50 Jahre im Musikbusiness ist schon eine Hausnummer. Mit 17 Jahren beschloss Gaynor Hopkins, besser bekannt als Bonnie Tyler, Sängerin zu werden. Sie wollte immer eine Band hinter sich haben und Leute mit ihrem Gesang beeindrucken. Mit 24 nimmt sie ihre erste Single auf, mit der zweiten landet sie in den britischen Top 10.
Der Rest ist Geschichte. Eine Karriere, auf die die Waliserin stolz zurückblickt. Das wird in einer der kleineren Räume der Dortmunder Westfalenhalle deutlich. Die bestuhlte Halle 2 ist zu gut Zweidrittel gefüllt, der Großteil der Zuschauer ebenso wie die Sängerin bereits in die Jahre gekommen. Es sind besonders die lockere Art, das Schätzen der Fangemeinde und die angenehmen Ansprachen, die während des Konzerts positiv auffallen.
Bevor man jedoch Bonnie zu Gesicht bekommt, erlebt man mit dem Österreicher Lanny Lanner 30 Minuten Vorband der unangenehmen Sorte. Deutscher Country-Pop-Schlager im Wechsel mit diversen Medleys aus der Rockgeschichte, bestehend aus „Long Train Running“, „What’s Up“, „Superstitious“ und „You Give Love a Bad Name“. Da braucht man gute Nerven, um diese teils echt fremdschämigen Momente auszuhalten. Einer davon ist das Vorstellen einer Loopstation, die anschließend quasi nicht verwendet wird. Töne treffen und ein bisschen Gitarre spielen sind eben nicht alles.
Dafür benötigt der Umbau zwischen Support und Hauptact nur fünf Minuten, was wirklich löblich ist. Bonnie Tyler ist ab 20:35 am Start und spielt gute 90 Minuten insgesamt 17 Songs aus ihrer über vier Dekaden anhaltenden Laufbahn. Die größte Frage ist wahrscheinlich, wie eine 67-jährige, die nahezu ausschließlich wegen ihrer Stimme so erfolgreich war, heute klingt. Überraschend: gar nicht so viel anders!
Der Wiedererkennungswert ist geblieben. Wer Bonnie Tyler hören will, tut das auch. Der Sound hat sich kaum verändert, lediglich die Höhen sind nicht mehr ganz die, die sie einmal waren, was aber auch normal ist. Die aktuelle Tour, die an das gerade erst erschienene Album „Between the Earth and Stars“ angelehnt ist, legt mit acht Songs zur Hälfte den Fokus auf neue Titel. Leider fehlt es den neuen Tracks gehäuft an Raffinesse und Abwechslung, sodass ein ordentlicher Teil des Konzerts ein wenig plätschert. Gehäuft werden ebendiese Songs genutzt, um Selfies mit der Sängerin im Hintergrund zu machen oder noch schnell etwas Neues zu trinken zu holen. Schade, aber wenig verwunderlich.
Die andere Hälfte der Setlist besteht aus Coversongs wie zum Beispiel „Have You Ever Seen the Rain“ von Creedence Clearwater Revival, was ok funktioniert und einem Song von Carrie Underwood, „Flat on the Floor“, der als Opener wirklich gut dient. Letztendlich sind aber wohl die meisten Fans da, um ihre großen Erfolge zu hören, von denen Bonnie immerhin drei spielt. Der Evergreen „It’s A Heartache“ erklingt ungewöhnlich früh als dritter Song und sorgt für grandioses 70s-Feeling. Den kann sie immer noch. Die zwei Jim Steinman-Kompositionen „Total Eclipse of the Heart“ und „Holding Out for a Hero“, die dafür nicht jeder x-beliebige Karaokestar nachsingen kann, geraten jedoch an der einen oder anderen Stelle ins Straucheln. Hohe Stellen lässt Bonnie vom Publikum singen oder mogelt sich mit Phrasierungen etwas durch. Das ist, wie bereits oben erwähnt, zu erwarten, aber dennoch etwas enttäuschend. Gerade solche Highlights müssen knallen. Zu 70% gut gesungen sind zwar mehr als Durchschnitt, aber eben dennoch nicht das volle Programm. Außerdem wartet man kläglich auf Werke aus der 90er-Ära und auch der Top 10-Hit „Lost in France“ kommt nicht zum Zuge.
Und so bleibt bei einem gar nicht mal so günstigen Konzert, bei dem die vorderen Reihen knapp 100€ kosten, etwas zu wenig auf der Haben- und etwas zu viel auf der Wollen-Seite. Neben einer vierköpfigen Band, die standardmäßig aus Bass, E-Gitarre, Drums und Keyboards zusammengesetzt ist und ein solides Programm präsentiert, bekommt das Auge nur ein paar Lichteffekte. Keine Leinwand, keine anderen Bühneneffekte oder Kostümwechsel. Übergroßer Tumult wäre auch nicht nötig, aber ein wenig mehr darf es trotzdem sein. Das scheinen auch einige Zuschauer zu finden – ein Paar verlassen vor den Zugaben, andere sogar während des Hauptsets die Show.
Schön ist, dass man als Liebhaber der Stimme gut auf seine Kosten kommt. Bonnie bemüht sich gesanglich und gibt das, was sie noch kann, was gar nicht so wenig ist. Außerdem verspricht sie, wiederzukommen. Wie sie selbstironisch über ihre regelmäßigen Botoxeinlagen erzählt, bleibt im Kopf und hinterlässt einen sehr sympathischen Eindruck und ein authentisches Gefühl. Trotzdem sind einige Abstriche notwendig. An der Setlist sollte besonders gearbeitet werden, um bei einer derartigen Preiskategorie mehr als ein Konzert a la „Ganz nett“ zu sein – letztendlich ist sie ein Star, bei dem der letzte Hit schon einige Zeit zurück liegt. Also Obacht, die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht.
Und so hört sich das an:
Bild von Christopher.
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