerhin droht er hinzufügend damit, die Show abzubrechen, wenn weitere Becher folgen. Dann ist zunächst erstmal etwas Ruhe. Zum Ende des Konzerts werden erneut mehrere geworfen, Steiffen äußert sich aber nicht weiter dazu.
Auf der Bühne wirkt alles um einiges professioneller als bei der letzten Tour. Haseland rennt von einem Instrument zum nächsten, Steiffen zeigt in seinem Rüschenhemd gerne etwas nackte Haut vom Oberkörper und präsentiert die beliebten 70s-Dancemoves. Besonders aufwertend sind die drei Gastmusiker, mit denen so nicht zu rechnen ist. Ein grandioser Saxophonist, der gleich mehrmals auf die Bühne darf und wirklich tolle Soli spielt, die perfekt zu den Songs harmonieren. Shane Alexander kommt zwischendrin nochmal mit der Klampfe vorbei und ein Violinist darf bei „In Budapest beim Schützenfest 1810“ zeigen, was er kann. Natürlich kommen weiterhin die Beats vom Band, der Gesang ist aber ausschließlich live und wieder von vorne bis hinten absolut zufriedenstellend.
Steiffen tanzt und winkt, was das Zeug hält und erreicht jeden Zuschauer. Er hat mittlerweile seine Künstlerfigur perfektioniert und sorgt bei seinen arrogant gespielten und stets zynischen Anmoderationen für humorvollen Charme. Die Setlist bietet einen bunten Mix aus allen drei Alben. Sieben Songs vom aktuellen „Gott of Schlager“ mischen sich unter die 21 Songs starke Setlist. Tatsächlich wird er sogar ausgebuht – auf seinem eigenen Konzert! Das war aber bei „Kack Kack Kack Kack Karneval“ in Köln kaum anders zu vermuten (HIER ein Ausschnitt auf unserem Instagram-Profil). Außerdem erwartet einen das gewohnte Programm aus „Ich fühl‘ mich Disco“, „Ich hab‘ dir den Mond gekauft“, „Eine Flasche Bier“, „Sexualverkehr“, „Selbstmitleid“ und anderen Highlights des Osnabrückers. Vermisst wird abermals der Groover „Viel zu heiß“. Eher unverständlich fehlt die Single „Du hasst die Menschen einfach gern“ und das auch als T-Shirt beliebte „Viva la evolution“. Insgesamt kann man aber bei 105 Minuten wenig beanstanden.
Hoffen wir mal, dass sich das Publikum nicht weiterhin in die bereits eingeschlagene Richtung entwickelt. Steiffen will Party auf seinen Konzerten, aber mit mehr Coolness als Asi-Touch. Schade, dass er nun genau die Leute anzieht, die er in seinen Texten parodiert. Ob sich das noch umkrempeln lässt? Wir werden sehen.
Hier gibt’s Tickets für die restliche Tour.*
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Bild von Christopher.
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